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Europas Seidenstra­ße

Die EU hat eine neue Anti-China-Strategie, will aber den wichtigste­n Kunden hiesiger Konzerne nicht verprellen

- Von Hermannus Pfeiffer

Vor dem Asien-Europa-Gipfel gibt die EU eine Antwort an China.

Auf dem heute beginnende­n Europa-Asien-Gipfel will die EU mit einem Hundert-Milliarden-Paket punkten. Damit will sie offenkundi­g Chinas wirtschaft­licher Expansion etwas entgegense­tzen. Wendet sich das Blatt? Immer mehr Regierunge­n kritisiere­n Chinas Pläne einer »Neuen Seidenstra­ße«. 2013 hatte Präsident Xi Jinping seine Initiative »One Belt, One Road« vorgestell­t: An die 1000 Milliarden Euro will China in Häfen, Straßen und Bahnstreck­en investiere­n, um mehr als 60 Länder in Asien, Europa und Afrika miteinande­r zu vernetzen. Entlang der Routen der Neuen Seidenstra­ße sollen Fabriken, Logistikze­ntren und Verkehrswe­ge entstehen.

Doch in vielen Ländern warnen Kritiker vor einem zu großen wirtschaft­lichen und damit politische­n Einfluss Pekings. Wasser auf die Mühlen der Skeptiker ist der mit chinesisch­er Unterstütz­ung gebaute Hafen Hambantota im Süden Sri Lankas. Als die Regierung dort ihre Schulden gegenüber Peking nicht mehr bedienen konnte, wurden der Hafen und ein Industrieg­ebiet 2017 notgedrung­en an ein chinesisch­es Unternehme­n für 99 Jahre verleast.

Die EU hat als Entgegnung auf die chinesisch­e Expansion in dieser Woche eine eigene »Konnektivi­tätsstrate­gie« auf den Weg gebracht. Die Außenminis­ter segneten den Plan der EU-Außenbeauf­tragten Federica Mogherini rechtzeiti­g vor dem am Donnerstag beginnende­n zweitägi- gen 12. Asien-Europa-Treffen (ASEM) ab. An diesem nehmen Staats- und Regierungs­chefs aus 31 Ländern Europas und 20 Ländern Asiens sowie Ozeaniens teil. 123 Milliarden Euro will die EU laut dem Plan in ihrer nächsten Haushaltpe­riode von 2021 bis 2027 bereitstel­len, um die Verbindung­en mit Asien zu verbessern. Der Kontinent gilt weiterhin als Wachstumsm­otor des 21. Jahrhunder­ts.

Noch verharrt die Brüsseler Strategie im Unbestimmt­en. Bei der »Konnektivi­tät« soll es in erster Linie um Netze gehen. »Dabei kann es sich um Verkehrsve­rbindungen auf dem Luft-, Land- oder Seeweg handeln«, schreibt die EU-Kommission in ihrem Faktenheft. Aber auch digitale Netze vom Mobilfunk übers Festnetz bis hin zu Satelliten. Konnektivi­tät soll zudem die Energienet­ze umfassen, von Erd- und Flüssiggas bis hin zu Elektrizit­ät und erneuerbar­en Energien.

Letztlich habe die Konnektivi­tät auch eine menschlich­e Dimension, zeigt man sich in Brüssel vom eigenen Patchwork-Plan überzeugt. Bei Bildung und Forschung sollen Europa und Asien enger zusammenar­beiten. Bei den Infrastruk­turprojekt­en gehe es zudem um »finanziell­e, ökologisch­e, wirtschaft­liche und soziale Nachhaltig­keit«.

Von einer »direkten Konkurrenz« zu Chinas »One-Belt-One-Road«-Initiative will die EU offiziell nichts wissen. Faktisch ist die Strategie mit dem sperrigen Begriff aber dennoch eine Antwort auf Pekings Vordringen in Asien und Europa, sind sich Beobachter des Brüsseler Politikbet­riebes sicher. Deutlich wurde dies, als Mogherini im September bei der Präsentati­on ihres Planes auf den »Respekt für gemeinsame Regeln« verwies. Die EU will Regeln stärker durchsetze­n, die einheitlic­he Wettbewerb­sbedingung­en und Chancengle­ichheit auf freien Märkten schaffen. China wird vorgeworfe­n, die teils offenen Märkte in Europa für seine wirtschaft­lichen Interessen zu nutzen, selber aber seine Heimatmärk­te immer noch in Teilen abzuschott­en und chinesisch­e Firmen gerade auch im Hochtechno­logieberei­ch üppig zu subvention­ieren, um sie fit für den Export zu machen.

Anderersei­ts will die EU die Regierung in Peking nicht verärgern. Weiß doch auch Brüssel, wie wichtig China mit seinen schätzungs­weise bald 500 Millionen Konsumente­n auf »Westniveau« für europäisch­e Firmen ist. So meldete der deutsche Ma- schinenbau­verband VDMA jetzt, dass China in der Exportrang­liste auf Platz 1 rückte. Und nirgends setzen Autokonzer­ne wie Daimler oder VW so viele Autos ab wie in der Volksrepub­lik. Ein Großteil davon wird dort auch produziert.

Am ASEM-Gipfel nehmen neben dem EU-Block unter anderem China, Indien, Japan und Russland teil. Das übergeordn­ete Thema des Treffens lautet: »Europa und Asien: globale Partner für globale Herausford­erungen«. Dazu sollen die Möglichkei­ten der Zusammenar­beit auch in den Bereichen Klimawande­l und Sicherheit­spolitik erörtert werden. Allerdings ist ASEM kein »Block-zu-Block«Dialog mit verbindlic­hen Beschlüsse­n, sondern nur ein alle Jahre statt- findendes informelle­s Gesprächsf­orum. Dennoch rückt man näher zusammen: So machte die EU-Kommission am Mittwoch den Weg für die Unterzeich­nung eines Handels- und eines Investitio­nsabkommen­s mit dem ASEM-Partner Vietnam frei.

Außen vor sind vor allem die Vereinigte­n Staaten. Eine wichtige Rolle werden dagegen EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker und sein Gegenpart vom Verband Südostasia­tischer Nationen (ASEAN), Lê Luong Minh, spielen. Die Teilnehmer, darunter viele Entwicklun­gsund Schwellenl­änder, stehen für zwei Drittel der Weltbevölk­erung, der Weltwirtsc­haft und des Welthandel­s. Ob Juncker mit seiner EU-Seidenstra­ße auf großes Interesse stoßen wird, bleibt abzuwarten.

Am Donnerstag und Freitag kommen Staatsund Regierungs­chefs aus 51 Länder zum 12. Asien-Europa-Treffen (ASEM) zusammen. Die EU versucht dabei, in Asien Interesse für eine großangele­gte Infra-strukturin­itiative zu wecken. Und Japan sucht händeringe­nd nach Verbündete­n in Europa. Die EU hat als Entgegnung auf die chinesisch­e Expansion in dieser Woche eine eigene »Konnektivi­tätsstrate­gie« auf den Weg gebracht.

 ?? Foto: dpa/Foto: Kay Nietfeld ?? Der 11. Asien-Europa-Gipfel 2016 in Ulan Bator in der Mongolei: Bei 51 Staats- und Regierungs­chefs müssen viele Hände geschüttel­t werden.
Foto: dpa/Foto: Kay Nietfeld Der 11. Asien-Europa-Gipfel 2016 in Ulan Bator in der Mongolei: Bei 51 Staats- und Regierungs­chefs müssen viele Hände geschüttel­t werden.

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