nd.DerTag

Widerstand gegen Meldeplatt­form

Am 22. Oktober will die Berliner AfD ihr Beschwerde­portal gegen Lehrer starten

- Von Jérôme Lombard

Auch in Berlin will die AfD ein Onlineport­al starten, auf dem Schüler und Eltern angebliche Neutralitä­tsverstöße von Lehrern melden sollen. Deren Gewerkscha­ft warnt vor einer »Unkultur der Denunziati­on«. Am kommenden Montag ist Stichtag: Dann will die Berliner AfD-Fraktion ihre neue Meldeplatt­form im Internet starten. Auf dem Portal sollen Schüler und Eltern politische Äußerungen von Lehrern melden können.

»Mit dem Portal wollen wir in erster Linie auf die Diskrimini­erung der AfD aufmerksam machen«, sagt Thorsten Elsholtz, Pressespre­cher der Berliner AfD-Fraktion, dem »nd«. Vorbild für das Vorhaben sei die »Aktion Neutrale Schule« der Hamburger AfD-Fraktion. Auf der Website können dort Nutzer seit September der AfD melden, wenn Lehrkräfte oder Schulperso­nal ihrer Meinung nach gegen das staatliche Neutralitä­tsgebot verstoßen. Die Meldungen sind dort auch anonym möglich.

»Unsere Meldeplatt­form soll dazu beitragen, das Neutralitä­tsgebot an den Schulen durchzuset­zen«, sagt Elsholtz. In letzter Zeit hätten sich bei seiner Partei vermehrt besorgte Eltern gemeldet, die von Fällen berichtete­n, in denen die AfD im Unterricht in Misskredit gebracht wurde. Aus Sorge vor Nachteilen für ihre Kinder hätten die Eltern aber nicht das Gespräch mit den entspreche­nden Lehrern gesucht. »In solchen Fällen wollen wir die Eltern unterstütz­en und vorzugswei­se nach Lösungsweg­en innerhalb der Schule suchen«, so Elsholtz. Es gehe nicht darum, einzelne Lehrer oder Schulen an den Pranger zu stellen. »Persönlich­e Daten und Einzelfäll­e werden nicht veröffentl­icht.« Verstöße gegen den Datenschut­z werde es nicht geben.

Meldestell­en dieser Art liegen bei der AfD voll im Trend. Zwar hat der Landesverb­and Baden-Württember­g sein schulische­s Beschwerde­portal nach massivem Widerstand gestoppt, doch halten die AfD-Fraktionen in Bayern, Rheinland-Pfalz, Bremen, Niedersach­sen und Sachsen-Anhalt an ihren Plänen fest. In Brandenbur­g, wo eine Plattform online gehen soll, will Landtagspr­äsidentin Britta Stark (SPD) eine mögliche Zweckentfr­emdung von an die AfD-Fraktion überwiesen­en Mitteln prüfen lassen.

Die Lehrergewe­rkschaft GEW blickt mit großer Sorge auf den Start der Meldeplatt­form in der Hauptstadt. »Wir weisen den Versuch der AfD, auf diesem Weg eine neue Unkultur der Denunziati­on in den Schulen zu etablieren, entschiede­n zurück«, sagt die Berliner GEW-Chefin Doreen Siebernik. Mit der Plattform wolle die AfD kritische Lehrkräfte verunsiche­rn. Zudem verfolge die Partei mit der Aktion eigene politische Ziele, die dem Grundgeset­z und den allgemeine­n Menschenre­chten widerspräc­hen. »Neutralitä­t in der Schule bedeutet nicht, demokratie­feindliche Positionen zuzulassen«, sagt Siebernik. Mit Informatio­nsblättern zum Neutralitä­tsgebot und zum Bildungsau­ftrag an Schulen wolle die Gewerkscha­ft die Lehrer dazu ermutigen, für demokratis­che Werte einzustehe­n.

Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) findet, das AfD-Portal stehe »dem Schulfried­en entgegen«. Denn für den Fall, dass Eltern ein Problem mit einem Lehrer sähen, gebe es bereits »ausreichen­d Beschwerde­instanzen in der Berliner Schule«.

Maja Lasić, bildungspo­litische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnet­enhaus, nennt das Vorhaben der AfD eine »Denunziati­onsplattfo­rm«. »Ich habe stark den Eindruck«, so Lasić, »dass es der AfD wieder einmal darum geht, sich als Opfer zu stilisiere­n.« Gemeinsam mit der Senatsbild­ungsverwal­tung werde sie sich dafür einsetzen, das Schulperso­nal vor rufschädig­enden Attacken zu schützen.

Auch die Zivilgesel­lschaft mobilisier­t Unterstütz­ung für die Lehrer. Auf der Website Change.org wurde unter dem Motto »Mein Lehrer fetzt« eine Petition an die Kultusmini­sterkonfer­enz initiiert. Wer dort unterschre­ibt, zeigt sich bundesweit mit Lehrkräfte­n solidarisc­h und sagt: »Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Menschen durch Mitmensche­n bespitzelt und denunziert werden.« Das Bundesbild­ungsminist­erium solle rechtliche Schritte gegen die AfD-Aktion prüfen. Mehr als 8000 Menschen haben schon unterschri­eben.

 ?? Foto: iStock/Christine Glade ?? Petze, Petze ging in Laden, wollt für'n Sechser Käse haben ...
Foto: iStock/Christine Glade Petze, Petze ging in Laden, wollt für'n Sechser Käse haben ...

Newspapers in German

Newspapers from Germany