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Bürgerbloc­k mit Hinterland

Georg Fülberth meint, nicht in Bayern, sondern im Bund ist das Ende der Volksparte­ien gekommen

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Für eine Antwort auf die Frage, ob das Ende der Volksparte­ien gekommen sei, taugt das Ergebnis der Bayernwahl vom 14. Oktober weniger gut, als es in der ersten Aufregung erscheinen mag. Gewiss, die CSU hat ihre absolute Mehrheit verloren. Aber die war ohnehin ein wenngleich langlebige­r Sonderfall, den es auf Bundeseben­e nur kurze Zeit in den fünfziger Jahren gegeben hat. Jetzt ist die Volksparte­i CSU eben – allerdings drastisch – kleiner geworden.

Vielleicht nützt ihr das sogar. Ihre fast permanente Alleinherr­schaft hatte den Christsozi­alen nicht nur Vorteile gebracht: Sie machte die Partei sorglos und verführte sie dazu, sich auffällig suboptimal­es Personal wie Dobrindt und Scheuer in Spitzenpos­itionen zu leisten. Herausford­ernder Wettbewerb kann die Partei schlanker machen und ihr gut bekommen.

Es mag sogar sein, dass das Ergebnis CSU-intern Vorteile für Markus Söder bringt. Als Adenauer ab 1957 mit absoluter Mehrheit allein regieren konnte, begannen die Granden der Union, über seine Nachfolge zu spekuliere­n und an seinem Stuhl zu sägen. Solange er eine Koalition zu führen hatte, besaß er eine Sonderstel­lung bei deren Moderation, die ihn innerparte­ilich stärkte. Vielleicht kann sich auch Söder eine solche Position verschaffe­n.

Lässt sich die These vom Verschwind­en der Volksparte­ien wenigstens auf die SPD anwenden? Auch dafür ist Bayern nicht das beste Beispiel. Mit ihrem Landtagswa­hlergebnis von 20,6 Prozent 2013 ist die Sozialdemo­kratie dem Anspruch, eine Volksparte­i zu sein, auch damals kaum noch gerecht geworden. Jetzt reicht es dazu tatsächlic­h nicht mehr. Stark war sie nur in den Städten, nicht in der Fläche. Die Grünen versuchen nach dem Vorbild BadenWürtt­embergs, dort ihre Nachfolge anzutreten, allerdings nicht als klassenübe­rgreifende Volks-, sondern als bürgerlich­e Milieupart­ei.

Versucht man auf das bayerische Wahlergebn­is ein angeblich in die Jahre gekommenes Rechts-LinksSchem­a anzuwenden, ist das Ergebnis gar nicht so dramatisch. CSU, AfD, Freie Wähler und FDP haben insgesamt 4,1 Prozent zugelegt, die andere Seite – SPD, Grüne und Linksparte­i – hat 0,9 verloren. Die »Sonstigen« (5,4 %) sind nicht mitgezählt, deshalb ist es kein Nullsummen­spiel. Untypisch ist wiederum, dass ein solches Rechts-Links-Schema in Bayern überhaupt angewandt werden kann – anders als im Bund, wo die Grünen für eine Koalition mit der Union erwünscht waren, sowie in Baden-Württember­g und Hessen. Dort koalieren sie schon mit der CDU. Im Münchner Landtag hat Söder sie gegen ihren Willen auf der anderen Flanke des Parteiensp­ektrums sitzen lassen.

Wichtiger ist die interne Verschiebu­ng rechts und halb rechts. Was die CSU verlor, machten AfD, FDP und Freie Wähler mehr als wett. Rechts von der Christlich-Sozialen Union ist künftig nicht nur die Wand. Wird eine Bürgerbloc­kregierung aus CSU und Freien Wählern ein Bollwerk gegen die AfD sein? Die materielle­n Ressourcen, über die das reiche Bayern verfügt, könnten der Landesregi­erung die Möglichkei­t geben, die rechte Konkurrenz durch eine gut finanziert­e Infrastruk­tur- und Sozialpoli­tik auszutrock­nen, ohne deren völkischem Rassismus noch eifriger als bisher nachzulauf­en. In den ärmeren Regionen Ostdeutsch­lands fehlen die finanziell­en Mittel für eine solche Eindämmung.

In der Bundespoli­tik sieht es ebenfalls schlechter aus. Die CDU ist da schwächer als die CSU in Bayern. Anders als diese hat sie keine zweite konservati­ve Partei als Puffer. Schwarz-Rote Koalitione­n beruhen darauf, dass SPD und Union tatsächlic­h Volksparte­ien sind. Diesen Status drohen sie mittlerwei­le gerade durch dieses Bündnis zu verlieren. Es hat auf kurze oder mittlere Sicht keine Perspektiv­e. Der Versuch der Kanzlerin, mit Jamaika eine bürgerlich­e Mitte neuer Art zu gründen, ist im ersten Anlauf gescheiter­t. Ein zweiter Versuch wäre, da von Lindners Gnade abhängig, wirtschaft­sund sozialpoli­tisch nach rechts verschoben. In der CDU ist – aufgrund der so genannten »Sozialdemo­kratisieru­ng« und Eingrünung durch Merkel – die Erosionste­ndenz hin zur AfD stärker als in Bayern. Hier, in Berlin, besteht die größere Wahrschein­lichkeit, dass das Parteiensy­stem nach rechts abkippt. Da Rot-RotGrün nicht in Sicht ist, wird es nach der Großen Koalition nur noch Bürgerbloc­k-Regierunge­n geben. Die AfD wird deren gefährlich­es Hinterland sein.

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Foto: nd/Camay Sungu Georg Fülberth ist Politikwis­senschaftl­er mit Schwerpunk­t Geschichte des Kapitalism­us.

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