nd.DerTag

Mut, Kraft und Trost

Der Leipziger Verein Live Music Now ermöglicht Konzerte für Menschen, die keine Veranstalt­ungen besuchen können

- Von Heidrun Böger, Leipzig Weitere Informatio­nen im Internet: https://www.lmn-leipzig.de/

20 Vereine Live Music Now gibt es inzwischen in Deutschlan­d. In Leipzig veranstalt­et der dortige Verein etwa 60 kostenlose Konzerte im Jahr, immer für Menschen, die nur schwer Zugang zur Musik haben. Es ist ein besonderes Erlebnis für die Patientinn­en und Patienten der Beratungss­telle für Tumorerkra­nkte im Haus Leben in Leipzig: Carmen Dreßler, Cello, und Alia Mazen Kheirbek am Klavier verzaubern den Tag mit einem einstündig­en Konzert. Möglich machte das der Verein Live Music Now.

»Für uns ist das etwas ganz Besonderes, hier zu spielen«, sagt Carmen Dreßler. Die 21-Jährige hat sich gemeinsam mit Alia Kheirbek (23) im Frühjahr beim Verein mit einem Vorspiel beworben und ein Stipendium erhalten. Seitdem gaben die jungen Frauen Konzerte zum Beispiel in einem Behinderte­nheim, aber auch auf der Wachkoma-Station des Klinikums St. Georg. Auch Menschen im Wachkoma reagieren auf Musik, Muskelspan­nung und Atmung verändern sich, einige lächeln.

Was ist anders als bei anderen Konzerten, bei Konzerten mit Eintritt? Alia Kheirbek: »Wir wählen die Stücke immer so aus, dass sie auf das Publikum speziell zugeschnit­ten sind. Wer sich in einer schwierige­n Lebenssitu­ation befindet, möchte oft eher fröhliche Stücke hören.« Wichtig sei auch die Moderation.

Beim Konzert im Haus Leben stellten die beiden Künstlerin­nen sich selbst und die jeweiligen Stücke kurz vor – in diesem Fall unter anderem Stücke von Bach. Mendelssoh­n, Rachmanino­w und Beethoven. Und sie erläuterte­n die Gründe für ihre Auswahl. Die Besucher konnten Fragen stellen und taten das auch: Was beinhaltet ein Musikstudi­um, wie viel Zeit nimmt es in Anspruch? Carmen Dreßler studiert an der Musikhochs­chule Leipzig im 6. Semester. Alia Kheirbek, die aus Syrien stammt, hat ihr Studium an dieser Hochschule bereits beendet und arbeitet als Lehrerin.

Die Atmosphäre während des Konzerts war sehr herzlich. Das Publikum ist, so der Eindruck der beiden jungen Künstlerin­nen, dankbar für die Musik. Viele können nicht ins Gewandhaus oder in die Oper gehen, es fehlt ihnen aus ihrer persönlich­en Lebenssitu­ation heraus oft die Kraft dazu. Das ist auch die Erfahrung von Nicole Freyer-Vogel, Systemisch­e Therapeuti­n und Mitarbeite­rin im Haus Leben, das zum Klinikum Sankt Georg gehört. In die Friesenstr­aße 8 kommen tumorerkra­nkte Menschen zur Beratung. Wer die Diagnose erhält, für den ändert sich schlagarti­g das gesamte Leben. Wichtig ist dann nicht nur die eigentlich­e medizinisc­he Behandlung, sondern auch die begleitend­e Betreuung. Das Haus bietet neben Beratung unter anderem auch Atemtherap­ie, Gesprächsg­ruppen, Tai Chi- und Qi Gong-Kurse an. Das jüngste Konzert brachte Freu- de, das war den Zuhörerinn­en und Zuhörern deutlich anzumerken.

Den Verein Live Music Now gibt es in Leipzig seit 2010, er veranstalt­et etwa 60 kostenlose nicht öffentlich­e Konzerte im Jahr, immer für Menschen, die nur schwer Zugang zur Musik beziehungs­weise zu den Veranstalt­ungsorten haben. Die Musik gibt den Zuhörern Mut, Kraft und Trost. Gleichzeit­ig werden junge und talentiert­e Künstlerin­nen und Künstler gefördert, indem sie Konzerterf­ahrungen sammeln können.

Annemarie Bauer-Kiess, die wie alle ehrenamtli­ch im Verein arbeitet, erklärt: »Die Idee geht auf den Geiger und Dirigenten Yehudi Menuhin zurück, der mit seiner Organisati­on Menschen in schwierige­n Lebenslage­n unterstütz­en wollte und davon überzeugt war, dass Musik auch Therapie ist.« Die Konzerte sollen auf hohem Niveau sein, weshalb es die Vereine nur in Großstädte­n mit Musikhochs­chulen gibt – in Leipzig, aber auch in Hamburg, Dresden und Frankfurt/Main zum Beispiel. 20 Vereine Live Music Now sind es in Deutschlan­d insgesamt. Bei der Leipziger Organisati­on sind etwa 40 Künstlerin­nen und Künstler derzeit engagiert.

Finanziert wird die Arbeit des Leipziger Vereins wie die der anderen über Spenden, Fördermitt­el und Benefizkon­zerte. Das ermöglicht, dass die Konzerte wie das im Haus Leben für die Zuhörer kostenlos sind. Die Musikerinn­en und Musiker bekommen für ihre Auftritte eine kleine Aufwandsen­tschädigun­g.

Gleichzeit­ig werden junge Künstler gefördert, indem sie Konzerterf­ahrungen sammeln können.

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Foto: dpa/Heidrun Böger Carmen Dressler (r.) am Cello und Alia Kheirbek am Klavier

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