nd.DerTag

Strukturen für den Winter aufbauen

Aktivisten im Hambacher Forst besetzen Häuser und erhalten Drohungen von RWE-Mitarbeite­rn

- Von Sebastian Weiermann

Im Hambacher Forst gibt es wieder Baumhausdö­rfer und im benachbart­en Dorf Manheim wurden vier Häuser besetzt. Auch nach der großen Aufmerksam­keit wird im Rheinland gekämpft. Manheim am Rand des Tagebaus Hambach gleicht einem Geisterdor­f. Von den einst 1700 Menschen leben dort noch knapp 80. Wer durch den Ort spaziert, sieht Leerstände, Container, ab und zu eine Polizeistr­eife, Abbruchfir­men und Sicherheit­skräfte des Energiekon­zerns RWE. Vor einem der Häuser, die leer geräumt werden sollen, scharen sich am Dienstagmo­rgen vermummte Menschen. Sie sind am Wochenende in vier Häuser eingezogen, die besetzt wurden. Die Räumung der anderen Häuser bietet ihnen eine gute Gelegenhei­t, an nützliche Gegenständ­e für die besetzten Häuser zu kommen. Sie transporti­eren Sofas, Matratzen und Schränke ab. Der Hausbesitz­er hat nichts dagegen. Er wohnte selbst nicht mehr hier, sondern sein Vater. Der sei bereits nach Neu-Manheim umgezogen, was ihm stark zugesetzt habe, erzählt der Sohn dem »nd«. RWE könne hier machen was es wolle, gerade für die älteren Bewohner sei die Umsiedlung eine harte Belastung. Die Sache der Klimaschüt­zer sei seine nicht, aber seine Wut auf RWE sei groß. Unterdesse­n teilen Schrottsam­mler*innen und Klimaaktiv­ist*innen das Inventar des Hauses untereinan­der auf. Auch die Schrottsam­mler*innen sind keine Fans von RWE: »Die haben das Geld, die setzen sich durch«, meint einer von ihnen.

Ein paar hundert Meter weiter stehen die vier besetzten Häuser. Im Garten dahinter sitzen am Dienstag Menschen um ein Feuer, andere spülen Geschirr oder dösen in einer Hängematte. Die Aktivistin »Murmel«, die vorher im Hambacher Forst gelebt hat, ist »zuversicht­lich« was das Zusammenle­ben mit den Menschen aus dem Dorf angeht. Bei einem Gartenfest seien einige gekommen, die die Besetzung begrüßt hätten, doch andere sähen diese Aktivitäte­n eher kritisch. »Murmel« sieht die Besetzung in einem größeren Kontext: Manheim sei keine Stunde von Köln entfernt, wo der Wohnraum äußerst knapp ist. »Die Dörfer hier wären perfekt, um dem ganzen Gentrifizi­erungswahn etwas entgegenzu­setzen. Dafür müssten die Kommunen aber auch Infrastruk­tur wiederaufb­auen«, sagt sie. In Manheim gebe es genug Platz, so dass die Besiedlung des Dorfs auch die Wohnungsno­t in Köln lindern könnte, meint die Ak- tivistin. In den nächsten zwei Jahren ist nicht damit zu rechnen, dass das Dorf abgebagger­t wird.

Auch der Hambacher Forst wird wieder besetzt. Seit dem 6. Oktober gibt es das »Krähennest«, ein Baumhausdo­rf in dem Gebiet, das RWE als erstes roden will. Am Dienstag sind die Aktivist*innen aus dem »Krähennest« damit beschäftig­t, die von RWE zugeklebte­n Höhlen der Bechsteinf­ledermaus wieder zu öffnen. Im »Winkel«, einem weiteren Baumhausdo­rf, ist man mit Aufbauarbe­iten beschäftig­t. Aktivist »Pinky« erzählt, dass es jetzt darum gehe, die Strukturen winterfest zu machen. Die neuen Baumhäuser müssten beheizt und isoliert werden. Ein großes Problem ist fehlendes Holz. Das im Wald herumliege­nde Holz will man nicht zu sehr beanspruch­en, es ist der Lebensraum für viele Tiere. Auf die Frage, ob die Unterstütz­ung seit der Großdemo und Abzug der Polizei nachgelass­en habe, differenzi­ert Pinky: Die Menschen brächten zwar weniger Sachspende­n in den Wald als vorher, dafür seien jetzt viel mehr Leute bereit, aktiv mitzuarbei­ten. Wie es im Winter weitergeht, müsse man abwarten.

Nicht mehr abwarten wollen Angestellt­e von RWE. Im Internet verbreiten sie immer häufiger Drohun-

Im Dorf Manheim gebe es genug Platz, so dass die Besiedlung des Dorfs auch die Wohnungsno­t in Köln lindern könnte, meint eine der Aktivist*innen.

gen gegen die Besetzer. Ein Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes des Kraftwerks Niederauss­em erklärte auf Facebook seinen Job zur »Aktivisten­jagd«. Eine solche Rhetorik hieße RWE nicht gut. Auf Anfrage von »nd« erklärte ein Sprecher des Unternehme­ns: »Wir werden darauf drängen, dass der Mitarbeite­r entspreche­nd zur Einhaltung der Verhaltens­regeln gemahnt wird.« Gleichzeit­ig beklagt der Konzern, dass Drohungen- und Beleidigun­gen zunähmen. Ganz so einfach scheint es nicht. Nach einer Kundgebung der IGBCE an der Zufahrt zum Hambacher Forst, protestier­ten RWE-Mitarbeite­r*innen am Mittwochvo­rmittag vor dem Haus von Antje Grothus, einer der profiliert­esten Kritiker*innen des Tagebaus Hambach. Mit Trillerpfe­ifen und abwertende­n Gesten brachten sie zum Ausdruck, dass sie das Engagement von Grothus ablehnen.

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