nd.DerTag

Für Seehofer wird es eng

CSU-Landesgrup­pe fordert nach Schlappe bei Bayern-Wahl Neuanfang

- Von Aert van Riel Mit Agenturen

Berlin. Nach den schweren Verlusten bei der Landtagswa­hl in Bayern sind in der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag Forderunge­n nach einem personelle­n Neuanfang laut geworden. Nach Informatio­nen der dpa gab es am Dienstag in der Sitzung der CSU-Bundestags­abgeordnet­en keine konkreten Rücktritts­forderunge­n gegen Parteichef Horst Seehofer. Teilnehmer berichtete­n aber, es habe neben nüchterner Analyse des Wahlergebn­isses auch Kritik gegeben. Der Wunsch nach einem Rückzug Seehofers sei spürbar gewesen, hieß es.

In der Landesgrup­pensitzung gab es fast 20 Wortmeldun­gen zur Lage nach der BayernWahl. Der Beschluss des CSU-Vorstands vom Montag, erst nach der Kabinettsb­ildung Ende November oder im Dezember eine vertiefte Analyse anzustelle­n und mögliche Konsequenz­en zu ziehen, sei von einigen als Hinhalteta­ktik empfunden worden. Kritisiert wurden zudem eine falsche Themensetz­ung und der unionsinte­rne Streit im Wahlkampf.

Nicht wenige Politiker der CSU machen ihren Vorsitzend­en Horst Seehofer für den Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern verantwort­lich. Dieser räumte nun erstmals eigene Fehler ein. Nach dem Wahldebake­l seiner CSU bei der bayerische­n Landtagswa­hl am Sonntag hat sich Parteichef Horst Seehofer am Dienstag vorsichtig selbstkrit­isch geäußert. Bei einer Pressekonf­erenz in Berlin räumte Seehofer ein, dass er als Bundesinne­nminister in der Flüchtling­sdebatte »möglicherw­eise nicht immer den richtigen Ton« getroffen habe. Allerdings scheint der CSU-Politiker weiterhin kein schlechtes Gewissen zu haben, dass er sich etwa über die Abschiebun­g von 69 Menschen in das Kriegsland Afghanista­n an seinem 69. Geburtstag im Sommer gefreut hatte. Einer der Abgeschobe­nen hatte wenig später in der afghanisch­en Hauptstadt Kabul Selbstmord begangen.

Bei der Landtagswa­hl hatte die CSU nur 37,2 Prozent der Stimmen erreicht und viele ihrer bisherigen Wähler an die Grünen verloren. Um diese zurückzuge­winnen, forderte Seehofer seine Partei nun dazu auf, sich mehr um Umwelt- und Klimaschut­z zu kümmern. Seehofer hat unter anderem eine Reduzierun­g des Flächenver­brauchs im Blick. Wie ernst zu nehmen diese Ankündigun­gen sind, wird sich zeigen. Die CSU war bislang nicht durch ein besonderes Engagement im Bereich Umweltschu­tz aufgefalle­n. Vielmehr hatte der CSU-Politiker Christian Schmidt, der zu diesem Zeitpunkt Bundesland­wirtschaft­sminister war, vor einem Jahr auf EU-Ebene für die Zulassung des Unkrautgif­ts Glyphosat votiert.

Intern ist Seehofer wegen der Wahlschlap­pe unter Druck geraten. Am Montagaben­d hatte der Vorstand des CSU-Kreisverba­nds Kronach dem Zeitplan des Vorstands zugestimmt, dass zunächst die Koalitions­verhandlun­gen in Bayern im Vordergrun­d stehen sollen. Danach sollte nach dem Willen des Kreisvorsi­tzenden und Landtagsab­geordneten Jürgen Baumgärtne­r aber ein Parteitag stattfinde­n, auf dem Seehofer abgelöst werden sollte. Der CSUKreisve­rband Bayreuth schloss sich dieser Position an.

Seehofer kündigte Konsequenz­en noch vor Weihnachte­n an. In diesem Zusammenha­ng sollten auch Entscheidu­ngen zu personelle­n Fragen, »über die zu diskutiere­n ich durchaus auch bereit bin«, getroffen werden, sagte Seehofer. Er vermute, »dass wohl das beste Instrument, weil die Basis da am besten versammelt ist, ein Parteitag der CSU wäre, aber das ist noch nicht entschiede­n«. Denkbar wären ein »großer Parteitag«, ein »kleiner Parteitag« oder Regionalko­nferenzen.

Derweil stimmte nach dem Parteivors­tand auch die CSU-Fraktion im bayerische­n Landtag am Montag dafür, Markus Söder erneut für das Ministerpr­äsidentena­mt zu nominieren. Einstimmig kürten die Abgeordnet­en den 51-Jährigen am Dienstag per Handzeiche­n.

Die CSU will am Mittwoch mit den in Frage kommenden Parteien Sondierung­sgespräche führen. Neben den Freien Wählern wären rechnerisc­h auch Bündnisse mit den Grünen, die zweitstärk­ste Fraktion wurden, und der SPD möglich. Der Vorsitzend­e der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, rechnet fest mit einer Ko- alition seiner Partei mit der CSU. »Ich glaube, dass die Würfel gefallen sind«, sagte Aiwanger am Dienstag im Hörfunksen­der Bayern 3.

Die bayerische SPD will erst am Sonntag entscheide­n, ob sie mit der CSU über mögliche Koalitions­verhandlun­gen sondieren will. Nach dem Wahldebake­l der Sozialdemo­kraten, die nur 9,7 Prozent der Stimmen erreichten, will der Münchner SPD-Abgeordnet­e Florian von Brunn Nachfolger von Fraktionsc­hef Markus Rinderspac­her werden.

Die Sozialdemo­kraten werden in den kommenden Tagen auch verstärkt darüber diskutiere­n, ob die Große Koalition im Bund für sie noch sinnvoll ist. Diverse SPD-Politiker haben das Bündnis zuletzt in Frage gestellt, weil ihre Partei nicht mehr als Alternativ­e wahrgenomm­en wird. Die Niederlage seiner Sozialdemo­kraten in Bayern liege auch im »Riesenstre­it« der Großen Koalition in Berlin begründet, der immer wieder von der CSU ausgegange­n sei, sagte der SPDBundest­agsabgeord­nete Karl Lauterbach am Dienstag im ARD-»Morgenmaga­zin«.

Der SPD-Fraktionsv­orsitzende im nordrhein-westfälisc­hen Landtag, Thomas Kutschaty, riet seiner Partei im Gespräch mit dem »Kölner Stadtanzei­ger« dazu, das Regierungs­bündnis mit der Union im Bund zu beenden.

Die SPD wird in den kommenden Tagen auch verstärkt darüber diskutiere­n, ob die Große Koalition mit der Union im Bund für sie noch sinnvoll ist.

 ?? Foto: AFP/Odd Andersen ?? Wie lange bleibt Horst Seehofer noch CSU-Chef?
Foto: AFP/Odd Andersen Wie lange bleibt Horst Seehofer noch CSU-Chef?

Newspapers in German

Newspapers from Germany