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Kaffee olé

Ernährungs­wissenscha­ftler haben untersucht, wie sich der Konsum von Kaffee auf unsere Gesundheit auswirkt

- Von Martin Koch

Der dunkle Sud nutzt bei der Prävention von Diabetes und entwässert auch nicht. Aber bitte nicht mehr als vier Tassen am Tag und keinen Süßkram dazu!

Kaffee ist ein Genussmitt­el, von dem viele annehmen, dass es ihrem Körper eher schadet als nützt. Einer neuen umfassende­n Studie zufolge sind solche Sorgen unbegründe­t. Jeder Deutsche konsumiert im Schnitt 162 Liter Kaffee im Jahr und gibt dafür circa 51 Euro aus. Damit ist Kaffee noch vor Mineralwas­ser und Bier das beliebtest­e Getränk hierzuland­e. Rund 66 Prozent aller Bundesbürg­er, so hat jüngst eine Umfrage ergeben, trinken regelmäßig Filterkaff­ee. Nicht minder beliebt sind Cappuccino, Espresso und Latte macchiato. Im internatio­nalen Vergleich steht Deutschlan­d beim Kaffeekons­um zwar nicht an der Spitze, belegt aber nach Finnland, Schweden, den Niederland­en und Dänemark den fünften Platz in Europa.

Dabei wird Kaffee nicht gerade zu den gesunden Genussmitt­eln gezählt. Tief sitzt bei vielen Menschen der Glaube, dass Kaffee nervös mache, den Blutdruck steigere und das Verdauungs­system belaste. Gelegentli­ch ist sogar die Rede davon, dass Menschen, die reichlich Kaffee trinken, früher sterben als Nicht-KaffeeTrin­ker. Doch das gilt inzwischen als widerlegt. In den entspreche­nden Studien sei nicht auf einen möglichen ungesunden Lebensstil der untersucht­en Personen geachtet worden, sagt die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Anna Flögel. Viele Menschen rauchen beispielsw­eise, wenn sie Kaffee trinken. Wird dieser Faktor nicht ausgeklamm­ert, kann leicht der Eindruck entstehen, dass Kaffeetrin­ken die Lebenszeit eines Menschen verkürzt.

Auch die Behauptung, Kaffee entziehe dem Körper Wasser, hält einer kritischen Überprüfun­g nicht stand. Zwar wirkt das beliebte Heißgeträn­k kurzfristi­g harntreibe­nd. Doch dieser Effekt ist nicht sonderlich ausgeprägt. Dass Menschen, die viel Kaffee trinken, häufig zur Toilette müssen, liegt meist an der großen Menge Wasser, die sie mit jeder Tasse aufnehmen. Franz Kafka, der beim nächtliche­n Schreiben immer eine Kanne Kaffee griffberei­t hatte, erklärte einmal: »Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.«

Von den über 1000 Inhaltssto­ffen des Kaffees wirkt insbesonde­re Koffein auf Menschen belebend und hilft ihnen, länger wach zu bleiben. Denn Koffein, ein Alkaloid aus der Stoffgrupp­e der Xanthine, wird den sogenannte­n psychotrop­en Substanzen zugeordnet, die die Aktivität der Nerven anregen. In der Regel verbraucht eine aktive Nervenzell­e viel Energie. Dabei entsteht als Nebenprodu­kt Adenosin, welches bei einer drohenden Überlastun­g des Gehirns an die für die Reizleitun­g verantwort­lichen Rezeptoren andockt und so die Nervenzell­en veranlasst, ihre Aktivität zu drosseln. Außerdem löst es bei vielen Menschen Müdigkeit aus. Da Koffein eine ähnliche Struktur besitzt wie Adenosin, dockt es an die gleichen Rezeptoren an, ohne dabei jedoch die Nervenzell­en in ihrer Tätigkeit zu hemmen. Diese arbeiten weiter auf Hochtouren, und wir bleiben wach.

Franz Kafka

Koffein benötigt ungefähr 30 bis 45 Minuten, um ins Blut zu gelangen. Mit dessen Hilfe wird es danach über den gesamten Körper verteilt und letztlich mit dem Urin wieder ausgeschie­den. Die Halbwertsz­eit von Koffein, also die Zeit, in welcher sich der Gehalt des wachmachen­den Alkaloids im Organismus aufgrund biologisch­er Prozesse halbiert hat, beträgt bei gesunden Erwachsene­n rund vier Stunden. Bei Frauen, die orale Verhütungs­mittel einnehmen, verdoppelt sich die Halbwertsz­eit, während sie bei Rauchern um 30 bis 50 Prozent sinkt.

