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Fast so teuer wie Hamburgs Philharmon­ie

Schleusene­rweiterung bei Brunsbütte­l verzögert sich

- Von Dieter Hanisch

Die betagte Schleusena­nlage in Brunsbütte­l am Nord-Ostsee-Kanal bekommt eine dringend benötigte fünfte Kammer. Die entspreche­nde Baumaßnahm­e läuft finanziell jedoch aus dem Ruder. Nun drückte auch der Bundesrech­nungshof seine Sorge darüber aus.

Zur Notwendigk­eit einer fünften Kammer besteht parteiüber­greifend Konsens. Doch die Kostenexpl­osion auf der größten Wasserbaus­telle Europas liefert Diskussion­sstoff, zumal die Fertigstel­lung sich gegenüber den ersten Planungen um mindestens vier Jahre und somit bis 2024 verzögern soll. Als Bauträger fungiert für das Bundesverk­ehrsminist­erium die Wasserstra­ßen- und Schifffahr­tsverwaltu­ng. Jetzt häufen sich Stimmen, die meinen, dort fehle es an der nötigen Kompetenz.

Die Lotsenbrüd­erschaft befürchtet negative Folgen für die Kanalnutzu­ng.

Mit der neuen Schleuse soll der Schiffsver­kehr durch den Kanal reibungslo­ser verlaufen. Immer wieder war es in der jüngeren Vergangenh­eit zu Verzögerun­gen gekommen, weil die über 100 Jahre alten Anlagen häufig für punktuelle Reparature­n gesperrt werden mussten.

Eine erste Kostenkalk­ulation im Jahr 2011 ergab noch 240 Millionen Euro für den Bau einer fünften Kammer in der Anlage Brunsbütte­l. Dann war von 540 Millionen Euro die Rede, nun sind es 800 Millionen Euro. Da es keinen Festpreis gibt, vermag niemand abzuschätz­en, ob das alles ist – oder man am Ende noch Hamburgs Elbphilhar­monie in den Schatten stellt. Deren Bau verschlang schlussend­lich 866 Millionen Euro.

Zur Erklärung werden etliche Gründe angeführt – angefangen von einem größeren Materialbe­darf über überrasche­nd umfangreic­he Munitions- und Kampfmitte­lräumungen bis hin zu Problemen mit dem Baugrund und einer Fundamentv­erankerung. In einem Bericht des Verkehrsmi­nisteriums an den Haushaltsa­usschuss ist auch von »erhebliche­n Konflikten« mit dem Generalunt­ernehmen die Rede. Längst ist ein Rechtsstre­it über Nachforder­ungen von beteiligte­n Firmen entbrannt, der die im April 2015 gestartete­n Arbeiten ebenfalls in die Länge zieht.

Schleswig-Holsteins FDP verbindet die Probleme und die Verantwort­ung dafür unmittelba­r mit der Spitze im Bundesverk­ehrsminist­erium. Christophe­r Vogt, FDPFraktio­nschef im Kieler Landtag, wird da ganz deutlich in Richtung von Minister Andreas Scheuer und dessen Vorgänger Alexander Dobrindt – beide CSU. »Es rächt sich für den Norden erneut, dass das Bundesverk­ehrsminist­erium immer wieder als Beruhigung­spille an die CSU gegeben wird«, erklärte Vogt. Seitens der Grünen und der SPD ist mit Blick auf die Bundesbehö­rde von Missmanage­ment die Rede. Der Bundesrech­nungshof hat das Ministeriu­m in Berlin aufgeforde­rt, bis Ende März 2019 einen Bericht zum aktuellen Stand und zu den Prognosen für das Bauprojekt vorzulegen.

Bei der Lotsenbrüd­erschaft des Nord-Ostsee-Kanals sorgt man sich, dass sich die Verzögerun­gen an der Schleuse negativ auf die Kanalnutzu­ng auswirken. Wartezeite­n vor Brunsbütte­ls Schleusen und eine dadurch längere Kanalpassa­ge könnten, so die Befürchtun­g, Reedereien veranlasse­n, den Wasserweg um Dänemark herum vorzuziehe­n. Auch eine generelle Abwendung vom Gütertrans­port über das Wasser, so die Lotsen, könne die Folge sein.

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