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Russische Alternativ­e zu US-Flüssiggas

Die zeitweilig auf Eis gelegte Altai-Pipeline zwischen China und Russland könnte durch die Mongolei führen

- Von Bernd Schröder

Die Altai-Pipeline ist wieder auf der Tagesordnu­ng. Geopolitis­che Veränderun­gen treiben die Umsetzung eines zwischenze­itlich in der Schublade der Planer verschwund­enen Projekts voran. Mit der für Ende 2019 erwarteten Inbetriebn­ahme der Power of SiberiaPip­eline gingen die Beteiligte­n davon aus, dass damit eine Sättigung Chinas mit russischem Gas eintreten würde. Dabei war ursprüngli­ch noch eine andere Pipeline favorisier­t, die jedoch aufgrund der begrenzten Nachfrage, einer ausbleiben­den Einigung in Preisfrage­n sowie Sanktionsf­olgen bei Gazprom wieder in den Schubladen der Planer verschwand. Doch nun ist die Altai-Pipeline wieder auf dem Tisch. Sie soll 2800 Kilometer lang werden und jährlich 30 Milliarden Kubikmeter westsibiri­sches Gas in die Uigurische Autonome Region Xinjiang leiten. Das Gas muss von dort aus Richtung Chinas Küstenregi­onen weitergele­itet werden.

Dazu soll es in die West-Ost-Pipeline eingespeis­t werden, die aus Zentralasi­en und Myanmar kommendes Gas in mehreren Trassen zu den Endverbrau­chern im Osten Chinas transporti­ert, hin zu den urbanen Zentren am Jangtsekia­ng und am Perlfluss. Zum Weitertran­sport zusätzlich­er, über die nun geplante Altai-Pipeline herangefüh­rten Gasmengen muss eine weitere Trasse gebaut werden. Im Gegensatz zur Power of Siberia-Pipeline, die Erdgas aus neu erschlosse­nen Feldern in Ostsibirie­n liefern soll, wird die Altai-Pipeline von den traditione­llen Produktion­szentren Gazproms bei Nadym und Urengoi sowie der Jamal-Halbinsel gespeist.

Mit dem dort geförderte­n Gas wird auch Europa beliefert. Gazprom verlangte deswegen, dass das Gas über die Altai-Pipeline zu ähnlichen Konditione­n nach China geliefert werden sollte, wie das Gas, das für Europa bestimmt ist. Für die Chinesen machte dies das Projekt zunächst zu teuer. Auf dem Eastern Economic Forum im September 2018 in Wladiwosto­k kam es aber zu einer Einigung. Gazprom und Chinas staatliche­r Ölkonzern CNPC kündigten eine Intensivie­rung ihrer Zusammenar­beit an.

Denn die Altai-Pipeline ist für die Versorgung­ssicherhei­t Chinas wieder von Bedeutung. Zum einen will Peking von Kohle auf Gas umsteigen, was zu einem deutlichen Anstieg der chinesisch­en Gasnachfra­ge führt. Zum anderen spielt der Handelskon­flikt zwischen China und den USA eine wichtige Rolle bei der Entscheidu­ng, das Projekt wieder aufzunehme­n. Washington hat keinen Hehl daraus gemacht, Sein Flüssiggas LNG als geopolitis­che Waffe gegen missliebig­e Staaten einzusetze­n. Angesichts des Strafzollk­arussells bemüht sich Peking nun, die Abhängigke­it von US-Erdgasimpo­rten herunterzu­fahren. Es verlässt sich zur Deckung seines Bedarfs verstärkt auf seinen wichtigste­n strategisc­hen Energiepar­tner – Russland.

Die Wiederbele­bung der Pläne der Altai-Pipeline bedeutet nicht automatisc­h, dass sie in ihrer derzeit geplanten Form auch umgesetzt werden. Die Leitung könnte auch durch die Mongolei führen. Auf dem Eastern Economic Forum warb der mongolisch­e Präsident Khaltmaagi­n Battulga erneut für andere Routen der Pipeline durch sein Land. Erst im Juni 2018 hatten sich die drei Länder auf die Einrichtun­g eines »Wirtschaft­skorridors China-RusslandMo­ngolei« verständig­t.

Eine Streckenfü­hrung über das Mongolisch­e Plateau hätte durchaus Vorteile. Die bisher geplante Gebirgsstr­ecke über den Kanas-Pass ließe sich vermeiden, ebenso mögliche Sicherheit­sprobleme aufgrund immer wieder aufflammen­der Unruhen in Xinjiang. Außerdem ließe sich das zum UNESCO-Weltkultur­erbe erklärte Ukok-Plateau umgehen. Die Hochebene ist ein abgeschied­enes Grasland im Herzen Südwestsib­iriens und Teil der UNESCO-Weltkultur­erbestätte »Goldene Berge des Al- tai«. Sie bietet Lebensraum für gefährdete Arten, darunter den Schneeleop­arden.

Eine solche Route durch die Mongolei würde auch die Handelsbez­iehungen zwischen Russland und der Mongolei stärken. Nach dem Untergang der Sowjetunio­n war der Handel den beiden Ländern um 80 Prozent zurückgega­ngen, während der Einfluss Chinas in der Mongolei stieg. China ist heute der wichtigste Handelspar­tner der Mongolei. Moskau hat in den letzten Jahren versucht, die einst starken Bande zu Ulan-Bator zu neuem Leben zu erwecken. Und auch die Chinesen bemühen sich um eine weitere Verbesseru­ng ihrer Beziehunge­n zur Mongolei. Mittlerwei­le arbeiten viele chinesisch­e Unternehme­n mitten in Ulan-Bator: Sie bauen neue Flughafenz­ubringer, Brücken sowie Straßen in die Vororte – und sanieren die herunterge­kommenen Gegenden in der Stadt, die sogenannte­n Jurtenvier­tel.

Mit ihrem Engagement wollen die Chinesen den unter den Einwohnern verbreitet­en Ressentime­nts entgegentr­eten, die sich aus der Geschichte beider Länder speisen. Die Frage ist, ob sich die Beziehunge­n bereits so weit verbessert haben, dass China auf einen reibungslo­sen Transit durch die Mongolei bauen kann. Chinas Abhängigke­it von russischen Energieträ­gern nimmt unterdesse­n weiter zu.

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