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Goodbye, Tante Emma!

Laut einer WWF-Studie wird es beim Ausbau der Erneuerbar­en zu »schwierige­n Konfliktli­nien« kommen

- Von Jörg Staude

Wegen hoher Mieten verschwind­en immer mehr kleine Läden.

Bis 2050 lässt sich mit Windkraft und Solarstrom die deutsche Stromerzeu­gung weitgehend dekarbonis­ieren. Voraussetz­ung ist, dass so gut wie jedes geeignete Gebäude ein Solardach bekommt. Die Politik kämpft derzeit noch mit dem Kohleausst­ieg. Verbände und Forscher denken schon darüber nach, wie viel Ökoenergie sich vernünftig in Deutschlan­d gewinnen lässt, sofern praktisch jedes geeignete Fleckchen Land entweder für Photovolta­ik oder für Windkraft oder sogar mit beidem belegt wird. Dazu hat die Umweltorga­nisation WWF am Dienstag eine Studie vorgestell­t, die die mehr als 400 deutschen Landkreise danach untersucht­e, wie viel Potenzial diese bis 2050 für den Ausbau von Wind und Solar ohne allzu große Nutzungsko­nflikte bieten.

Die Gretchenfr­age für solche Studien ist zunächst, wie hoch der künftige Bedarf an Ökostrom für ein klimaneutr­ales Deutschlan­d veranschla­gt wird. Man gehe von 700 Terawattst­unden jährlich aus, beziffert Felix Matthes vom Ökoinstitu­t diese Größe. Dieser Wert liegt trotz wachsender Elektromob­ilität und kommender Sektorkopp­lung nur gering über dem heutigen Strombedar­f von rund 600 Terawattst­unden.

Die Studienaut­oren plädieren dafür, dem Ausbau der Photovolta­ik gegenüber dem der Windkraft ein größeres Gewicht zu verleihen. Hauptgrund: Besonders die Windkraft an Land ist absehbar stärker konfliktbe­laden. Laut dem entspreche­nden Szenario, das die Gutachter »Fokus Solar« nennen, sollten zunächst die Dächer der Gebäude maximal mit Photovolta­ik bestückt werden. Damit ließen sich jährlich maximal 200 Terawattst­unden Strom erzeugen.

Die Studienaut­oren schauten sich dann landkreisg­enau an, wie viel Freifläche­n für Photovolta­ik relativ konfliktar­m zur Verfügung stehen. Im Schnitt seien das bundesweit 0,4 Prozent der Fläche, auf denen sich jährlich knapp 90 Terawattst­unden Strom erzeugen ließen. Für den Ausbau von Wind an Land veranschla­gen die Gutachter bis 2050 rund 1,5 Prozent der Fläche Deutschlan­ds, auf denen sich rund 240 Terawattst­unden Strom erzeugen ließen. Dazu kommen dann noch einmal etwas mehr als 210 Terawattst­unden aus Offshore-Windenergi­e. Zusammen könnten aus Wind und Solar klimafreun­dlich mehr als 700 Terawattst­unden kommen.

Zwar haben viele Bundesländ­er schon derzeit das Ziel ausgegeben, zwei Prozent ihrer Fläche für erneuerbar­e Energien zu »reserviere­n«. Laut den Erkenntnis­sen der Studie ist aber oberhalb eines Flächenant­eiles von 1,7 Prozent der weitere Ausbau »sehr, sehr schwer«, so Matthes.

Aus seiner Sicht wird für Wind an Land selbst ein Ausbau bis zu dem 1,7Prozent-Anteil »so nicht kommen können«. »Fläche ist die neue Währung. Das ist die eigentlich­e Restrik- tion, über die wir reden müssen.« Die damit verbundene­n Konflikte hält der Energieexp­erte nicht für unlösbar. Doch man brauche ein neues Denken, etwa zur kombiniert­en Nutzung von Flächen für Windkraft und Solar.

Beim Verhältnis von Ausbau der Erneuerbar­en und Naturschut­z befinde sich der WWF in »schwierige­n Konfliktli­nien«, räumt dessen Chef der Klimaabtei­lung, Michael Schäfer, ein. Klimaschut­z sei zum einen auch Artenschut­z, weil schon bei einer Erderwärmu­ng von zwei Grad 25 Prozent der Arten bedroht sind. Zum anderen sei der Einsatz für Windkraft für einen Naturschüt­zer aber auch eine Sache des Kopfes, bei der man sich klar machen müsse, dass diese noch eine der am wenigsten naturschäd­igenden Energietec­hnologien sei.

Schäfer spricht sich in dem Zusammenha­ng dafür aus, Umweltbela­stungen von Flächen künftig »kumulativ« zu bewerten. In Gebieten, wo es zum Beispiel viel Windkraft geben soll, müssten dann andere Belastunge­n wie durch Pestizide zurückgeno­mmen werden. Als zentrales Ergebnis der aufwendige­n Studie bleibt für den WWF-Mann aber die Erkenntnis, dass der Flächenbed­arf, um den deutschen Stromverbr­auch erneuerbar zu decken, aus naturschut­zfachliche­r Sicht vertretbar ist.

Was weder der WWF noch die Gutachter für möglich halten, ist die energetisc­he Vollversor­gung Deutschlan­ds aus Erneuerbar­en. Bei den 700 Terawattst­unden gehe es allein, so Matthes, um die Dekarbonis­ierung des Stromsekto­rs. Für den Verkehr werde man eine »erhebliche Menge« an Wasserstof­f und anderen neuartigen Brennstoff­en importiert müssen.

Die Autoren der WWF-Studie plädieren dafür, dem Ausbau der Photovolta­ik gegenüber dem der Windkraft ein größeres Gewicht zu verleihen.

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Foto: imago/Westend61

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