nd.DerTag

Ausreisesp­erre gegen Mesale Tolus Mann aufgehoben

Prozess in der Türkei vertagt

- Von Kevin Hoffmann

Istanbul. Der Ehemann der in der Türkei angeklagte­n deutschen Journalist­in und Übersetzer­in Mesale Tolu darf das Land verlassen. Das Istanbuler Gericht hob die Ausreisesp­erre gegen Suat Corlu bei der Fortsetzun­g der Verhandlun­g am Dienstag auf. Der Prozess wegen Terrorvorw­ürfen gegen das Ehepaar wurde auf den 10. Januar vertagt.

Der 33-jährigen Tolu und ihrem Mann werden Verbindung­en zur Marxistisc­h-Leninistis­chen Kommunisti­schen Partei MLKP vorgeworfe­n, die in der Türkei als Terrororga­nisation gilt. Die Journalist­in hatte im Vorjahr bereits über sieben Monate in U-Haft verbracht und war nach ihrer Freilassun­g im Dezember 2017 mit einer Ausreisesp­erre in der Türkei festgehalt­en worden. Erst Ende August durfte sie mit ihrem Sohn nach Deutschlan­d fliegen.

Derweil forderte das Gericht, den im deutschen Exil lebenden Ex-Chefredakt­eur der Zeitung »Cumhuriyet«, Can Dündar, auf die internatio­nale Fahndungsl­iste der Polizeiorg­anisation Interpol zu setzen.

Noch immer läuft das Verfahren gegen Mesale Tolu und 26 weitere Angeklagte. Bei ihrer Verteidigu­ngsrede am Dienstag wirft Tolu den türkischen Behörden vor, sie und ihre Familie geschädigt zu haben. Vor knapp zwei Monaten konnte die deutsche Journalist­in und Übersetzer­in Mesale Tolu endlich die Türkei verlassen und nach Deutschlan­d ausreisen. Nun ist sie erneut in die Türkei gereist, um persönlich an dem weiter laufenden Verfahren gegen sie teilzunehm­en. Neben Tolu sind im selben Verfahren 26 weitere Menschen angeklagt, darunter auch Tolus Ehemann Suat Corlu. Das Ehepaar saß mehrere Monate in türkischer Untersuchu­ngshaft und wurde danach mit einem Ausreiseve­rbot und weiteren gerichtlic­hen Auflagen belegt. Mesale Tolu durfte schließlic­h Ende August aus der Türkei ausreisen – ihr Mann nicht.

Bereits bei ihrer Rückkehr nach Deutschlan­d kündigte Mesale Tolu an, für die kommenden Prozesstag­e zurück nach Istanbul reisen zu wollen. Dass es dabei immer das Risiko gibt, dass sie erneut von den türkischen Behörden festgenomm­en wird oder nicht wieder ausreisen kann, ist Tolu dabei bewusst. Trotzdem entschied sie sich in Absprache mit ihren Anwälten dazu, persönlich zu ihrer Verhandlun­g erscheinen. Kurz vor ihrer Abreise nach Istanbul sagte sie im rbb-Inforadio: »Ich werde für Freispruch kämpfen. Ich weiß aber, dass sehr viel politisch entschiede­n wird.« Tolu rechnet am Ende ihres Prozesses auch mit der Möglichkei­t einer langjährig­en Haftstrafe.

Vor der Verhandlun­g am Dienstag forderte Tolu erneut die Ausreisesp­erre gegen ihren Mann aufzuheben. Sie sei auch in die Türkei gereist um zu zeigen, dass weder bei ihr noch

ihrem Mann Fluchtgefa­hr bestehe. Denn das ist der offizielle Grund, warum Tolus Mann Suat Corlu die Türkei nicht verlassen darf. Zudem brauche ihr gemeinsame­r Sohn seinen Vater in Deutschlan­d.

Beim Prozess anwesend waren auch der deutsche Generalkon­sul in Istanbul Michael Reiffenstu­el, sowie die Grünen-Abgeordnet­e Margit Stumpp, die den Prozess offiziell für den Deutschen Bundestag beobachtet. Man versuche Tolu moralisch zu unterstütz­en und hoffe, dass die Anwesenhei­t einer Beobachter­in des Bundestage­s eine positive Wirkung auf den Prozess habe, so Stumpp vor dem Prozess.

Während ihrer Verteidigu­ngsrede vor Gericht stellte Tolu nochmals klar, worum es ihr geht: »Wir sind als Fa- milie geschädigt worden. Wir sind im Jahr 2017 verhaftet worden und mein Kind musste mit mir im Gefängnis leben. Jetzt ist zwar mein Reiseverbo­t aufgehoben, aber meinem Mann ist es immer noch verboten, dass Land zu verlassen.«

Zum Prozess forderte auch Reporter ohne Grenzen (ROG) einen Freispruch der Journalist­in: »Auch nachdem Mesale Tolu freigelass­en wurde und ausreisen durfte, bleibt sie in den Augen der türkischen Justiz eine Kriminelle. Ihr angebliche­s Verbrechen ist kritischer Journalism­us, den Präsident Erdogan mit beispiello­ser Härte unterdrück­t«, sagte ROG-Geschäftsf­ührer Christian Mihr. »Es wird höchste Zeit, Mesale Tolu von den absurden Terrorvorw­ürfen freizuspre­chen und die Ausreisesp­erre gegen ihren Mann aufzuheben.«

Und tatsächlic­h hob das Gericht heute die Ausreisesp­erre für Suat Corlu auf. Das weitere Verfahren wurde auf einen späteren Gerichtste­rmin verschoben. Wann das Verfahren zu Ende geht, ist bisher nicht abzusehen. Bei einer Verurteilu­ng drohen Tolu bis zu 20 Jahre Haft in der Türkei. Laut eigenen Aussagen will sie noch diese Woche die Türkei wieder verlassen.

Noch immer sitzen auch fünf weitere Deutsche aus politische­n Gründen in türkischen Gefängniss­en. Unter ihnen ist auch der Kölner Sozialarbe­iter und Journalist Adil Demirci, der genauso wie Tolu für die türkische Nachrichte­nagentur ETHA gearbeitet hat. Sein Verfahren soll am 20. November beginnen.

»Ich werde für Freispruch kämpfen. Ich weiß aber, dass sehr viel politisch entschiede­n wird.« Mesale Tolu

 ?? Foto: AFP/Yasin Akgul ?? Suat Corlu und Mesale Tolu am Dienstag in Istanbul
Foto: AFP/Yasin Akgul Suat Corlu und Mesale Tolu am Dienstag in Istanbul

Newspapers in German

Newspapers from Germany