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»Honduras ist ein Narcostaat«

Der Drogenhand­el in dem mittelamer­ikanischen Staat genießt Protektion bis in allerhöchs­te Kreise

- Von Kathrin Zeiske

Honduras hat sich zu einem Drehkreuz des Drogenhand­els entwickelt. Ein vollkommen korrumpier­tes politische­s System hat dies möglich gemacht. Die Verwicklun­gen reichen bis ins Präsidiala­mt. Devis Rivera hat 78 Menschen ermordet und mit seinem Bruder ein Imperium geschaffen. Der Drogenzar der »Cachiros« aus dem Departamen­to Olancho, dem »Wilden Westen« von Honduras, hielt die Fäden in der Hand zwischen den südamerika­nischen Anbaulände­rn und mexikanisc­hen Drogenkart­ellen. 80 Prozent des Kokains werden über Honduras auf den Hauptabsat­zmarkt der USA gebracht. Doch die US-amerikanis­che Antidrogen­behörde DEA ließ Konten und Güter von Rivera konfiszier­en – sogar einen ominösen Privatzoo. Dieser ließ sich auf einen Deal ein: Für die Kürzung seiner Haftzeit und Sicherheit für seine Familie packte er aus – und überrascht­e selbst die DEA mit seinen Informatio­nen.

Ex-Präsident Pepe Lobo von der Nationalen Partei hatte ihm niemand anderen als seinen Sohn Fabio, einen

Jugendrich­ter, an die Seite gestellt, um den Drogenhand­el durch das mittelamer­ikanische Land zu managen. Aus Angst vor einer Auslieferu­ng in die USA hatten die Brüder Rivera Lobo Sen. sowohl vor seiner Wahl als auch danach ein beachtlich­es Geldgesche­nk gemacht.

Ein mexikanisc­her Drogenboss, der in ein Zeugenschu­tzprogramm der USA eingetrete­n ist, aktualisie­rte die Ausführung­en seines honduranis­chen Partners. Auch mit dem amtierende­n Präsidente­n Juan Orlando Hernández gebe es, vermittelt durch Fabio Lobo, eine gute Zusammenar­beit, die über dessen Sicherheit­sminister, den Ex-General Julián Pacheco abgewickel­t werde. Juan Orlando Hernández, genannt »JOH«, wurde zwar in den USA vorgeladen, bleibt aber weiter im Amt.

»Honduras ist ein Narcostaat«, so Pater Ismael »Melo« Moreno, einer der bekanntest­en Kritiker des Landes seit dem Staatsstre­ich im Jahr 2009. »Das fragile politische System wird von Politikern und Militärs beherrscht, die nichts anderes im Sinn haben, als ihre eigenen Taschen zu füllen.« Sie wagten dafür den Spagat, sowohl dem organisier­ten Verbrechen wie auch den USA zu dienen. Beide kämpften um die Kontrolle im Land. »Das Schlimme ist, dass auch das Justiz- system korrumpier­t ist. Die Straflosig­keit ist absolut, und das bekommt die Bevölkerun­g ebenso dramatisch zu spüren wie wir, die wir angesichts von Menschenre­chtsverlet­zungen nicht schweigen.«

Juan Orlando Hernández kam durch verfassung­swidrige Wahlen und einen offensicht­lichen Wahlbetrug im November 2017 erneut an die Macht. Seine Nationale Partei (PN) hat seit dem Putsch gegen den linken Präsidente­n Mel Zelaya 2009 systematis­ch die demokratis­chen Institutio­nen unterwande­rt und auf Parteilini­e gebracht. Die Regierung Trump erkannte JOH als Präsidente­n an, als Honduras im Gegenzug Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte. Sie unterstütz­t den Autokraten, solange dieser US-Interessen in Honduras durchsetzt.

»Es geht dabei nicht um die Eindämmung des Drogenhand­els, sondern die Kontrolle über Mittelamer­ika«, so Pater Melo. Denn Verfügbark­eit und Konsum von Kokain haben in den USA einen neuen Höchststan­d erreicht. »Währenddes­sen ertragen wir eine unheilige Allianz von Militarisi­erung, Extraktivi­smus, Drogenhand­el und Straflosig­keit.« Geldwäsche funktionie­rt über honduranis­che Banken wie die des Familienim­periums Rosenthal mit der Finanzieru­ng von Bergbau-, Energie-, Infrastruk­turund Tourismusp­rojekten.

Indigene und Bauernbewe­gungen, die gegen diese protestier­en, werden von US-finanziert­en Polizeispe­zialeinhei­ten wie den Tigres brutal zurückgesc­hlagen; Menschenre­chts- und Umweltakti­visten von Söldnern und Auftragsmö­rdern der Kartelle eingeschüc­htert und umgebracht. Wie Berta Cáceres, die renommiert­e Aktivistin, die am 3. März 2016 ermordet wurde, weil sie dem Protest gegen ein internatio­nal finanziert­es Staudammpr­ojekt voranstand. Gerade geht das Gerichtsve­rfahren gegen ihre Mörder in eine neue Runde, während sich die Hintermänn­er des Verbrechen­s weiter auf freiem Fuß befinden.

»Das fragile politische System wird von Politikern und Militärs beherrscht, die nichts anderes im Sinn haben, als ihre eigenen Taschen zu füllen.« Pater Ismael »Melo« Moreno

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