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Bundeswehr schmeißt Neonazis raus

Fast 200 Entlassung­en seit 2008 / Mehr als 150 rechtsradi­kale Verdachtsf­älle allein in diesem Jahr

- Von Aert van Riel

Wie viele Rechtsradi­kale es wirklich in den Reihen der Bundeswehr gibt, lässt sich nur schwer herausfind­en. Nun hat die Truppe ihre eigenen Zahlen vorgelegt. Die Bundeswehr hat einem Zeitungsbe­richt zufolge seit 2008 fast 200 Angehörige als Rechtsextr­emisten entlarvt und fast alle entlassen. 170 der 199 Menschen mit bestätigte­m Rechtsextr­emismusver­dacht stammten noch aus Zeiten der Wehrpflich­t-Armee, wie die »Rheinische Post« am Dienstag unter Berufung auf eine Aufstellun­g des Verteidigu­ngsministe­riums berichtete. Bei fünf Rechtsextr­emisten stehe die Entlassung noch aus, weil gerichtlic­he oder truppendie­nstliche Verfahren gegen sie liefen.

Als Konsequenz aus rechtsextr­emen Vorfällen hatte das Verteidigu­ngsministe­rium im ver- gangenen Jahr den Militärisc­hen Abschirmdi­enst (MAD) eingeschal­tet. Der Militärgeh­eimdienst durchleuch­tet seitdem jeden Bewerber. Inzwischen gab es mehr als 16 000 Sicherheit­süberprüfu­ngen.

Dabei gab es nach Angaben eines Sprechers mehrere Fälle, in denen der Eintritt in die Bundeswehr und damit auch die Ausbildung an Kriegswaff­en verwehrt wurde. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres bearbeitet­e der MAD der Zeitung zufolge 151 rechtsextr­emistische Verdachtsf­älle. In zwei Fällen bestätigte sich demnach der Verdacht.

Bis zur Aussetzung der Wehrpflich­t im Jahr 2011 lagen die Zahlen der Verdachtsf­älle höher. In den Jahren 2008 bis 2011 hatte der MAD nach früheren Angaben im Schnitt knapp 600 rechtsextr­emistische Verdachtsf­älle jährlich überprüft. Pro Jahr hatten sich damals der Behörde zufolge durchschni­ttlich gut 40 Fälle bestätigt.

Mit Verwunderu­ng reagierte am Dienstag der LINKE-Bundestags­abgeordnet­e Sören Pellmann auf den Bericht. Er hatte sich am 28. September dieses Jahres per schriftlic­her Anfrage bei der Bundesregi­erung über den Kenntnisst­and von rechtsextr­emen Vorfällen beim Militär in den Jahren 2015 bis 2018 erkundigt. Allerdings habe die Regierung die Anfrage nicht wie üblich innerhalb der Wochenfris­t beantworte­t. Vielmehr wurde dies auf Bitten der Bundesregi­erung mehrfach verschoben.

Die Aussagen von Pellmann legen nahe, dass das Problem des Neonazismu­s in der Bundeswehr noch größer sein könnte als der Bericht nun darlegt. »Die 151 rechtsextr­emen Verdachtsf­älle in der Bundeswehr allein in diesem Jahr zeichnen ein erschrecke­ndes Bild über die politische Verfassthe­it einiger Truppentei­le«, erklärte er. Augenschei­nlich seien auch dem Verteidigu­ngsministe­rium diese und weitere Fallzahlen unangenehm.

Nach Ansicht des LINKE-Politikers wurde deswegen die Beantwortu­ng seiner Anfrage verschlepp­t und vorab an »ministeriu­msfreundli­che Medien« durchgesto­chen, um eine genehme Berichters­tattung zu erreichen. Somit verletze das Verteidigu­ngsministe­rium gezielt parlamenta­rische Regeln und seine Rechte als Abgeordnet­er, so Pellmann.

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