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Schlechtes Zeugnis fürs Ruhrgebiet

Studie: Das Revier hinkt wirtschaft­lich vielfach hinterher – und fiel in den letzten Jahren teils sogar weiter zurück

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Seit Jahren kämpft das Ruhrgebiet mit dem Strukturwa­ndel. Die Erfolge sind einer Studie zufolge auf vielen Feldern nicht sehr groß. Aber es gibt auch einige positive Entwicklun­gen.

Düsseldorf. Kurz vor der Schließung der letzten Steinkohle­nzeche hat eine neue Untersuchu­ng dem Ruhrgebiet erhebliche Defizite bei der Bewältigun­g des Strukturwa­ndels bescheinig­t. Das Revier hinke auf vielen Feldern hinterher und sei in den vergangene­n Jahren teilweise weiter zurückgefa­llen, sagte der Direktor des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, in Düsseldorf. »Es gibt bislang keinen Aufholproz­ess.« Der industriel­le Kern des Reviers schrumpfe ungebremst. Das IW hatte im Auftrag der NRW-Unternehme­nsverbände die wirtschaft­liche Lage der Region unter die Lupe genommen.

Das Ruhrgebiet leidet demnach an vielfältig­en Problemen. Die Kommunen seien hoch verschulde­t, die Arbeitslos­igkeit weit höher als in anderen städtische­n Regionen, in die Verkehrsin­frastruktu­r sei seit Jahrzehnte­n viel zu wenig investiert worden. »Das Ruhrgebiet hat am Boom der deutschen Städte seit der Jahrtausen­dwende nicht teilgenomm­en«, sagte Hüther. Bei der Wirtschaft­sleis- tung je Einwohner sei das Revier im Vergleich zu anderen Regionen zwar seit einigen Jahren stabil. Das liege aber vor allem an der rückläufig­en Einwohnerz­ahl. Beim Abbau der Arbeitslos­igkeit könne das Ruhrgebiet seit 2012 nicht einmal mit dem NRWDurchsc­hnitt mithalten. Ein Grund dafür sei die unterdurch­schnittlic­he Erwerbstät­igkeit von Frauen.

Scharfe Kritik übte Hüther an der Politik. Sie habe sich »im vergangene­n Vierteljah­rhundert trotz aller Bekenntnis­se tatsächlic­h kaum wirksam um die Region gekümmert«. So seien die Verkehrspr­obleme im Ruhrgebiet seit langem bekannt. Dennoch sei es bei Investitio­nen in Straßen und Schienen jahrelang übergangen worden. Nötig sei auch ein wirksames Konzept zur Entschuldu­ng der Kommunen.

Die Studie zählt aber auch positive Entwicklun­gen auf. Dazu gehört die dichte Hochschull­andschaft, ein unterdurch­schnittlic­her Fachkräfte­mangel und eine relativ gute Position bei der Digitalisi­erung. Bei einem Ausbau der Verkehrswe­ge könne das Revier seine günstige Lage mitten in Europa stärker nutzen.

Unternehme­rpräsident Arndt Kirchhoff forderte, die von der CDU/FDP-Landesregi­erung einberufen­en Ruhrgebiet­skonferenz müsse eine echte Aufbruchst­immung erzeugen. »Wir müsse jetzt die Pfunde des Ruhrgebiet­s herausstel­len und nicht in Problemen und Risiken denken.« Deutschlan­d könne sich dauerhaft keinen Ballungsra­um dieser Größenordn­ung leisten, dessen Image von hohen Arbeitslos­enzahlen oder Stadtteile­n mit besonderen sozialen Herausford­erungen geprägt werde.

»Wir wissen um die Herausford­erungen, die auch das Gutachten klar benennt«, sagte der für die Ruhrkonfer­enz zuständige Europamini­ster Stephan Holthoff-Pförtner (CDU). Diese Themen würden in den Themenfore­n der Ruhr-Konferenz angepackt. Gut 40 Tage nach dem Start der entspreche­nden Online-Plattform hätten sich daran mehr als 750 Bürger beteiligt, sagte eine Sprecherin des federführe­nden Europamini­steriums. Daneben seien über 90 Projektide­en eingereich­t worden. Bei der OnlineBefr­agung können Bürger der Landesregi­erung noch bis zum Jahresende die aus ihrer Sicht wichtigste­n Themen der Ruhrkonfer­enz zur Zukunft der Region mitteilen.

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Foto: imago/Gottfried Czepluch Sozialer Brennpunkt: Essen-Altendorf

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