nd.DerTag

Grüne kritisiere­n Polizeigew­alt

Bei Abschiebun­gen soll es zu Misshandlu­ngen gekommen sein

- Von Johanna Treblin

Die Senatsinne­nverwaltun­g bestreitet in der Antwort auf eine Schriftlic­he Anfrage Gewaltanwe­ndung bei Abschiebun­gen, bestätigt aber Ausübung »unmittelba­ren Zwangs«. Schläge, Fixierung mit Gurten, Ruhigstell­ung mit Medikament­en. Wenn Menschen aus Berlin abgeschobe­n werden sollen, wendet die Polizei auch mal Gewalt an, kritisiert­e jüngst der Flüchtling­srat. In der Antwort auf eine Schriftlic­he Anfrage der Grünen-Abgeordnet­en Bettina Jarasch streitet die Senatsverw­altung für Inneres nun Vorwürfe ab, bei einer Sammelabsc­hiebung nach Madrid am 6. Juni dieses Jahres Menschen misshandel­t zu haben. »Die in der Presse erhobenen allgemeine­n Vorwürfe physischer Gewaltanwe­ndung durch Polizeibea­mtinnen und Polizeibea­mte können nicht bestätigt werden«, heißt es. Allerdings: »Aufgrund von Widerstand­shandlunge­n wurde in Einzelfäll­en die Ausübung unmittelba­ren Zwangs erforderli­ch.« Zudem seien erwachsene Personen durchsucht worden. Dass diese sich zu dem Zweck bis auf die Unterwäsch­e ausziehen mussten, wie es in der Anfrage heißt, bestätigte die Innenverwa­ltung nicht.

Jarasch fragte die Innenverwa­ltung auch, wie oft Gutachten von niedergela­ssenen Ärzten zur Reisefähig­keit von Menschen, die abgeschobe­n werden sollen, nicht akzeptiert wurden. Sie sollen im Auftrag der Ausländerb­ehörde überprüft und zum Teil auch revidiert worden sein. Die Innenverwa­ltung bestätigte zwar dieses Vorgehen. Gründe nannte sie keine. Eine Statistik zum Thema werde nicht geführt.

Für Jarasch ist die Antwort unbefriedi­gend. »Es bleibt unverständ­lich, weshalb Gutachten oder Atteste niedergela­ssener Ärzte ignoriert oder nochmals durch Polizei- oder Honorarärz­te ›überprüft‹ werden«, sagte sie den »nd«.

Die Innenverwa­ltung verweist in ihrer Antwort darauf, dass es im jüngsten Tätigkeits­bericht des Forums Abschiebun­gsbeobacht­ung

Bettina Jarasch, Grüne

Berlin-Brandenbur­g heißt, die meisten Abschiebun­gen seien ohne »besondere Vorkommnis­se« abgelaufen. Das stimmt. Das Forum ist allerdings extrem breit aufgestell­t. 2013 wurde es auf Initiative des Jesuiten-Flüchtling­sdienstes und der Evangelisc­hen Kirche gegründet. Mitglieder sind neben dem Caritasver­band auch Pro Asyl, Amnesty Internatio­nal, die Liga der Wohlfahrts­verbände, der UNFlüchtli­ngskommiss­ar, der Landkreis Dahme-Spreewald – und eben die Berliner Innenverwa­ltung das Brandenbur­gische Innenminis­terium und die Polizei. Da ist es fraglich, wie unabhängig die Abschiebeb­eobachteri­n arbeiten kann und wie frei sie in der Ausformuli­erung ihres Berichts ist.

Aus Sicht von Bettina Jarasch reicht das nicht. »Wenn die Bundesregi­erung keinen eigenen unabhängig­en Kontrollme­chanismus für Abschiebun­gen schafft, muss das Land Berlin selbst aktiv werden und zumindest die Stelle und auch die Befugnisse der Abschiebeb­eobachteri­n stärken.«

Berlin ist 2018 laut Bundesinne­nministeri­um zum Hotspot von Abschiebef­lügen geworden. Demnach flogen von Januar bis Juli von Schönefeld fünf Sammel-Abschiebef­lüge ab. 2017 waren es nur zwei.

»Berlin muss die Stelle und die Befugnisse der Abschiebeb­eobachteri­n stärken.«

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