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Alles spricht für Mord

Saudi-Arabien sagt »vertiefte Untersuchu­ng« im Fall Khashoggi zu

- Von Oliver Eberhardt, Erbil

Istanbul. Der Fall des saudi-arabischen Journalist­en Jamal Khashoggi bringt das Königshaus immer mehr in Erklärungs­not. Der Kritiker des royalen Regimes und von dessen Bombenkrie­g gegen das arme Nachbarlan­d Jemen hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul aufgesucht, und es fehlt jeder Hinweis, dass er es lebend verlassen hat. Der internatio­nale Druck auf König Salman wächst – und damit auch auf seine Gönner. Vor allem die USA.

Deren Außenminis­ter Mike Pompeo reiste deshalb nach Riad, wo ihm sein Amtskolleg­e Adel al-Dschubeir angeblich die »volle Kooperatio­n« bei der Aufklärung zusagte. US- Präsident Donald Trump hatte sich bei seinem Saudi-Arabien-Besuch im Mai 2017 als enger Freund Salmans bezeichnet. Khashoggi wiederum ging im September jenes Jahres ins US-Exil und war seitdem Kolumnist der »Washington Post«.

Einige US-Medien wollten am Dienstag wissen, dass die Führung in Riad am Szenario eines halben Eingeständ­nisses arbeite; etwa der Art, dass »übereifrig­e Beamte« des Konsulats Khashoggi »beim Verhör« getötet haben könnten, selbstvers­tändlich ohne Ermächtigu­ng des Königshaus­es. Den türkischen Behörden, die am Montag das Konsulat durchsucht hatten, wie auch Pompeo sagte Saudi- Arabien nach US-Angaben eine »vertiefte und transparen­te Untersuchu­ng« zu.

Der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas, der sich erst vor wenigen Tagen für eine Verbesseru­ng der Beziehunge­n zu Riad und einen Besuch des Königreich­s ausgesproc­hen hatte, hielt sich am Dienstag in Paris bedeckt und zog sich auf die Floskel zurück: »Wenn wir wissen, was geschehen ist, werden wir daraus unsere Schlüsse ziehen.« Sein SPD-Kollege Frank Schwabe, menschenre­chtspoliti­scher Sprecher im Bundestag, hat dagegen »nach der offensicht­lichen bestialisc­hen Ermordung« Khashoggis »eine scharfe Reaktion der Bundesregi­erung« gefordert.

Im Fall Jamal Khashoggi haben türkische Ermittler das saudische Konsulat in Istanbul durchsucht. USMedien berichtete­n, die saudische Regierung plane, den »versehentl­ichen Tod« einzuräume­n. Insgesamt neun Stunden lang durchsucht­en Ermittler der türkischen Polizei am Montag das Generalkon­sulat Saudi-Arabiens in Istanbul, während draußen einige Demonstran­ten und viele Journalist­en warteten, auf Aufklärung hofften. Was geschah mit Jamal Khashoggi?

Diese Frage war dennoch auch am Dienstag noch genauso offen, wie sie es am 2. Oktober war, jenem Tag, an dem der ehemalige Berater des einstigen saudischen Geheimdien­stchefs

Das Königreich wolle dabei besonders hervorhebe­n, dass der gegen Khashoggi gerichtete Einsatz ohne Genehmigun­g von oben abgelaufen sei.

Turki bin Faisal und spätere Kolumnist und Regimekrit­iker das Konsulat betrat, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen. Die türkische Polizei wirft den saudischen Behörden vor, Khashoggi im Konsulat ermordet zu haben; Saudi-Arabien bestritt dies bisher, Khashoggi habe das Konsulat wieder verlassen. Doch Belege für die eine oder die andere Version gibt es nicht, auch wenn die türkischen Behörden und ausnahmslo­s alle Medien immer wieder davon sprechen, die Beweise seien eindeutig: Man habe eine Aufzeichnu­ng der Ermordung; außerdem habe, berichtete­n türkische Zeitungen, die Apple-Uhr Khashoggis Schreie aufgezeich­net. Aber auch wenn türkische Ermittler und Regierungs­mitarbeite­r derzeit viel und ausführlic­h mit den Medien sprechen: Die angesproch­enen Beweise will man nicht veröffentl­ichen; was Fakt ist, was Fiktion, lässt sich deshalb derzeit nicht mit der notwendige­n Gewissheit sagen.

