nd.DerTag

SPD stellt weiter den Oberbürger­meister

Mike Schubert gewann am Sonntag in Potsdam mit 55,3 Prozent die Stichwahl gegen Martina Trauth

- Von Andreas Fritsche

28 Jahre SPD sind genug, hatte die LINKE vor der Stichwahl plakatiert. Den Wählern ist es aber nicht genug. Sie legten noch einmal acht Jahre oben drauf. Mit 44,7 Prozent der Stimmen hat Martina Trauth, die für die LINKE antrat, am Sonntag zwar die Potsdamer Oberbürger­meistersti­chwahl gegen Mike Schubert (SPD, 55,3 Prozent) verloren. Sie schnitt aber besser ab als erwartet – und sie erhielt 5,5 Prozent mehr, als Linksfrakt­ionschef HansJürgen Scharfenbe­rg vor acht Jahren erhalten hatte, als er sich in der Stichwahl ein Duell mit Oberbürger­meister Jann Jakobs (SPD) lieferte.

Dieser Umstand ist auch dem Bundestags­abgeordnet­en Norbert Müller (LINKE) aufgefalle­n. »Martina Trauth hat rund sechs Prozent mehr als HansJürgen Scharfenbe­rg 2010 und deutlich mehr Stimmen als er«, bemerkte Müller am Wahlabend. »Das macht Mut für die Zukunft der LINKEN in Potsdam.« Es gelte jetzt, bei der Kommunalwa­hl am 26. Mai 2019 wieder »Nummer eins« und damit stärkste Fraktion im Stadtparla­ment zu werden.

Das gute Ergebnis ist umso erstaunlic­her, als Trauth nicht den kompletten Kreisverba­nd der Sozialiste­n hinter sich wusste. Vor ihrer Nominierun­g hatte es eine heiße Debatte gegeben, lieber Lutz Boede von der linksalter­nativen Wählergrup­pe »Die Andere« als Oberbürger­meisterkan­didaten zu unterstütz­en. Im Wahlkampf haben dann einige Genossen engagiert geholfen, andere haben sich bewusst abseits gehalten.

Trotzdem musste die SPD am Abend der Stichwahl zittern. In den anderen kreisfreie­n Städten Brandenbur­gs hatten die Sozialdemo­kraten zuletzt keine Chance. In Brandenbur­g/Havel setzte sich bei der Oberbürger­meisterwah­l im Februar Steffen Scheller (CDU) durch. Mit 33,4 Prozent verlor sein Konkurrent Jan van Lessen, der von SPD, LINKE und Grünen unterstütz­t wurde, ziemlich deutlich. Im März schied bei der Wahl in Frankfurt (Oder) der SPDKandida­t Jens-Marcel Ullrich mit desaströse­n fünf Prozent gleich in der ersten Runde aus. Oberbürger­meister wurde dort am Ende René Wilke (LINKE). In Cottbus immerhin stellte die SPD mit Frank Szymanski acht Jahre lang den Oberbürger­meister. Doch 2014 verpasste Szymanski trotz Unterstütz­ung durch die LINKE eine zweite Amtszeit. Er unterlag Holger Kelch (CDU).

Jann Jakobs in Potsdam war danach der letzte verblieben­e Oberbürger­meister der SPD im Bundesland. Wenigstens in der Landeshaup­tstadt, wo seit 1990 immer nur Sozialdemo­kraten Rathausche­f gewesen sind, sollte es so bleiben. Jakobs geht am 28. November in den Ruhestand. Sein Nachfolger sollte Mike Schubert (SPD) werden – und so kommt es nun auch. Schubert dankte den Wählern, die ihm das Vertrauen schenkten. »Heimatverb­unden, bürgernah und lösungsori­entiert – so werde ich für Sie arbeiten«, versprach er.

Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) gratuliert­e dem Sieger. »Die SPD kann Wahlen gewinnen. Dass unsere Landeshaup­tstadt eine SPDFührung behält, ist auch ein wichtiges Signal für die Landtagswa­hl und die Kommunalwa­hl 2019«, erklärte Woidke.

2002 war der scheidende Oberbürger­meister Jakobs nur mit einem hauchdünne­n Vorsprung auf Links- fraktionsc­hef Scharfenbe­rg ins Amt gelangt. Erst acht Jahre später musste sich Scharfenbe­rg bei der Wiederholu­ng dieses Duells mit einem deutlicher­en Abstand geschlagen geben. Dies ließ sich mit dem Bevölkerun­gswandel in der bis heute stark wachsenden Stadt erklären, in die viele und teils vermögende Westdeutsc­he zugezogen sind. Auf ihre traditione­llen Stammwähle­r allein kann die LINKE da nicht mehr vertrauen, wenn sie in Potsdam stark bleiben will.

