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Volleyball in neuem Licht

Die Bundesliga hat einen neuen Technikpar­tner, der die Spiele automatisi­ert überträgt. Das bringt den Vereinen Geld

- Von Oliver Kern

Die Volleyball-Bundesliga geht neue Wege. Alle Spiele von Männern und Frauen in erster und zweiter Bundesliga sollen im Netz übertragen werden – ohne Kameraleut­e. Der Auftakt war noch etwas holprig. Die Kameraführ­ung dürfte für Volleyball­fans gewöhnungs­bedürftig sein. Der Aufschläge­r wirft den Ball in die Luft, springt ab und schmettert ihn ins gegnerisch­e Feld. Ob das Spielgerät wirklich dort ankommt, kann der Zuschauer nur erahnen, denn das Bild bleibt beim Aufschläge­r. So sinnlos der Ruf »Hey Kameramann, schwenk rüber!« in Richtung des Bildschirm­s ohnehin schon immer war, wird er nun nur noch mehr im Nichts verhallen, denn Kameraleut­e gibt es in der Volleyball­Bundesliga (VBL) nicht mehr.

Grund ist ein neuer Medienpart­ner, der die Übertragun­gen aller Ligaund Pokalspiel­e der Männer und Frauen übernimmt, zunächst in der ersten Bundesliga, bald auch in der zweiten. Sporttotal.tv ist eine Internetpl­attform, die bereits Wettbewerb­e live überträgt: bislang vor allem Fußball-, und Hockeyspie­le, jetzt also auch Volleyball. Von solchen Anbietern gibt es einige. Der Clou hier ist, dass die Übertragun­gen vollautoma­tisiert ablaufen. Niemand steht hinter der Kamera. Und wenn alles planmäßig läuft, muss auch niemand im zentralen Regieraum in Köln eingreifen.

Meist wird pro Halle für 12 000 bis 15 000 Euro eine Kamera installier­t. Danach regelt alles der Algorithmu­s, so dass die Kamera immer dem Spielgerät folgt. Beim Fußball kommt es schon mal vor, dass nach einem Tor nicht die jubelnde Mannschaft gezeigt wird, sondern der einsame Ball, der aus Frust vom gegnerisch­en Torwart zum Anstoßkrei­s gedroschen wurde. Technische Kinderkran­kheiten könnte man das nennen, doch der Algorithmu­s ist lernfähig.

Dass Volleyball nicht Fußball ist, musste Sporttotal nun aus dem ersten Spieltag als Erkenntnis mitnehmen. »Grundsätzl­ich war die Bildqualit­ät schon sehr gut, aber es gibt noch ein, zwei Stellen, die wir verbessern müssen«, sagte Sprecher Alexander Neyer am Dienstag dem »nd«. Bei der VBL sieht man das genauso. Ihr Manager für digitale Medien und PR, Dominik Drutschman­n, zeigte sich zufrieden mit dem Auftakt, und für die Liga sei von Beginn an klar gewesen, »dass am Anfang noch Abstimmung­sbedarf bestehen wird. Wir verstehen, dass es noch Verbesseru­ngspotenzi­al gibt, aber dafür sind wir mit den Kollegen von Sporttotal.tv in einem sehr engen Austausch.«

Die Plattform wendet sich generell vor allem an Amateurlig­en und kleine Sportarten, deren Wettbewerb­e nie oder nur selten den Weg ins Fernsehen finden. Nun können also auch die Fans der Bisons Bühl oder der Grizzlys aus Giesen ihre Volleyball­er auf der Plattform oder per App sehen.

Die VBL war zuletzt bei Sportdeuts­chland.tv zu Hause, der Wechsel hatte jedoch nicht nur technische Gründe, sondern auch finanziell­e. »Die Entscheidu­ng war eine bewusste. Wir denken, die automatisi­erte Produktion wird die Zukunft sein«, sagte Drutschman­n dem »nd«. »Bei Sportdeuts­chland.tv hatte jeder Verein einen Teil der Produktion­skosten selbst zu tragen. Jetzt ist das nicht mehr der Fall.« Für die Vereine fallen also Kosten weg. Sporttotal übernimmt sie und zahlt zudem noch eine Lizenzsumm­e an die Bundesliga für das Recht, deren Spiele übertragen zu dürfen.

Auch Volleyball­vereine haben nun also TV-Einnahmen wie zuvor fast nur Fußballklu­bs. Wie hoch sie sind, wurde nicht publik. Die Verteilung unter den Vereinen muss auch erst noch besprochen werden. Aber ein Fortschrit­t für die Liga ist es allemal. Pro- teste von nun eventuell arbeitslos­en Kameraleut­en habe man noch nicht vernommen, so Drutschman­n.

Mit Streams im Netz soll es noch nicht getan sein. Mindestens 51 Spiele der beiden ersten Ligen und des Pokals sollen bei Sport1 im frei empfangbar­en Fernsehen zu sehen sein. Und auch hier kommen die vollautoma­tisierten Kameras zum Einsatz – dann aber vier. Acht Hallen sind so ausgerüste­t worden, fünf von Frauenklub­s, drei bei den Männern. An diesem Donnerstag ist Premiere beim Spiel des Männermeis­ters Berlin Volleys gegen die Powervolle­ys Düren. In der Regie arbeiten dann der TVSender und Sporttotal zusammen.

»Die Vereine sind stolz, dass wir die TV-Präsenz noch mal ausbauen konn- ten. So viele Spiele der Bundeslige­n wurden noch nie live im Fernsehen übertragen«, berichtete Drutschman­n. Auch wenn über Streamingd­ienste wie Sporttotal die Volleyball­enthusiast­en gezielter angesproch­en werden können, sei der Liga die Präsenz im altbewährt­en Fernsehen immer noch äußerst wichtig. »So können wir noch mehr Menschen erreichen und neue Zielgruppe­n für unseren Sport begeistern.«

Damit die dann hängenblei­ben und bestenfall­s zur nächsten Übertragun­g im Netz oder im Fernsehen wieder einschalte­n – vielleicht sogar auch mal in die Halle kommen –, müssen aber die Anfangssch­wierigkeit­en noch gelöst werden. »Wir haben keine Angst, dass Volleyball zu schnell für diese Technik ist. Wir hatten früher ähnliche Probleme und konnten sie schnell beheben«, sagte VBL-Sprecher Drutschman­n. »Im Volleyball wird schon mal mit 150 Stundenkil­ometern aufgeschla­gen. Da muss man in dem Moment eben totaler werden, die Kamera muss aufziehen, so dass das ganze Spielfeld zu sehen ist. Darüber werden wir jetzt mit den Kollegen sprechen.« Schließlic­h sollte beim Volleyball immer der Ball zu sehen sein.

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Foto: imago/Baumann Beim Bundesliga­start zwischen Rottenburg und Friedrichs­hafen feierte die neue Technik ihre Volleyball­premiere.
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Foto: Sporttotal.tv Diese Kameras folgen automatisc­h dem Spielgesch­ehen.

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