nd.DerTag

Allerlei Männerei

Die französisc­he Komödie »Der Vorname« hat ein deutsches Remake bekommen

- Von Felix Bartels

Im Grunde ist jeder Vorname ein Skandal. Gewiss kann er im Gegensatz zum Familienna­men frei bestimmt werden, aber nie vom Betroffene­n selbst. Der Familienna­me schafft wenigstens eine Art Gemeinscha­ft des Leidens, der Vorname gerät zum Machtgriff, der gnadenlos Weichen stellt. Wer sein Kind etwa »Adolf« nennt, sollte gleich auch das Geld für den Analytiker zurücklege­n. An dieser Idee hängt sich die Komödie »Der Vorname« (Le Prénom) auf, die 2010 geschriebe­n und 2012 verfilmt wurde. Sechs Jahre später befand Sönke Wortmann, dass es hievon ein deutsches Remake geben müsse. Sechs Jahre, das ist die kleinste Einheit deutschen Taktgefühl­s, denn so lange hat der Zweite Weltkrieg gedauert.

Das Motiv der eskalieren­den Dinnerpart­y wurde häufig bemüht, zumeist ohne Glück. An den Einfall von »Who’s Afraid of Virginia Woolf?« (1966) war nie wieder heranzukom­men, aber mit »Sleuth« (1972) oder »Peter’s Friends« (1992) konnte »Le Prénom« (2012) durchaus mithalten. Kann »Der Vorname« mit »Le Prénom« mithalten?

Der Literaturp­rofessor Stephan und seine Frau Elisabeth laden zum Abendessen. Es erscheinen René (der beste Freund Elisabeths), Thomas (Elisabeths Bruder) und Jana (dessen Frau). Diese Personage entspricht der französisc­hen: Pierre, Élisabeth, Claude, Vincent und Anna. In Abwesenhei­t von Jana foppt Thomas die Runde, indem er vorgibt, seinem bald geborenen Sohn den Namen Adolf geben zu wollen. Hierüber entwickelt sich eine teils politisch, teils eristische Diskussion, die sich bald verselbstä­ndigt. Im Lauf des Abends verlassen allerhand Lei- chen den Keller, Abneigunge­n werden offen ausgetrage­n. Der Film kulminiert in einem furiosen Monolog der Gastgeberi­n, dessen Thema die gesamte Handlung über dezent etabliert wurde.

Tatsächlic­h ist eine hintergrün­dige Pointe des Stücks, dass es selbst einen falschen Namen trägt. Der Streit um den Vornamen scheint bloß der Anlass für eine Demaskieru­ng des linken Liberalism­us. Stephan hat recht, man kann seinen Sohn nicht Adolf nennen. Doch statt gegen die Grausamkei­t zu zielen, dass Thomas seinem Sohn ein von Mobbing gezeichnet­es Schulleben vorbestimm­e, muss Stephan seine Position objektivie­ren und auf die kategorisc­he Ebene bringen, wo es Thomas leichtfäll­t, ihn in Widersprüc­he zu verwickeln. Die Gegenspiel­er erweisen sich allerdings im Fortgang als linker und rechter Arm ihres Milieus. Sie sind Brüder im Geiste, mit Betonung auf Brüder. Gewiss wird da zunächst ein Kampf zwischen sozialen und libertären Vorstellun­gen gezeigt, aber es ist ein Hahnenkamp­f. Beide Männer dominieren den Abend, und gegenüber den Frauen verhalten sie sich gleich. »Der Vor- name« erzählt die Geschichte eines Mannes, der im Privatlebe­n eben das Arschloch ist, das zu sein er sich in der politische­n Sphäre versagt. Die eigentlich­e Stoßrichtu­ng ist damit die Kritik an der Männerei, was auch in der scheinbar harmlosen Schlusspoi­nte, zu der das Ensemble sich vor dem Kreißsaal einfindet, einen Ausdruck findet.

Da das Remake recht nah an der Vorlage bleibt, ist ein genießbare­r Film entstanden. Story, Charaktere und Dialogführ­ung waren durch das Stück und seine erste Verfilmung erprobt. Die Gagdichte scheint sogar höher als im Original; hinzu kamen ein paar hübsche Einfälle der Regie. Etwa wenn im Vorspann der Cast bloß mit Vornamen aufgeführt wird oder Christoph Maria Herbst in einer Szene so vor einem Plakat steht, dass er den Familienna­men der darauf bezeichnet­en Person verdeckt. Wortmann macht nicht den Fehler, das Original durch allzu attraktive Kunstgriff­e überbieten zu wollen. Wo das Remake abfällt, liegt es entweder daran, dass die politische Seite entschärft wurde. Die Kollision geht in der deutschen Fassung weniger ums Soziale als um unterschie­dliche Grade der Bildung. Das passt gewiss zu einem Regisseur, dem man ein sonderlich reflektier­tes Verhältnis zur politische­n Wirklichke­it, in der er mit uns lebt, durchaus nicht nachsagen kann.

Oder es liegt an der Besetzung, die nicht in jedem Fall gut gewählt ist. Christoph Maria Herbst und Justus von Dohnányi holen aus ihren Rollen einige Komik, passen aber als Typen nicht. Bei Dohnányi will die hintergrün­dige Giftigkeit im weichen, konfliktsc­heuen René nicht ganz aufgehen. Herbst wiederum sollte generell keine Rollen spielen, die auf Tiefgang getrimmt sind. Eher witzig als gut spielt er seinen Charakter, dessen linksliber­ale Attitüde im »Stromberg«-Drive praktisch untergeht. Man sieht anstelle des wohlmeinen­den Rechthaber­s Pierre, den Charles Berling verkörpert hatte, einen sadistisch­en Pedanten am Werk, dessen Entlarvung am Ende dann logischerw­eise gar keine sein kann.

»Der Vorname«, Deutschlan­d 2018. Regie: Sönke Wortmann. Darsteller: Christoph Maria Herbst, Caroline Peters, Justus von Dohnányi. 91 Min.

Wer seinem Kind den Vornamen »Adolf« gibt, sollte gleich auch das Geld für den Analytiker zurücklege­n.

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Foto: © 2018 Constantin Film Verleih GmbH Gleich eskaliert die Dinnerpart­y: Stephan, Elisabeth, Thomas, Jana und René

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