Kaffee olé
Ernährungswissenschaftler haben untersucht, wie sich der Konsum von Kaffee auf unsere Gesundheit auswirkt
Der dunkle Sud nutzt bei der Prävention von Diabetes und entwässert auch nicht. Aber bitte nicht mehr als vier Tassen am Tag und keinen Süßkram dazu!
Kaffee ist ein Genussmittel, von dem viele annehmen, dass es ihrem Körper eher schadet als nützt. Einer neuen umfassenden Studie zufolge sind solche Sorgen unbegründet. Jeder Deutsche konsumiert im Schnitt 162 Liter Kaffee im Jahr und gibt dafür circa 51 Euro aus. Damit ist Kaffee noch vor Mineralwasser und Bier das beliebteste Getränk hierzulande. Rund 66 Prozent aller Bundesbürger, so hat jüngst eine Umfrage ergeben, trinken regelmäßig Filterkaffee. Nicht minder beliebt sind Cappuccino, Espresso und Latte macchiato. Im internationalen Vergleich steht Deutschland beim Kaffeekonsum zwar nicht an der Spitze, belegt aber nach Finnland, Schweden, den Niederlanden und Dänemark den fünften Platz in Europa.
Dabei wird Kaffee nicht gerade zu den gesunden Genussmitteln gezählt. Tief sitzt bei vielen Menschen der Glaube, dass Kaffee nervös mache, den Blutdruck steigere und das Verdauungssystem belaste. Gelegentlich ist sogar die Rede davon, dass Menschen, die reichlich Kaffee trinken, früher sterben als Nicht-KaffeeTrinker. Doch das gilt inzwischen als widerlegt. In den entsprechenden Studien sei nicht auf einen möglichen ungesunden Lebensstil der untersuchten Personen geachtet worden, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Anna Flögel. Viele Menschen rauchen beispielsweise, wenn sie Kaffee trinken. Wird dieser Faktor nicht ausgeklammert, kann leicht der Eindruck entstehen, dass Kaffeetrinken die Lebenszeit eines Menschen verkürzt.
Auch die Behauptung, Kaffee entziehe dem Körper Wasser, hält einer kritischen Überprüfung nicht stand. Zwar wirkt das beliebte Heißgetränk kurzfristig harntreibend. Doch dieser Effekt ist nicht sonderlich ausgeprägt. Dass Menschen, die viel Kaffee trinken, häufig zur Toilette müssen, liegt meist an der großen Menge Wasser, die sie mit jeder Tasse aufnehmen. Franz Kafka, der beim nächtlichen Schreiben immer eine Kanne Kaffee griffbereit hatte, erklärte einmal: »Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.«
Von den über 1000 Inhaltsstoffen des Kaffees wirkt insbesondere Koffein auf Menschen belebend und hilft ihnen, länger wach zu bleiben. Denn Koffein, ein Alkaloid aus der Stoffgruppe der Xanthine, wird den sogenannten psychotropen Substanzen zugeordnet, die die Aktivität der Nerven anregen. In der Regel verbraucht eine aktive Nervenzelle viel Energie. Dabei entsteht als Nebenprodukt Adenosin, welches bei einer drohenden Überlastung des Gehirns an die für die Reizleitung verantwortlichen Rezeptoren andockt und so die Nervenzellen veranlasst, ihre Aktivität zu drosseln. Außerdem löst es bei vielen Menschen Müdigkeit aus. Da Koffein eine ähnliche Struktur besitzt wie Adenosin, dockt es an die gleichen Rezeptoren an, ohne dabei jedoch die Nervenzellen in ihrer Tätigkeit zu hemmen. Diese arbeiten weiter auf Hochtouren, und wir bleiben wach.
Franz Kafka
Koffein benötigt ungefähr 30 bis 45 Minuten, um ins Blut zu gelangen. Mit dessen Hilfe wird es danach über den gesamten Körper verteilt und letztlich mit dem Urin wieder ausgeschieden. Die Halbwertszeit von Koffein, also die Zeit, in welcher sich der Gehalt des wachmachenden Alkaloids im Organismus aufgrund biologischer Prozesse halbiert hat, beträgt bei gesunden Erwachsenen rund vier Stunden. Bei Frauen, die orale Verhütungsmittel einnehmen, verdoppelt sich die Halbwertszeit, während sie bei Rauchern um 30 bis 50 Prozent sinkt.
