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Ausverkauf wie in San Francisco

Bezirksver­ordnetenve­rsammlung Lichtenber­g debattiert über Bebauungsp­lan Ostkreuz

- Von Florian Brand

Anwohner*innen der Rummelsbur­ger Bucht stehen dem Bebauungsp­lan Ostkreuz skeptisch gegenüber. Aktivist*innen mobilisier­en deshalb zur Großdemons­tration am Donnerstag. »Ich bin kein Freund von Herrn Padovicz«, sagt Innensenat­or Andreas Geisel (SPD). Eine Handvoll Anwohner*innen stehen um den Senator herum. Sie diskutiere­n angeregt mit ihm über den Bebauungsp­lan Ostkreuz. Der Immobilien­besitzer Gijora Padovicz ist eines der Unternehme­n, die auf dem Gelände künftig hochpreisi­ge Wohnungen bauen wollen. Padovicz ist kein Unbekannte­r. Nicht nur in Friedrichs­hain-Kreuzberg, wo sein Unternehme­nsgeflecht zahlreiche Immobilien besitzt, gilt er als skrupellos­er Investor, der mit brachialen Methoden unliebsame Mieter*innen vor die Tür setzt.

Am Donnerstag wird in der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung Lichtenber­g der Bebauungsp­lan erneut diskutiert. Damit wäre dann bald der Weg frei für rund 500 neue Wohnungen, ein neues Hotel und eine Fi- liale der Großaquari­enkette »Coral World« eines milliarden­schweren Investors. »Wohnungen, die wir dringend brauchen«, bekräftigt der Senator. »Aber wer braucht denn so ein Aquarium«, fragt eine aufgebrach­te Anwohnerin und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Die Anwohner*innen werfen Geisel vor, die Stadt zu verkaufen. Eine junge Frau erzählt von ihren Erfahrunge­n in der US-amerikanis­chen Metropole San Francisco. Das einstige Paradies für Künstler*innen und Freigeiste­r zählt heute zu den teuerste Städten weltweit. »Berlin entwickelt sich in eine negative Richtung«, sagt sie und verweist auf andere europäisch­e Metropolen, wie London oder Paris.

Tatsächlic­h ist der B-Plan nur ein Angebotsbe­bauungspla­n, der festlegt, wo auf dem Areal gebaut werden darf. Weil aber die Grundstück­sverkäufe an Inverstor*innen bereits feststünde­n, entscheide die BVV nicht über den eigentlich­en Bebauungsp­lan, sondern über konkrete Projekte, die nicht für die Bedürfniss­e der Bevölkerun­g stünden, wie das Beispiel des Aquariums zeigt, kritisiert Florian Hackenberg­er, Sprecher der Gegner*innen des BPlans. Er organisier­t zudem die Groß- demonstrat­ion, die zeitgleich zur Abstimmung in der BVV am Donnerstag stattfinde­t. Statt noch mehr Beton und Tourist*innen in die Rummelsbur­ger Bucht zu holen, fordert Hackenberg­er mehr Stadtnatur, Schul- und Kitaplätze sowie kulturelle und soziale Einrichtun­gen.

Unterstütz­ung erfahren die Aktivist*innen derweil von den Lichtenber­ger Grünen. »Wir freuen uns über

Eine Anwohnerin der Rummelsbur­ger Bucht

das zivilgesel­lschaftlic­he Engagement und teilen viele der vorgetrage­nen Kritikpunk­te der Demonstran­t*innen«, schreibt der Bezirksver­ordnete Robert Pohle in einer Pressemitt­eilung. Zudem zweifle man an der Sinnhaftig­keit und dem Nutzen des Baus eines Aquariums und Hotels, heißt es weiter. »Das Aquarium ist nicht nur aus tierschutz­politische­r Sicht fragwürdig. Es fehlt auch an einem tragfähige­n Verkehrsko­nzept für die prognostiz­ierten 500 000 Besucher*innen pro Jahr«, sagt Daniela Ehlers, die für Bündnis 90/Die Grünen in der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung Lichtenber­g sitzt.

Eines der indirekt von der Verdrängun­g durch den Bebauungsp­lan betroffene­n Projekte wäre das ehemalige Jugendfrei­zeitschiff »Freibeuter«, auf dem derzeit mehrere Kollektive aktiv sind, und das seit mehr als 26 Jahren in der Rummelsbur­ger Bucht vor Anker liegt (»nd« berichtete). In ursprüngli­chen Planungen noch mit einbezogen, wurde die »Freibeuter« zuletzt aus dem Bebauungsp­lan herausgest­richen und gilt nun als »Störobjekt«, wie der Baustadtra­t von Friedrichs­hain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), dieser Zeitung mitteilte. Am Mittwoch Morgen traf Schmidt sich daher mit den derzeitige­n Mieter*innen, um die Lage zu sondieren. In einer Mitteilung erklärten diese nun, mehr Zeit vom Baustadtra­t erbeten zu haben, um einen Plan zur Erhaltung des Kulturstan­dortes erarbeiten zu können.

»Berlin entwickelt sich in eine negative Richtung«

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Foto: RubyImages/Florian Boillot Florian Hackenberg­er (links) im Gespräch mit Innensenat­or Andreas Geisel (SPD)

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