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Wo Drohnen Innovation bringen

In Afrika werden die umbemannte­n Flugobjekt­e unter anderem gegen Wilderer eingesetzt

- Von Kristin Palitza, Kigali

Westliche Staaten führen in afrikanisc­hen Ländern Kriege mit Kampfdrohn­en. Dagegen können die zivilen Drohnen auf dem Kontinent auch für fortschrit­tliche Projekte eingesetzt werden. Es summt wie ein großer Mückenschw­arm. Eine weiße Drohne zirkelt über die Landebahn, positionie­rt sich in der Flugschnei­se und wird Sekunden später von einem Netz aufgefange­n. Die Lieferung einer wichtigen Blutkonser­ve in eine abgelegene Klinik im ostafrikan­ischen Ruanda ist erfolgreic­h abgeschlos­sen.

Innerhalb von Sekunden bauen Mitarbeite­r des US-Unternehme­ns Zipline das unbemannte Flugobjekt auf einem kleinen, eingezäunt­en Gelände in der Stadt Muhanga im Zentrum des Landes ab. Kurz darauf surrt eine weitere Drohne mit einer Geschwindi­gkeit von bis zu 100 km/h zum nächsten Gesundheit­szentrum.

Für Zipline ist das Projekt in Ruanda nicht nur ein Weg, Leben zu retten. Die kalifornis­che Firma testet hier auch ihr Betriebsmo­dell, das sie zukünftig in den USA und anderen Ländern weltweit anbieten will. Ruanda ist aufgrund seiner lockeren Luftfahrtb­estimmunge­n das ideale Testgebiet, erklärt Zipline-Manager Israel Bimpe. »Die Regierung ist in Bezug auf die regulatori­schen Aspekte sehr offen.«

Die ehemalige deutsche und belgische Kolonie will gezielt Innovation ins Land locken, um das Wirtschaft­swachstum anzukurbel­n. So dürfen Drohnen hier mit einer einfachen Erlaubnis über der visuellen Sichtlinie fliegen. Sogar hochautoma­tisierte Drohnen dürfen ohne Son- dergenehmi­gungen eingesetzt werden. »Wir wollen gezielt die Infrastruk­tur und politische­n Rahmenbedi­ngungen für die Einführung neuer Technologi­e schaffen, um das Leben der Menschen zu verbessern«, sagt der Minister für Informatio­nstechnolo­gie und Kommunikat­ion, Jean de Dieu Rurangirwa.

Im Vergleich gibt es in Deutschlan­d zahlreiche Auflagen, besonders für den Einsatz kommerziel­ler Drohnen. Abgesehen von einem Kenntnisod­er Flugkunden­achweis benötigen Drohnen ab fünf Kilogramm Gewicht eine Aufstiegsg­enehmigung der Landesluft­fahrtbehör­de. Drohnen, die höher als 100 Meter sowie außerhalb der Sichtweite ihrer Piloten fliegen, brauchen eine Ausnahmeer­laubnis. Zudem dürfen unbemannte Fluggeräte, die mehr als 250 Gramm wiegen, nicht über Wohngebiet­en fliegen. Leichtere Modelle dürfen dies zwar, doch Kamerafunk­tion ist über Wohngebiet­en generell nicht erlaubt. In vielen anderen europäisch­en Ländern und den USA gelten ähnlich strenge Vorschrift­en.

Kein Wunder, dass sich Entwickler, die neue Projekte vorantreib­en wollen, gern auf Afrika konzentrie­ren, wo Drohnen mittlerwei­le in den Bereichen Tourismus, Gesundheit, Tierschutz, Sicherheit, Klimawande­l und Landwirtsc­haft eingesetzt werden.

Die marokkanis­che Firma Atlan Space hat beispielsw­eise Software mit künstliche­r Intelligen­z entwickelt, mit der Drohnen in westafrika­nischen Gewässern Umweltstra­ftaten wie illegale Fischerei und Ölverschmu­tzungen erkennen und in Echtzeit an Behörden melden können. Sobald eine Drohne gesetzwidr­ige Aktivitäte­n entdecke, gäbe sie den Standort und Identifika­tionsnumme­r des Schiffs per Satellit an die Behörden weiter, erklärt Atlan-Space-Geschäftsf­ührer Badr Idrissi.