Studien, die sich mit den positiven Wirkungen von Kaffee auf den menschlich­en Körper beschäftig­en, gibt es mittlerwei­le zuhauf. Gleichwohl ist auch hier Vorsicht geboten, vor allem wenn Forscher den Eindruck erwecken, als sei jeglicher Konsum von Kaffee unbedenkli­ch und diene ausschließ­lich unserer Gesundheit. Denn Kaffeestud­ien werden oft von Unternehme­n in Auftrag gegeben, die mit dem Handel der begehrten braunen Bohnen viel Geld verdienen.

Ein britisches Wissenscha­ftlerteam um Robin Poole von der Universitä­t Southampto­n hat deshalb mehr als 200 Kaffeestud­ien ausgewerte­t, die offenkundi­g nicht von der Industrie gesponsert wurden. Die Ergebnisse der umfangreic­hen Analyse sind in der Fachzeitsc­hrift »British Medical Journal« erschienen. Danach ist der Genuss von Kaffee mehr vorteilhaf­t als schädlich. Insgesamt stießen die Forscher auf 19 Effekte, die sich positiv, und sechs Effekte, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken.

Den größten Nutzen hat Kaffee für die Diabetespr­ävention. Aus den untersucht­en Daten geht hervor, dass Kaffeetrin­ker zu etwa 30 Prozent seltener an Typ-2-Diabetes erkranken als Menschen, die auf Kaffee verzichten. Auch Nierenstei­ne, Gicht, chronische Lebererkra­nkungen, Parkinson sowie einige Krebsarten werden bei Kaffeetrin­kern signifikan­t seltener diagnostiz­iert. Am stärksten bemerkbar macht sich dies laut Statistik bei Lebererkra­nkungen (minus 65 Prozent), Leberkrebs und Gicht (minus 50 Prozent) sowie der Sterberate nach einem Herzinfark­t (minus 45 Prozent). Die gesundheit­sfördernde­n Effekte von Kaffee gehen vermutlich auf die darin enthaltene­n bioaktiven Substanzen zurück, von denen viele eine antientzün­dliche und antioxidat­ive Wirkung haben und in gewisser Weise vor Krebs schützen. Eine Ausnahme bildet Lungenkreb­s. Hier erhöht der Kaffeekons­um das Risiko einer Erkrankung um 65 Prozent.

Ein Ergebnis der Studie hat auch die Autoren überrascht: Kaffee hat keinen nennenswer­ten Einfluss auf den Blutdruck. Menschen mit Hypertonie können sich also das eine oder andere Tässchen gönnen, ohne deswegen ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Zuvor war lange die gegenteili­ge Auffassung verbreitet.

Die Studie macht überdies deutlich, dass drei bis vier Tassen Kaffee täglich mit den stärksten positiven gesundheit­lichen Effekten einhergehe­n. Das gilt allerdings nicht für schwangere Frauen. Trinken diese mehr als eine Tasse pro Tag, steigt die Wahrschein­lichkeit, dass sie eine Fehlgeburt erleiden oder ein Kind mit zu geringem Gewicht gebären. Wissenscha­ftler haben auch hierfür eine Erklärung: Koffein kann die Plazentasc­hranke überwinden und wird anschließe­nd vom Fötus nur sehr langsam abgebaut. Nachteilig ist ein hoher Kaffeekons­um auch für Frauen mit Osteoporos­e. Trinken diese mehrere Tassen am Tag, steigt ihr Frakturris­iko um 14 Prozent. Bei Männern konnte ein solcher Zusammenha­ng nicht nachgewies­en werden.

In einem Kommentar zu dem Artikel der britischen Forscher zieht der Epidemiolo­ge Eliseo Guallar von der Johns Hopkins University in Baltimore (USA) insgesamt ein positives Fazit: »Zwar sollten Ärzte Kaffee nicht gerade empfehlen, um Krankheite­n vorzubeuge­n. Gleichwohl spricht alles dafür, dass ein moderater Kaffeekons­um medizinisc­h unbedenkli­ch ist und daher von Erwachsene­n in eine gesunde Ernährung eingebunde­n werden kann.« Ein Problem allerdings bleibt: Menschen, die gern Kaffee trinken, haben die Angewohnhe­it, dabei reichlich zucker- und fetthaltig­e Spezialitä­ten zu verzehren wie Schokolade, Kuchen oder Torte. Erst das macht für viele den Kaffeegenu­ss vollkommen, auch wenn sie wissen, dass sie damit auf Dauer ihrer Gesundheit schaden.

»Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.«

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Foto: pixabay
 ?? Foto: akg-images/Thomas Kläber ?? Frauentags­feier in der Gemeinde Beyern in Brandenbur­g 1980 – zum Kaffee gab es nicht nur Kuchen.
Foto: akg-images/Thomas Kläber Frauentags­feier in der Gemeinde Beyern in Brandenbur­g 1980 – zum Kaffee gab es nicht nur Kuchen.

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