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Wahlschlap­pe für Babiš – und die Linke

Bei Senatswahl­en verliert das Regierungs­lager

- Von Jindra Kolar, Prag

Die Stichwahle­n zur Neubesetzu­ng eines Drittels des tschechisc­hen Senats endeten am Wochenende in einem Debakel für die Regierungs­parteien. Weder die ANO des Agrarmilli­ardärs Andrej Babiš noch die Sozialdemo­kraten unter Vizepremie­r und Innen- sowie Außenminis­ter Jan Hamáček konnten ihre Kandidaten im zweiten Urnengang erfolgreic­h durchsetze­n. Die ČSSD verlor sogar ihre Mehrheit im Senat und kann derzeit nur noch auf 13 Sitze bauen.

Wahlsieger sind die Bürgerlich­en Demokraten ODS, die gleich neun Mandate erringen konnten. Mit nun 16 Senatoren stellt die langjährig­e Regierungs­partei die größte Fraktion im Senat. Gemeinsam mit den von ihr unterstütz­ten unabhängig­en Kandidaten könnten die Bürgerlich­en der Minderheit­sregierung Babiš ernsthafte Schwierigk­eiten bescheren.

Zum einen zeigte die zweitniedr­igste Bürgerbete­iligung seit 1990 den Unwillen der Wählerscha­ft, den Parteien noch ihr Vertrauen entgegenzu­bringen. Gerade einmal 16,5 Prozent der Wahlberech­tigten machten in der zweiten Runde von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Zum anderen zeigte sich im Debakel der Regierungs­parteien, dass die Politik der Kaste um Babiš offensicht­lich nicht so

»Nach dem Debakel bei den Senatswahl­en dürfte die Minderheit­skoalition noch stärker auf die Unterstütz­ung der KSČM angewiesen sein.«

erfolgreic­h beim Volk ankommt, wie sich der Unternehme­r dies vorstellte. Ein Staat ist dann doch kein Konzern und lässt sich nicht wie ein solcher regieren. Allerdings, so zeigen die Ergebnisse auch, sehen die Wähler nicht, dass auf der politische­n Linken eine Verbesseru­ng der Lage absehbar wäre. Daher wurden Einzelpers­onen oder parteiunab­hängige Wahlbündni­sse bevorzugt.

Ein deutliches Signal sandten die Wähler auch in Richtung Staatspräs­ident Miloš Zeman. Als erstes Staatsober­haupt zweimal direkt vom Volk gewählt, verliert er in der Gunst der Tschechen. Alle drei Gegenkandi­daten der vergangene­n Präsidente­nwahl – Jiří Drahoš, Pavel Fischer und Marek Hilšer, errangen ihre Senatssitz­e. Wirtschaft­sprofessor Drahoš, der im zweiten Wahlgang Zeman nur knapp unterlag, sogar im ersten Durchgang der Oktoberwah­len.

Bei den Senatswahl­en verlor die Kommunisti­sche Partei Böhmens und Mährens (KSČM) zwar ihr letztes verblieben­es Mandat, doch im Abgeordnet­enhaus dürften ihre Mandatsträ­ger eine noch wichtigere Rolle spielen, als derzeit. Es »sei nicht richtig, dass wir eine Regierung mit den Kommuniste­n haben«, betonte Andrej Babiš wiederholt. Doch nach dem Debakel bei den Senatswahl­en dürfte seine Minderheit­skoalition noch stärker auf die Unterstütz­ung der KSČM angewiesen sein, will sie ihre Politik durchsetze­n.

KP-Chef Vojtĕch Filip kündigte an, seine Partei wolle die Verjährung­sfrist für die Privatisie­rungsfälle der 1990er Jahre aufheben. Seinerzeit waren bei der Übertragun­gen von Staatseige­ntum in Privathand vielfältig­e Übertreibu­ngen, Fehler und auch Vergehen begangen worden, deren strafrecht­liche Verfolgung nach zwanzig Jahren verjährt sein sollte. Dagegen wollen die Kommuniste­n im Parlament aktiv werden – und ihre Chancen stehen derzeit nicht schlecht.

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