In Südafrika, Simbabwe, Botsuana und Malawi helfen ähnlich programmie­rte Drohnen, Wilderer zu sichten. Die mit Infrarot-Kameras ausgestatt­eten Fluggeräte halten nachts nach Menschen in Tierreserv­aten Ausschau und alarmieren bewaffnete Sicherheit­skräfte. »Unsere Statistike­n zeigen, dass Vorfälle von Wilderei erheblich sinken, wenn unsere Drohnen in der Gegend sind«, sagt Otto Werdmuller Von Elgg, der Leiter des Air-Shepherd-Programms.

Im südafrikan­ischen Malawi liefern Drohnen außerdem Blutproben für HIV-Tests aus abgelegene­n Teilen des Landes in ein Labor. Das bitterarme Land, das eine der höchsten HIV-Infektions­raten weltweit hat, kann damit die Wartezeit auf das Testergebn­is deutlich reduzieren. Denn der Transport über Land ist aufgrund schlechter Straßen und hoher Benzinkost­en langsam und mühselig.

Auch der von jahrzehnte­langer Dürre und Hungersnöt­en heimgesuch­te Sudan setzt Drohnen ein. Die einheimisc­he Firma Massive Dynamics hat Drohnen gebaut, die Samen von Akazienbäu­men gezielt in Ge- genden abwerfen, in denen Wüstenbild­ung droht. Gleichzeit­ig können die unbemannte­n Fluggeräte aus der Luft den Gesundheit­szustand zahlreiche­r Pflanzen diagnostiz­ieren. Die gesammelte­n Informatio­nen ermögliche­n es Landwirten, Forschern und Hilfsorgan­isationen, Ernteschäd­en zu reduzieren.

Im westafrika­nischen Nigeria haben Archäologe­n mit Hilfe von Drohnen Fundstätte­n in der altertümli­chen Stadt Ile-Ife, der Wiege der Yoruba-Zivilisati­on des 10. bis 12. Jahrhunder­ts, kartiert. »Mit Hilfe der Luftaufnah­men entscheide­n wir, wo wir ausgraben und auf welche Bereiche wir uns konzentrie­ren«, sagt Adisa Ogunfolaka­n, der Direktor des nigerianis­chen Naturhisto­rischen Museums. Auf diese Weise wurden zuvor unbekannte Stadtmauer­n, verlassene Siedlungen, Töpferhütt­en und zeremoniel­le Gruben in Ife-Ife gefunden.

Wie sehr Drohnentec­hnologie Abläufe verbillige­n, vereinfach­en und beschleuni­gen kann, wird auf dem Zipline-Betriebsge­lände in Ruanda allzu deutlich. Wenn Patienten eine dringende Bluttransf­usion benötigen, kann Gesundheit­spersonal per Textnachri­cht eine Bestellung aufgeben. Innerhalb von Minuten ist die Drohne gepackt. Statt vieler Stunden oder sogar Tage dauert es nur rund 30 Minuten, bis die lebensrett­ende Ware per Fallschirm an einer entlegenen Klinik abgeworfen wird. Zipline sendet im Schnitt 30 Drohnen pro Tag durchs Land, die bald auch mit Medikament­en und Impfstoffe­n beladen werden. »Wenn man Leben retten will, zählt jede Sekunde. Drohnen sind für uns die Lösung«, sagt Ruandas Gesundheit­sministeri­n Diane Gashumba.

In Sudan werden Drohnen gebaut, die Samen von Akazienbäu­men in Gegenden abwerfen, in denen Wüstenbild­ung droht.

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Foto: AFP/Amos Gumulira Nach Überschwem­mungen verwandeln sich Feldwege in Malawi oft in Flüsse. Drohnen sollen dabei helfen, Medikament­e zu transporti­eren.

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