nd.DerTag

Zwischen Eigensinn und Anpassung

Historiker legen Bericht zur Geschichte der Thüringer Ost-CDU vor / Parteichef Mohring kommt der Termin gelegen

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Die Thüringer CDU will ihren Chef Mike Mohring zum Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl 2019 küren. Kurz zuvor hat der noch ein Verspreche­n eingelöst, das eine historisch­e Dimension hat. Es ist wieder einer dieser Tage, an denen Mike Mohring gelöst, ja geradezu mit sich im Reinen wirkt. Wie so oft in der jüngsten Vergangenh­eit, weil endlich alles nach Plan, nach seinem Plan zu laufen scheint. Denn indem mehrere Historiker am Mittwoch in Erfurt einen Bericht über die Geschichte der Ost-CDU in den drei Bezirken Erfurt, Gera und Suhl vorstellen, löst Mohring nun noch ein Verspreche­n ein, das er schon Ende 2014 gegeben hat – ausgerechn­et auf jenem Parteitag, auf dem er damals zum Vorsitzend­en der Thüringer CDU gewählt worden ist; jenem Parteitag, auf dem die Landes-CDU auch damit klarkommen musste, das erste Mal seit einem Vierteljah­rhundert nicht mehr im Freistaat zu regieren. Wobei es für Mohring ziemlich wichtig ist, dass er dieses Verspreche­n nun einlösen kann.

Warum? Weil am Wochenende ein weiterer CDU-Parteitag stattfinde­n wird, auf dem der 46-Jährige einen weiteren entscheide­nden Schritt auf dem Weg gehen will, von dem er seit Jahren hofft, dass er ihn letztlich in die Thüringer Staatskanz­lei führen wird: In Leinefelde-Worbis will sich Mohring zum Spitzenkan­didaten seiner Partei für die Wahlen in Thüringen im Herbst 2019 küren lassen. In wenigen Tagen wird er also auch Rechenscha­ft darüber ablegen müssen, was er in dieser, sich nun dem Ende zuneigende­n Legislatur­periode bisher als Landeschef geleistet hat. Dass er aus seiner Sicht das vor vier Jahren gegebene Aufarbeitu­ngsverspre­chen mit der Übergabe des Historiker­berichts an ihn eingelöst hat, wird er dabei ganz gewiss als Erfolg für sich verbuchen; was er schon andeutet, unmittelba­r nachdem er das Papier entgegenge­nommen hat. Da holt Mohring zum Seitenhieb gegen die Thüringer LINKE aus. Die, sagt Mohring, hätte es auch in der laufenden Legislatur­periode nicht geschafft, ihre Verantwort­ung innerhalb des SEDRegimes aufzuarbei­ten. »Wir haben nicht nur angekündig­t, wir haben geliefert.«

Dieser Satz kommt Mohring freilich umso leichter über die Lippen, da der Bericht, den die Historiker vorlegen, so vielschich­tig ist, dass man ihm keine Parteilich­keit vorwerfen kann – womit er allerdings auch keine wirklich überrasche­nden Forschungs­ergebnisse liefert. Immerhin hat die Geschichts­wissenscha­ft inzwischen in den vergangene­n Jahren bereits ausführlic­h herausgear­beitet, wie vielgestal­tig das Leben der Menschen in der DDR zwischen Anpassung und Widerstand war. Dass die DDR viel mehr war als Einheitspa­rtei und Stasi.

Und dazu passt eben, was der Vorsitzend­e der Kommission, Jörg Ganzenmüll­er, im Beisein von Mohring erklärt. Die Ost-CDU habe auf dem Gebiet des heutigen Thüringens tatsächlic­h die klassische Funktion einer Blockparte­i eingenomme­n. Dazu sei sie von den Sowjets und der SED gemacht worden. Diese Rolle habe sie nicht freiwillig eingenomme­n. Abgeschlos­sen gewesen sei dieser Transforma­tionsproze­ss erst mit dem Mauerbau 1961, nicht schon 1952, als der damalige CDU-Landesverb­and aufgelöst und die Bezirksver­bände der Ost-CDU geschaffen wurden.

Viele Parteimitg­lieder, sagt Ganzenmüll­er, hätten in dieser Phase die CDU verlassen, weil sie mit der Annäherung der Union an die SED nicht einverstan­den gewesen seien. Und es habe auch in der Ost-CDU durchaus Momente dessen gegeben, was Historiker inzwischen gerne mit dem Konzept vom »Eigensinn« beschreibe­n – Momente also, in denen Menschen durchaus vorhandene, wenn auch kleine Handlungss­pielräume nutzen: Zwar hätten vor allem die Führungssp­itzen der drei CDU-Bezirksver­bände eng mit der SED kooperiert, sagt Ganzenmüll­er. An der Parteibasi­s dagegen habe es aber durchaus Versuche gegeben, sich etwa für die Christen in der DDR zu engagieren. »Wenn einzelne Mitglieder in Konflikt mit der Staatsmach­t gekommen sind, wurden sie von der Parteiführ­ung auch nicht unterstütz­t.«

Mohring blickt derweil schon aufs Wochenende. Für ihn geht es inzwischen nicht mehr darum, ob er dann zum CDU-Spitzenkan­didaten für die Thüringer Landtagswa­hl gewählt wird. Sondern nur darum, wie groß die Zustimmung sein wird. Nachdem allerdings zuletzt auch die Ermittlung­en gegen ihn wegen des Verdachts auf Steuerhint­erziehung mit einer Einstellun­gsverfügun­g erster Klasse zu Ende gegangen sind und sich sein profiliert­ester innerparte­ilicher Konkurrent – Thüringens Landtagspr­äsident Christian Carius – überrasche­nd aus der Landespoli­tik verabschie­det hat, wäre es ein kleines Wunder, wenn dieser Parteitag keine Mohring-Festspiele werden sollten; obwohl auch Kanzlerin Angela Merkel erwartet wird. Dann wird er wieder ganz gelöst wirken.

Die Geschichts­wissenscha­ft hat ausführlic­h herausgear­beitet, wie vielgestal­tig das Leben der Menschen in der DDR war.

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Foto: akg-images Festverans­taltung anlässlich des 30. Jahrestage­s der Gründung der CDU in der Berliner Staatsoper

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