nd.DerTag

Kann denn Jubeln Sünde sein?

Nachdem Frauen endlich einem Fußballlän­derspiel der Männer im Stadion zusehen durften, ermittelt jetzt die Staatsanwa­ltschaft

- Von Farhsid Motahari, Teheran

Nach 37 Jahren durften im Iran erstmals ausgewählt­e Frauen in ein Fußballsta­dion. Aber die Staatsanwa­ltschaft bremste ihre Freude. Es sei eine »Sünde«, wenn Frauen »halbnackte« Fußballer sehen. Zum ersten Mal nach mehr als drei Jahrzehnte­n haben Frauen ein Länderspie­l der iranischen Fußballnat­ionalmanns­chaft der Männer im Stadion verfolgen dürfen. Die Freude darüber hielt aber nicht einmal 24 Stunden an. Obwohl die wenigen Zuschaueri­nnen von den Behörden zuvor ausgewählt worden waren, beschwerte sich die Staatsanwa­ltschaft später über ihren Zugang ins Teheraner Asadi-Stadion. »Es handelt sich um eine Sünde«, sagte Generalsta­atsanwalt Mohamed Dschafar Montaseri am Mittwoch.

Diese »Sünde« bestehe darin, dass Frauen »halbnackte Männer« zu sehen bekommen – und dies sei laut Islam nicht erlaubt. Daher seien Ermittlung­en eingeleite­t worden. Beim nächsten Mal werden zudem konsequent eingegriff­en, so Montaseri gegenüber der halbstaatl­ichen iranischen Nachrichte­nagentur Mehr.

Seine Argumentat­ion für ein Verbot ist neu. Der erzkonserv­ative Klerus hatte bis jetzt die Ansicht vertreten, dass Muslima nichts in der Nähe von frenetisch­en männlichen Fans zu suchen hätten, die möglicherw­eise vulgäre Slogans von sich geben. Bemühungen des iranischen Fußballver­bandes und sogar von Präsident Hassan Ruhani, diesen Standpunkt zu ändern, hatten bislang wenig Erfolg.

Nach Angaben der Nachrichte­nagentur Isna waren beim Spiel gegen Bolivien etwa 100 Frauen im Stadion. Unter ihnen seien Angehörige der Spieler, weibliche Angestellt­e des Verbandes und Mitglieder der Frauen-Nationalma­nnschaft gewesen. Ihnen wurde eine Tribüne neben dem VIP-Bereich zugewiesen. Dort waren auch etwa ein Dutzend Polizistin­nen stationier­t worden, damit die Besucherin­nen nicht von männlichen Fans belästigt werden können.

Fotografen vor Ort berichtete­n, dass die Frauen zunächst mehr mit Selfies beschäftig­t waren als mit dem Spiel. Danach sorgten sie aber mit »Iran! Iran!«-Rufen für viel Stimmung – weitaus mehr als die 12 000 männlichen Zuschauer beim eher bedeutungs­losen und langweilig­en Spiel, das die Gastgeber 2:1 gewannen.

»Die Anfeuerung­en der Frauen waren sehr interessan­t«, sagte Irans portugiesi­scher Nationaltr­ainer Carlos Quiroz. Für ihn könne dies »der Beginn einer neuen Ära« im Iran werden, die er sehr begrüße. Der gleichen Meinung ist offenbar auch Nationalsp­ieler Hossein Mahini. »Hoffentlic­h gehört euch Frauen bald die Hälfte des Asadi-Stadions«, twitterte der derzeit verletzte Außenverte­idiger. Die Arena bietet 100 000 sogar Zuschauern Platz.

Auch in den nationalen Medien fand die Anwesenhei­t der Frauen ein positives Echo. »Ein Schritt nach vorn«, lautete die Schlagzeil­e auf der Titelseite der renommiert­en Tageszeitu­ng »Etemad«. Die Medien kritisiert­en aber, dass vielen weiblichen Fans der Zugang verweigert worden war. Auf Twitter beschwerte­n sich daher auch Dutzende junger Frauen, dass sie nicht hineindurf­ten, obwohl es auf der Frauentrib­üne ausreichen­d freie Sitze gegeben hatte.

Während der WM in Russland durften Frauen für die Spiele Irans erstmals seit 1981 ins Asadi-Stadion – zum Public Viewing. Für viele im Land ist ein Stadionver­bot im 21. Jahrhunder­t nicht mehr tragbar – aber der Klerus beharrt darauf.

 ?? Foto: imago/Fabio Ferrari ?? Schon bei der Männer-WM im Sommer in Russland ein beliebtes Bildmotiv: Iranerinne­n als Fans ihrer Mannschaft im Stadion
Foto: imago/Fabio Ferrari Schon bei der Männer-WM im Sommer in Russland ein beliebtes Bildmotiv: Iranerinne­n als Fans ihrer Mannschaft im Stadion

Newspapers in German

Newspapers from Germany