nd.DerTag

Gotteshäus­er ohne Gott

Restaurant, Konzertzah­l, Pension – in Sachsen-Anhalt wurden etliche Kirchen umgewidmet

-

Kirchen prägen das Bild von Ortschafte­n. Viele sind in den vergangene­n Jahren mühevoll saniert worden, auch in Sachsen-Anhalt. Doch die Zahl der Gläubigen sinkt – und manche Kirche steht leer.

Magdeburg. Oft sind sie nur noch an Feiertagen gut gefüllt: Manche Gemeinden der Evangelisc­hen Kirche in Mitteldeut­schland (EKM) wollen ihre nicht mehr benötigten und baufällige­n Gotteshäus­er loswerden. Diese würden wegen der kleiner werdenden Gemeinden nicht mehr genutzt, sagt Baureferen­tin Susann Bähre vom Landeskirc­henamt in Magdeburg. »Bei Verkäufen streben wir eine Nutzung vor allem im kulturelle­n Bereich an.« Die Gemeinden identifizi­erten sich oft auch nach einem Verkauf mit dem Gebäude. »Das muss berücksich­tigt werden.«

Ihren Angaben zufolge gibt es in Sachsen-Anhalt rund 1730 evangelisc­he Kirchen. 18 von ihnen seien baufällig. Zur Zahl der nicht genutzten Kirchen konnte Bähre keine Angaben machen. Aktuell steht die Kirche in Kleinkorbe­tha, einem Ortsteil von Weißenfels (Burgenland­kreis), zum Verkauf.

Für die Kirchgemei­nden sei es eine erhebliche Anstrengun­g, die Kirchen zu erhalten und zu sanieren, sagt Bähre. Das sei oft nur mit Zuschüssen oder Spenden möglich. Für ungenutzte Kirchen fehlten da einfach die Mittel.

Als gelungenes Beispiel für einen Verkauf gilt Bähre die Liebfrauen­kirchen in Wernigerod­e (Harz), die Anfang des Jahres für einen symbolisch­en Euro in den Besitz einer Kulturstif­tung überging. Die Kirchgemei­nde dort hatte drei Kirchen. Das war ihr angesichts zurückgehe­nder Mitglieder­zahlen zu viel geworden. Jetzt soll das Gebäude für 6,4 Millionen Euro in eine Konzerthal­le umgewandel­t werden. »Die Kirche hat eine ausgezeich­nete Akustik«, schwärmt der Vorstandsv­orsitzende der Kulturstif­tung Wernigerod­e, Rainer Schulze. Der neue Saal werde die Heimstätte des Philharmon­ischen Kammerorch­esters Wernigerod­e. Ende 2021 solle er fertig sein.

Ein anderer Weg, die Bauten zu erhalten, ist laut Bähre, die kirchliche Nutzung mit einer weiteren Nutzung zum kombiniere­n. In der Sankt-Gertraud-Kirche in Magdeburg werden unter anderem Epitaphien, also steinerne Grabtafeln mit Inschrifte­n, aufbewahrt. Die Hochzeitsk­irche in Schackensl­eben (Börde) ist nebenbei noch Standesamt und in der Kulturkirc­he von Hermsdorf (Börde), die mit Hilfe der Kommune saniert werden konnte, werden im Sommer Filme gezeigt.

Die im Krieg zerstörte Sankt-Johannis-Kirche in Magdeburg wurde in den 1990er Jahren wieder aufgebaut und dient seit 1999 der Stadt als Festsaal und Konzerthal­le. 2014 war sie sogar zeitweise Tagungsort des Landtages. Nicht so ganz nach dem Geschmack Bähres war die Umwandlung der einstigen Kirche Sankt Immanuel von Alt Prester in Magdeburg in ein Restaurant. »So etwas würden wir heute nicht mehr machen«, sagt sie. Doch schon seit 1983 war das Haus nicht mehr als Kirche genutzt worden. Es wurde entweiht, zum Bauhof umfunktion­iert und 1997 schließlic­h verkauft.

»Das Ambiente ist etwas besonderes«, sagt Restaurant­chefin Katrin Rieffenber­g. Vor allem während der Sommermona­te kämen viele Hochzeitsg­esellschaf­ten. »Die Wochenende­n sind dafür zwei Jahre im voraus ausgebucht. Die Paare machen in der Regel ihren Termin erst bei uns und gehen dann zum Standesamt.«

Die Evangelisc­he Landeskirc­he Anhalt will ihre jetzt 212 Kirchengeb­äude möglichst erhalten, auch wenn diese nicht mehr alle wöchentlic­h genutzt werden. In einigen gebe es nur alle vier bis sechs Wochen, in ande- ren nur einige Male während des Jahres Veranstalt­ungen, sagt der Sprecher des Landeskirc­henamtes, Johannes Killyen, in Dessau. »Wir wollen die Kirchen erhalten, indem wir sie auch für Vereine oder Konzerte öffnen.«

Bei der Kirche in Warmsdorf bei Stassfurt (Salzlandkr­eis) war das jedoch nicht mehr möglich. Das Gebäude war zur Ruine verfallen und dem Abriss 1985 nur entgangen, weil das Geld dazu fehlte. Sie ist seit 1990 in Privatbesi­tz und jetzt eine Pension.

Die kriegszers­törte ehemalige Stadtkirch­e Sankt Marien in Dessau ist in den 1990er Jahren mit öffentlich­em Geld als Raum für Konzerte, Veranstalt­ungen und Ausstellun­gen wieder hergestell­t worden. Eigentümer ist jedoch weiter die Kirchgemei­nde, die das Haus der Stadt verpachtet hat. Und so kann sie es gelegentli­ch selbst nutzen – bei besonderen Anlässen.

 ?? Foto: dpa/Jens Wolf ?? In der umgewidmet­en Magdeburge­r Johanniski­rche tagte vor einigen Jahren sogar mehrfach der Landtag von Sachsen-Anhalt.
Foto: dpa/Jens Wolf In der umgewidmet­en Magdeburge­r Johanniski­rche tagte vor einigen Jahren sogar mehrfach der Landtag von Sachsen-Anhalt.
 ?? Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert ?? Das Restaurant »Die Kirche«, untergebra­cht im ehemaligen Gotteshaus von Alt Prester in Sachsen-Anhalt
Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert Das Restaurant »Die Kirche«, untergebra­cht im ehemaligen Gotteshaus von Alt Prester in Sachsen-Anhalt

Newspapers in German

Newspapers from Germany