Studien, die sich mit den positiven Wirkungen von Kaffee auf den menschlichen Körper beschäftigen, gibt es mittlerweile zuhauf. Gleichwohl ist auch hier Vorsicht geboten, vor allem wenn Forscher den Eindruck erwecken, als sei jeglicher Konsum von Kaffee unbedenklich und diene ausschließlich unserer Gesundheit. Denn Kaffeestudien werden oft von Unternehmen in Auftrag gegeben, die mit dem Handel der begehrten braunen Bohnen viel Geld verdienen.
Ein britisches Wissenschaftlerteam um Robin Poole von der Universität Southampton hat deshalb mehr als 200 Kaffeestudien ausgewertet, die offenkundig nicht von der Industrie gesponsert wurden. Die Ergebnisse der umfangreichen Analyse sind in der Fachzeitschrift »British Medical Journal« erschienen. Danach ist der Genuss von Kaffee mehr vorteilhaft als schädlich. Insgesamt stießen die Forscher auf 19 Effekte, die sich positiv, und sechs Effekte, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken.
Den größten Nutzen hat Kaffee für die Diabetesprävention. Aus den untersuchten Daten geht hervor, dass Kaffeetrinker zu etwa 30 Prozent seltener an Typ-2-Diabetes erkranken als Menschen, die auf Kaffee verzichten. Auch Nierensteine, Gicht, chronische Lebererkrankungen, Parkinson sowie einige Krebsarten werden bei Kaffeetrinkern signifikant seltener diagnostiziert. Am stärksten bemerkbar macht sich dies laut Statistik bei Lebererkrankungen (minus 65 Prozent), Leberkrebs und Gicht (minus 50 Prozent) sowie der Sterberate nach einem Herzinfarkt (minus 45 Prozent). Die gesundheitsfördernden Effekte von Kaffee gehen vermutlich auf die darin enthaltenen bioaktiven Substanzen zurück, von denen viele eine antientzündliche und antioxidative Wirkung haben und in gewisser Weise vor Krebs schützen. Eine Ausnahme bildet Lungenkrebs. Hier erhöht der Kaffeekonsum das Risiko einer Erkrankung um 65 Prozent.
Ein Ergebnis der Studie hat auch die Autoren überrascht: Kaffee hat keinen nennenswerten Einfluss auf den Blutdruck. Menschen mit Hypertonie können sich also das eine oder andere Tässchen gönnen, ohne deswegen ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Zuvor war lange die gegenteilige Auffassung verbreitet.
Die Studie macht überdies deutlich, dass drei bis vier Tassen Kaffee täglich mit den stärksten positiven gesundheitlichen Effekten einhergehen. Das gilt allerdings nicht für schwangere Frauen. Trinken diese mehr als eine Tasse pro Tag, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Fehlgeburt erleiden oder ein Kind mit zu geringem Gewicht gebären. Wissenschaftler haben auch hierfür eine Erklärung: Koffein kann die Plazentaschranke überwinden und wird anschließend vom Fötus nur sehr langsam abgebaut. Nachteilig ist ein hoher Kaffeekonsum auch für Frauen mit Osteoporose. Trinken diese mehrere Tassen am Tag, steigt ihr Frakturrisiko um 14 Prozent. Bei Männern konnte ein solcher Zusammenhang nicht nachgewiesen werden.
In einem Kommentar zu dem Artikel der britischen Forscher zieht der Epidemiologe Eliseo Guallar von der Johns Hopkins University in Baltimore (USA) insgesamt ein positives Fazit: »Zwar sollten Ärzte Kaffee nicht gerade empfehlen, um Krankheiten vorzubeugen. Gleichwohl spricht alles dafür, dass ein moderater Kaffeekonsum medizinisch unbedenklich ist und daher von Erwachsenen in eine gesunde Ernährung eingebunden werden kann.« Ein Problem allerdings bleibt: Menschen, die gern Kaffee trinken, haben die Angewohnheit, dabei reichlich zucker- und fetthaltige Spezialitäten zu verzehren wie Schokolade, Kuchen oder Torte. Erst das macht für viele den Kaffeegenuss vollkommen, auch wenn sie wissen, dass sie damit auf Dauer ihrer Gesundheit schaden.
»Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.«