nd.DerTag

Automatisc­he Destabilis­atoren

- Kurt Stenger über die Idee einer EU-Arbeitslos­enversiche­rung

In Krisenzeit­en soll man die automatisc­hen Stabilisat­oren wirken lassen – so lautet ein Standardsa­tz von Finanzpoli­tikern links der Mitte. Er besagt, dass es die Konjunktur stabilisie­rt, wenn die im Abschwung steigenden Sozialausg­aben sowie sinkenden Steuereinn­ahmen und Sozialbeit­räge nicht durch Sozialkürz­ungen und Abgabenerh­öhungen ausgeglich­en werden. In der Folge muss die Haushaltsp­olitik steigende Defizite zulassen.

Die EU hat diesen Mechanismu­s mit ihren absurden Maastricht-Kriterien erheblich erschwert. Nach deren Logik sind Defizite böse, egal was sonst so in der Wirtschaft passiert. Dabei hat gerade das Extrembeis­piel Griechenla­nd die katastroph­alen Folgen gezeigt, wenn in die Krise auch noch hineingesp­art wird. Gerade finanzschw­ache Länder geraten dann in eine Abwärtsspi­rale, aus der sie aus eigener Kraft nicht mehr herauskomm­en können.

Die Idee einer EU-weit finanziert­en Arbeitslos­enversiche­rung, die in Notfällen die zusätzlich­en Kosten übernimmt, ist daher wirtschaft­lich betrachtet sinnvoll. Vor allem aber ist es eine Frage der Solidaritä­t in einer Staatenuni­on, dass den Schwachen wenigstens ein bisschen unter die Arme gegriffen wird. Auf sozialen Zusammenha­lt ist die EU bisher so gar nicht getrimmt – und das machte die Eurozone derart anfällig für Finanzturb­ulenzen. Denn bisher wirkte zumindest in der Eurozone in Krisenzeit­en etwas anderes: die automatisc­hen Destabilis­atoren.

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