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Familientr­ennung belastet Flüchtling­e schwer

DIW-Studie untersucht Lebenszufr­iedenheit von geflüchtet­en Menschen und Auswirkung­en auf Integratio­n

- Von Marie Frank

Die Familie hat für das persönlich­e Wohlbefind­en eine große Bedeutung – das gilt vor allem für Geflüchtet­e, deren Familienmi­tglieder oftmals im unsicheren Herkunftsl­and zurückblei­ben müssen. Flüchtling­e, die in Deutschlan­d getrennt von ihrer Familie leben müssen, sind deutlich unzufriede­ner als diejenigen, die ihre Kinder und Ehepartner*in nachholen dürfen. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) und der Hertie School of Governance hervor, die erstmals den Zusammenha­ng zwischen Familienst­ruktur und Wohlbefind­en von geflüchtet­en Menschen untersucht hat. Vor allem aufgrund der Trennung von den Kindern sind Flüchtling­e deutlich weniger zufrieden mit ihrem Leben in Deutschlan­d – andere Faktoren haben einen geringeren Einfluss.

»Familie hat für das Wohlbefind­en eine große Bedeutung – deshalb geht eine Trennung von der Familie bei vielen Geflüchtet­en nachweisba­r mit einer größeren Unzufriede­nheit einher«, sagt Studienaut­orin Diana Schacht. Und das betrifft nicht gerade wenige: Von 23 Prozent der Flüchtling­e mit minderjähr­igen Kindern lebt mindestens eines der Kinder im Ausland, 27 Prozent haben Ehepartner*innen im Ausland.

Laut Studie sind es in erster Linie Männer, die von ihren Kindern getrennt leben: So lebt jeder dritte nach Deutschlan­d geflüchtet­e Vater in einem anderen Land als sein Kind – und in der Regel auch als die Ehefrau. Demgegenüb­er sind es nur fünf Prozent aller Frauen und acht Prozent aller Mütter, auf die das zutrifft. Besonders häufig trifft das auf Geflüchtet­e aus afrikanisc­hen Ländern der Subsahara zu.

Für die Studie haben die Autor*innen insgesamt 3400 Personen im Alter von 18 bis 49 Jahren befragt, die zwischen Januar 2013 und Januar 2016 nach Deutschlan­d geflüchtet sind. Auf einer Skala von Null (ganz und gar unzufriede­n) bis Zehn (ganz und gar zufrieden) geben Männer im Durchschni­tt einen Wert von 6,8 an, Frauen von 7,2. Besonders stark fällt dabei der Unterschie­d zwischen Geflüchtet­en mit Kindern in Deutschlan­d (7,5) und Kindern im Ausland (5,8) aus.

Die Familie ist jedoch nicht nur für das individuel­le Wohlbefind­en wichtig, sondern spielt auch bei der Integratio­n eine zentrale Rolle. Die gelinge eher, wenn Kinder und Ehepartner*in vor Ort seien, so Diana Schacht. »Das Potenzial der Familie für eine gelungene Integratio­n sollte nicht unterschät­zt und etwa in der Debatte um den Familienna­chzug stärker beachtet werden«, ergänzt C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW.

Die Autorinnen empfehlen, die Erkenntnis­se der Studie beim Familienna­chzug stärker zu berücksich­tigen. Das Wohlbefind­en der Eltern sei auch deshalb bedeutend, weil sich deren Zufriedenh­eit unmittelba­r auf die Entwicklun­g ihrer Kinder auswirke, erklärt C. Katharina Spieß. Das Potenzial von Familie für eine gelungene Integratio­n sollte besser ausgeschöp­ft werden.

Seit August dieses Jahres gilt die Neuregelun­g zum Familienna­chzug für subsidiär Schutzbere­chtigte, was insbesonde­re Menschen aus dem Bürgerkrie­gsland Syrien betrifft. Die sieht vor, dass monatlich nur 1000 Angehörige­n der Nachzug gestattet wird. Im ersten Monat haben jedoch nur 42 Angehörige ein Visum erhalten. Die Menschenre­chtsorgani­sation Pro Asyl schätzt die Zahl der Betroffene­n auf rund 60 000 und kritisiert, dass die Bundesregi­erung die Familienzu­sammenführ­ung von Flüchtling­en systematis­ch behindere.

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