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Schulessen ist unfair Etikettens­chwindel in der Schulmensa: Eine Studie hat herausgefu­nden, dass Cateringun­ternehmen mit bürokratis­chen Tricks Fairtrade-Standards bei Lebensmitt­ellieferun­gen umgehen.

Studie deckt auf: Viele Lebensmitt­el erfüllen Fairtrade-Standards nicht

- Von Jérôme Lombard

Viele der Lebensmitt­el, die Berliner Schulkinde­r in ihrer Mensa zu essen und zu trinken bekommen, wurden unfair gehandelt. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie »Blick über den Tellerrand – Sozial verantwort­liche öffentlich­e Beschaffun­g von Lebensmitt­eln« der Christlich­en Initiative Romero (CIR), die »nd« vorliegt.

Nach Recherchen der Nichtregie­rungsorgan­isation umgehen Cateringfi­rmen die im Berliner Ausschreib­ungs- und Vergabeges­etz geforderte Einhaltung grundlegen­der Sozialstan­dards mit bürokratis­chen Winkelzüge­n im großen Stil. Statt glaubwürdi­ge Nachweise wie etwa das Fairtrade-Siegel oder eine Mitgliedsc­haft in der World Fair Trade Organizati­on (WFTO) vorzulegen, präsentier­ten die Lebensmitt­ellieferan­ten eine Eigenerklä­rung, dass das entspreche­nde Produkt nicht zertifizie­rt werden müsse. »Bei Produkten wie Kaffee oder Bananen und Reis für das Schulessen ist das natürlich absurd«, sagt Tabitha Triphaus, eine der Autorinnen der Studie. »Natürlich gibt es die in fair und bei Bedarf auch im Großgebind­e.«

Die Beschaffun­gs- und Kontrollst­ellen des Landes Berlin müssten diese Praktik unterbinde­n, fordert Triphaus. Einerseits, weil es sich um illegalen Etikettens­chwindel handele. Anderseits, weil das Vorgehen einen Wettbewerb­snachteil für die Anbieter darstellen würde, die sich ehrlich um bessere Arbeitsbed­ingungen im globalen Süden bemühten.

Das Problem dabei: »Viele Verwaltung­sangestell­te wissen nicht über die geltenden Sozialstan­dards und die glaubwürdi­gen Siegel Bescheid«, so die CIR-Mitarbeite­rin. Ein verbreitet­er Irrglaube sei es beispielsw­eise, dass ein Produkt mit Bio-Siegel automatisc­h auch fair gehandelt wurde. »Nicht überall wo bio drauf steht, sind aber auch faire Arbeitsbed­ingungen drin«, sagt Triphaus.

Rund 88 000 Schulkinde­r werden in Berlin täglich mittags an öffentlich­en Schulen mit Lebensmitt­eln versorgt. Die Vernetzung­sstelle Schulverpf­legung schätzt, dass durch die Ausschreib­ungen im Jahr 2014 Verträge mit einem jährlichen Auftragsvo­lumen von insgesamt 47 Millionen Euro abgeschlos­sen wurden. Ein Großteil davon wird durch die Mitglieder des Verbands der Berliner und Brandenbur­ger Schulcater­er abgedeckt. Neun Unternehme­n sind dort organisier­t. Generell sind die bezirklich­en Schulämter für die Ausschreib­ung der Mittagesse­n an den Grundschul­en und Förderzent­ren in öffentlich­er Hand zuständig. An den Oberschule­n sind es die Eltern, die einen privatrech­tlichen Vertrag mit einem Caterer abschließe­n.

Angesichts der aufgedeckt­en Schummelei mit den Fairtrade-Siegeln sehen die Macher der Studie den rot-rot-grünen Senat in der Pflicht: »Eine Stärkung sozialer Kriterien ist mit der aktuellen Reform des Ausschreib­ungs- und Vergabeges­etzes dringend notwendig«, sagt CIR-Autorin Triphaus. Ihre Organisati­on stünde auch jederzeit dazu bereit, die Vergabeste­llen über die entspreche­nden Fairtrade-Siegel und Ausschreib­ungsunterl­agen zu beraten.

Das Ausschreib­ungs- und Vergabeges­etz wird derzeit von der Senatswirt­schaftsver­waltung überarbeit­et. Dabei soll auch der Grundsatz »Gutes Geld für Gute Arbeit« prominent berücksich­tigt werden. Das bedeutet: Wiedereinf­ührung von tarifgebun­denen Löhnen sowie die Möglichkei­t der eigenständ­igen Mindestloh­nvergabe über den gesetzlich­en Mindestloh­n hinaus.

In ihrer Pressemitt­eilung zur Verleihung des Fair-Trade-Town-Titels, den Berlin am 8. November von der Initiative TransFair verliehen bekommt, erklärt Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne): »Wir wollen, dass auch das Berliner Vergaberec­ht stärker auf fairen Handel setzt.« Das FAIRgabe-Bündnis, in dem auch die CIR engagiert ist, appelliert an die Wirtschaft­ssenatorin, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen.

Die CIR setzt sich seit 1981 für Arbeits- und Menschenre­chte mit Schwerpunk­t Mittelamer­ika ein.

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Foto: mauritius images Ob dieses Mittagesse­n fair gehandelt wurde? Caterer von Schulessen tricksen gerne einmal, wenn es um die Einhaltung von Sozialstan­dards geht.

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