Darum kam der frühere Kreisvorsi­tzende Sascha Krämer auf die Idee, die parteilose, aus Rheinland-Pfalz stammende Gleichstel­lungsbeauf­tragte Martina Trauth für die LINKE ins Rennen zu schicken. Krämer ist nicht mehr Kreisvorsi­tzender. Er zog mit seiner Familie für einige Zeit nach Südafrika, wo seine Frau für die FDPnahe Friedrich-Naumann-Stiftung arbeitet. Aber von Johannesbu­rg aus verfolgte Krämer interessie­rt, wie sich Trauth im Wahlkampf schlug und kam auf Besuch in Deutschlan­d auch mal vorbei. Am Sonnabend tippte Krämer auf 41 Prozent für Trauth, am Sonntag drückte er ihr die Daumen und freute sich dann, dass es sogar noch ein bisschen mehr geworden ist, auch wenn es leider nicht gereicht hat.

»Danke Martina Trauth, dass du mit uns den Wechsel wagen wolltest. Es war knapp«, sagte Krämer. »Ich hoffe, du bleibst uns erhalten.« Die Wahlbeteil­igung lag am Sonntag bei 37,8 Prozent.

Es mag stark vereinfach­t sein, das Bild von der gespaltene­n Stadt Potsdam, in der ausgerechn­et die alte Arbeiterpa­rtei SPD 28 Jahre lang eine Politik für die zugezogene­n Reichen und Prominente­n gemacht und die Sorgen der einfachen Menschen wenig beachtet hat. Aber viele empfinden es so und haben genug davon. Mike Schubert (SPD) haftet der Geruch des Thronfolge­rs von Ober bürgermeis­ter Jann Jakobs( SPD) an, eines Thronfolge­rs, der nichts grundlegen­d anders und nichts wirklich besser machen wird. Er hat es trotzdem geschafft, hat am Sonntag mit 55,3 Prozent die Ober bürgermeis­ter stichwahl gegen Martina Trauth( für LINKE) gewonnen. Nun muss er in der Praxis beweisen, ob seine angeblich frischen Ideen tauglich sind, die Wohnungsno­t zu lindern und das Verkehrsch­aos aufzulösen.

Geboren 1973 in Schwedt als Sohn eines siebenfach­en Weltmeiste­rs im Wildwasser kanus port, wuchsMikeS­c hubert in Potsdam auf. Morgens betreut er heute noch seine beiden sieben und zehn Jahre alten Kinder, während seine Frau schon zur Arbeit gegangen ist. Schubert wirkt sympathisc­h. Er ist in der Stadt kein Unbekannte­r und kommt mit seiner menschlich­en Art durchaus auch bei Bürgern an, die ihn aus politische­n Gründen nicht gewählt haben. 1989 hat Schubert eine Lehre als Industriee­lektro- niker begonnen, wegen der Wende dann eine zweite Ausbildung zum Einzelhand­elskaufman­n angefangen und abgeschlos­sen. Er machte sich selbststän­dig und ging Pleite, musste Sozialhilf­e beantragen und übergangsw­eise wieder zu seinen Eltern ziehen.

Ohne Abitur, per Eignungspr­üfung, studierte er dann Wirtschaft­s- und Politikwis­senschafte­n, jobbte nebenbei im Bürgerbüro von Ministerpr­äsident Matthias Platzeck (SPD). Von 2009 bis 2016 war Schubert im brandenbur­gischen Innenminis­terium beschäftig­t, ab 2011 leitete er dort das Referat für Brand- und Katastroph­enschutz. 2016 wurde Schubert Sozialbeig­eordneter in der Stadtverwa­ltung von Potsdam. Nun rückt er auf den Posten des Oberbürger­meisters. Für acht Jahre ist er gewählt.

 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Oberbürger­meister Jann Jakobs (l.) gratuliert am Sonntagabe­nd seinem Nachfolger Mike Schubert (r.).
Foto: dpa/Bernd Settnik Oberbürger­meister Jann Jakobs (l.) gratuliert am Sonntagabe­nd seinem Nachfolger Mike Schubert (r.).
 ?? Foto: nd/Fritsche ?? Martina Trauth
Foto: nd/Fritsche Martina Trauth
 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Mike Schubert (SPD) wird neuer Oberbürger­meister von Potsdam.
Foto: dpa/Bernd Settnik Mike Schubert (SPD) wird neuer Oberbürger­meister von Potsdam.

Newspapers in German

Newspapers from Germany