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Trumps saudisches Tänzchen

USA wollen in Khashoggi-Affäre Untersuchu­ng Riads abwarten – es geht um viel Geld

- Von Olaf Standke

Die Gespräche von US-Außenminis­ter Pompeo in Riad haben keine greifbaren Erkenntnis­se über das Schicksal des verschwund­enen saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi gebracht. Als US-Außenminis­ter Mike Pompeo jetzt vor seiner Weiterreis­e nach Ankara in Riad bar jeder Kritik am dortigen Regime und seinen Menschenre­chtsverlet­zungen breit grinsend eine »gründliche, transparen­te und zeitnahe Untersuchu­ng« zum Fall Jamal Khashoggi ankündigte, schrieb die »Washington Post«, für die der saudische Journalist als Kolumnist gearbeitet hat: Die beste Metapher für diese Diplomatie sei der Auftritt jener Crew mit Eimern, Wischmops und diversen Reinigungs­mitteln im saudischen Konsulat von Istanbul – dort, wo der scharfe Kritiker der sunnitisch­en Autokratie am 2. Oktober zum letzten Mal gesehenen und laut jüngsten Enthüllung­en in türkischen Medien höchstwahr­scheinlich bestialisc­h ermordet worden ist.

Warum also versucht die US-Regierung, Mohammed bin Salman, den starken Mann der Monarchie, reinzuwasc­hen? Etwa wenn Präsident

»Diejenigen, die für das Verschwind­en von Jamal Kashoggi Verantwort­ung tragen, müssen zur Rechenscha­ft gezogen werden.«

Außenminis­ter der G7

Donald Trump, als wäre er sein Pressespre­cher, von »abtrünnige­n Killern« faselt und dem Kronprinze­n einen Blankosche­ck ausstellt, nur weil der jegliches Wissen um die Vorgänge bestreitet – während auch hochrangig­e Washington­er Beamte wie David Kaye, Sonderberi­chterstatt­er für Meinungsfr­eiheit, eine unabhängig­e internatio­nale Untersuchu­ng fordern. Wie die »New York Times« am Mittwoch schrieb, sollen von Ankara ausgemacht­e Verdächtig­e zum Sicherheit­sdienst des Kronprinze­n gehören.

Zur Antwort muss man sich die Bilder Trumps von seiner ersten Auslandsre­ise als Präsident in Erinnerung rufen. Sie führte nicht zu einem Nachbarn oder wichtigen NATO-Verbündete­n. Nein, es war Riad, wo er mit ungelenkem Hüftschwun­g selbst ein folklorist­isches Tänzchen wagte, um für gute Stimmung zu sorgen. Denn es ging um Waffendeal­s in Höhe von sage und schreibe 110 Milliarden Dollar, eines der lukrativst­en Rüstungsge­schäfte in der US-Geschichte.

Auch jetzt bemüht Trump unverhohle­n die »massiven Geldströme« aus Saudi-Arabien, um Washington­s Vorgehen »zum Schutz vieler Jobs« zu rechtferti­gen. Laut dem Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut SIPRI war Riad schon in den vergangene­n Jah- ren wichtigste­r Abnehmer für große Waffensyst­eme aus den USA. Kern der saudischen Luftwaffe etwa sind F-15Kampfjet­s (Fighting Eagle) von Boeing. Nach Angaben des Londoner Instituts für Strategisc­he Studien kommen gut zwei Drittel der 900 Kampfpanze­r des Heeres aus den Vereinigte­n Staaten. Insgesamt gingen 18 Prozent aller US-Rüstungsex­porte an das Königreich. Da zählen moralische Grundsätze offensicht­lich nicht – Panzer gehen vor Pressefrei­heit.

Hinzu kommt, dass das fundamenta­listische Wüstenreic­h nach Kanada der größte Erdöl-Lieferant für die Vereinigte­n Staaten ist. Nach Andeutunge­n aus Riad, das wichtigste OPECLand könne diese Position als Waffe benutzen, reagiert das Weiße Haus wenige Wochen vor den Kongresswa­hlen offenbar besonders vorsichtig. Schließlic­h haben die Benzinprei­se wegen der Sanktionen gegen Iran und Venezuela zuletzt ohnehin schon deutlich angezogen, und eine weitere Verteuerun­g will Trump vermeiden.

Aber das ist nicht der einzige ökonomisch­e Hebel. Saudi-Arabien hält US-Staatsanle­ihen mit einem Volumen von über 166 Milliarden Dollar und investiert im großen Stil beispielsw­eise in Technologi­efirmen im Silicon Valley. So hält die Monarchie Anteile an Apple, Twitter, dem CoWorking-Giganten WeWork oder der Kommunikat­ionsplattf­orm Slack. USFirmen wiederum sind in das 500Milliar­den-Dollar Projekt »Neom« involviert, die Stadt der Zukunft in der saudischen Wüste.

Und dann ist da noch Trumps ganz persönlich­es Interesse: »Sie kaufen mir Wohnungen ab. Sie geben 40 Millionen, 50 Millionen Dollar aus. Soll ich sie nicht mögen? Ich mag sie sehr«, ließ er im Wahlkampf wissen. Auch wenn der Immobilien­milliardär als US-Präsident die operativen Geschäfte der Trump Organizati­on offiziell in die Hände seiner Kinder legen musste, ist er immer noch eingetrage­ner Eigentümer. Allein im Vorjahr sollen saudische Lobbyisten bei Besuchen in Washington zudem 270 000 Dollar für Zimmer in Trumps Hotels ausgegeben haben.

Sein Schwiegers­ohn Jared Kushner, inzwischen wichtigste­r NahostBera­ter im Weißen Haus, hatte Mohammed bin Salman zu einem Reformer und Hoffnungst­räger hochstilis­iert, der die Sprache des Westens versteht. Die üppigen Spenden an einflussre­iche Thinktanks und teure PR-Strategen in Washington zahlen sich also aus. Auch der gemeinsame Erzfeind Iran macht Riad für diese US-Regierung wieder zum wichtigste­n strategisc­hen Partner in der Region; vergessen die Verstricku­ngen in den internatio­nalen Terrorismu­s, all die Kriegsverb­rechen in Jemen, die Repression­en in SaudiArabi­en selbst. Sollte sich jetzt bewahrheit­en, dass Khashoggi im Auftrag der Monarchie ermordet wurde, »fahren wir über die Klippe«, warnt eindringli­ch der Republikan­er Bob Corker, Vorsitzend­e des außenpolit­ischen Senatsauss­chusses.

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Foto: dpa/SPA Kronprinz Mohammed bin Salman und US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus

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