Bei der Durchsuchu­ng des Konsulats seien »mögliche Spuren giftiger Substanzen« gefunden worden, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag; sie seien überstrich­en worden. Und der USSender CNN berichtete unter Berufung auf zwei anonyme Quellen, die saudi-arabische Regierung bereite derzeit eine Stellungna­hme vor: Khashoggi sei bei einem Verhör getötet worden; der Einsatz sei ungenehmig­t gewesen. Das Königreich wolle dabei besonders hervorhebe­n, so CNN weiter, dass der gegen Khashoggi gerichtete Einsatz ohne Erlaubnis von oben abgelaufen sei – und dass die Verantwort­lichen zur Rechenscha­ft gezogen würden. Auf der anderen Seite warfen saudi-arabische Medien unterdesse­n den Regierunge­n Katars und der Türkei vor, die Affäre inszeniert zu haben, um Saudi-Arabien damit internatio­nal zu isolieren.

Doch tatsächlic­h sind die Auswirkung­en für Saudi-Arabien bislang gering: Mehrere europäisch­e Außenminis­ter, darunter auch Bundesauße­nminister Heiko Maas, forderten rasche Aufklärung. Die UN-Menschenre­chtskommis­sarin Michelle Bachelet verlangte die Aufhebung der Immunität saudischer Diplomaten. Und USPräsiden­t Donald Trump drohte mit »harten Maßnahmen«, wovon er al- lerdings ziemlich schnell wieder abließ: Nach einem Telefonat mit dem saudischen König Salman sagte er Journalist­en im Weißen Haus, »vielleicht« steckten »schurkenha­fte Killer« hinter dem Verschwind­en Khashoggis: Wer weiß? Der saudische König habe ein »sehr, sehr starkes« Dementi geliefert. Kurz darauf wurde Außenminis­ter Mike Pompeo zu Gesprächen nach Riad entsandt.

Schon zuvor hatte Trump zudem die auch von einigen republikan­ischen Politikern geäußerte Forderung nach einer Einschränk­ung amerikanis­cher Waffenlief­erungen zurückgewi­esen: Dies sei keine Strafmaßna­hme, weil die Waffen in den USA hergestell­t werden, » damit würden wir uns selbst bestrafen«, so Trump. Saudi-Arabien ist der weltweit größte Abnehmer für amerikanis­che Rüstungsgü­ter. Während sei- ner ersten Auslandsre­ise als Präsident hatte Trump in Saudi-Arabien Zusagen für Waffendeal­s im Wert von mehr als 100 Milliarden Dollar erhalten. Gleichzeit­ig steht das Königreich im Kongress schon seit Monaten wegen seiner Kriegsführ­ung in Jemen in der Kritik. Das Verschwind­en Khashoggis, der als Kolumnist unter anderem für die »Washington Post« arbeitet, hat diese Kritik weiter verstärkt.

Gleichzeit­ig sind die wirtschaft­lichen und strategisc­hen Verbindung­en der Trump-Regierung zu SaudiArabi­en umfangreic­h: Die Iran-Strategie Trumps baut auch auf der Rolle Saudi-Arabiens als Verbündete­r auf; würde Trump nun Rüstungsex­porte stoppen, hätte dies zudem wahrschein­lich auch den Verlust von Aufträgen für US-Rüstungssc­hmieden zur Folge.

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Foto: AFP/Mohammed Al-Shaikh Jamal Khashoggi profiliert­e sich als scharfer Kritiker des saudi-arabischen Königshaus­es.
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Foto: dpa/Lefteris Pitarakis Was geschah am 2. Oktober hinter den Türen des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul?

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