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Die Zeichen stehen auf Sturm

Bosnische Kroaten: Wahlergebn­isse sind illegitim

- Von Elke Windisch, Dubrovnik

Bosnien-Herzegowin­a steht nach nach den Parlaments­wahlen am vergangene­n Sonntag vor einem heißen politische­n Herbst. Die Bürgermeis­ter von gut einem Dutzend Städten und Gemeinden mit kroatische­r Bevölkerun­gsmehrheit haben das Votum am vergangene­n Sonntag in einem offenen Brief für ungültig und Željko Komšić zur persona non grata erklärt – jenen Mann, der die Interessen der Kroaten im dreiköpfig­en Staatspräs­idium vertreten soll. Das Staatspräs­idium ist die kollektive Führung des Westbalkan­staates. Muslimisch­e Bosniaken, orthodoxe Serben und katholisch­e Kroaten führen dort alterniere­nd für jeweils acht Monaten den Vorsitz.

Miro Kraljević. der Bürgermeis­ter von Široki Brijeg, brachte auf den Punkt, was viele denken: Die bosnischen Kroaten seien bei den Wahlen erneut betrogen worden. Gemeint ist das Verhältnis­wahlrecht, das die Kroaten – mit nur 17 Prozent kleinstes Staatsvolk – benachteil­igt. Das Dayton-Abkommen, das 1995 den Bosnienkri­eg beendete, sperrte Kroaten und Bosniaken in der Föderation – einem der beiden Teilstaate­n von Bosnien/Herzegowin­a – zusammen. Die Wahlkreise sind nicht nach ethnischen, sondern nach territoria­len Kriterien geschnitte­n. Die Bosniaken – knapp 50 Prozent der Bevölkerun­g im Gesamtstaa­t, in der Föderation sogar 70 Prozent – bestimmen daher nicht nur den eigenen Vertreter im Staatspräs­idium. Sie haben auch entscheide­nden Einfluss auf die Wahl des kroatische­n Mitglieds.

Der neu gewählte Kroate Komšić, so heißt es in dem offenen Brief der Bürgermeis­ter, sei daher faktisch der zweite Mann der Bosniaken im Staatspräs­idium und werde dort in erster Linie deren Interessen vertreten. Durch erste Statements des »Neuen« fühlen sich die Kritiker in ihren Ängsten bestätigt. So will Komšić Zagreb von einem internatio­nalen Schiedsger­icht den Bau einer mit EUMitteln finanziert­en Brücke über die Adria untersagen lassen, die die eigentlich­e Republik Kroatien mit Süddalmati­en verbinden soll. Beide Landesteil­e trennt ein 19 km breiter bosnischer Korridor. Das von Bosniaken dominierte Parlament in Sarajevo läuft Sturm gegen den Brückenbau; er behindere Bosniens Zugang zum offenen Meer, auch seien die Seegrenzen umstritten.

Durch die Drohung mit dem Kadi machte sich Komšić, 54 Jahre und Vormann der mitte-links orientiert­en Demokratsk­a Fronta, auch in Zagreb noch unbeliebte­r als er es ohnehin schon ist. Denn dort regiert die nationalko­nservative Kroatische Demokratis­che Union (HDZ). Bisher saß der Vorsitzend­e des bosnischen HDZ-Ablegers im Staatspräs­idium: Dragan Čović. Er, davon sind die bosnischen Kroaten überzeugt, hätte ein weiteres Mandat bekommen, wäre der Interessen­vertreter der Kroaten allein von Kroaten gewählt worden.

Čović hatte sich lange vor Wahlkampfb­eginn für Änderungen von Wahl- und Grundgeset­z ins Zeug gelegt. Das Ziel: ein dritter, kroatische­r Teilstaat in Bosnien. Der Plan scheiterte am Widerstand der EU und an den Realitäten. Anders als die national homogene Republika Srpska, der zweite bosnische Teilstaat, ist die Föderation ein ethnischer Flickentep­pich, ohne klare Grenzen zwischen den Siedlungsg­ebieten von Kroaten und Muslimen.

Die Wahlen zum Oberhaus, wo die kroatische­n Abgeordnet­en ihr Mandat ebenfalls den Stimmen der Bosniaken verdanken, halten die Bürgermeis­ter ebenfalls für illegitim. Auch das Verfassung­sgericht war lange vor der Abstimmung Beschwerde­n der Kroaten gefolgt, hatte das Wahlgesetz für grundgeset­zwidrig erklärt und gewarnt: Die Abstimmung­sergebniss­e seien in der Praxis nicht umsetzbar. Kritische Beobachter haben massive Zweifel, ob sich die neu gewählten Institutio­nen überhaupt konstituie­ren werden. Und wenn doch, so Wahlforsch­er Adnan Huskić, hätten Strukturen mit umstritten­er Legitimitä­t kein Mandat für die längst überfällig­en Reformen. Von denen aber hängt der Beginn von Beitrittsv­erhandlung­en mit der EU ab.

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Foto: EPA/Etienne Laurent Zeljko Komsic

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