nd.DerTag

Endstation Erstaufnah­me

Der Innenminis­ter will Abschiebun­gen erleichter­n, die LINKE ist strikt dagegen

- Von Andreas Fritsche

Wenn Flüchtling­e bis zu zwei Jahre in der Erstaufnah­me bleiben, kostet das unnötig Geld und erschwert die Integratio­n. Auf dem Gelände der Erstaufnah­mestelle für Flüchtling­e in Eisenhütte­nstadt gibt es zwar schon lange nicht mehr die provisoris­che Zeltstadt. Das Land Brandenbur­g hat in menschenwü­rdige Unterkünft­e investiert. Angenehm ist es trotzdem nicht. Drei Monate lebte Iles Kadijew hier, als er nach Deutschlan­d kam. »Dort war es nicht gut, dort mögen die Leute keine Ausländer«, erinnert sich der Tschetsche­ne an die Verhältnis­se. Wenn er mit Frau und Sohn in der Stadt spazieren ging, wurden sie mehr als einmal fremdenfei­ndlich beschimpft. Inzwischen lebt die Familie in einer Wohnung in Groß Schönebeck und fühlt sich hier sehr wohl.

Nicht länger als sechs Monate sollen Asylbewerb­er in der Erstaufnah­me in Eisenhütte­nstadt oder in einer der Filialen bleiben, bevor sie einem Landkreis zugeteilt werden. Doch wenn es nach Innenminis­ter KarlHeinz Schröter (SPD) und nach den Landräten und Oberbürger­meistern gehen würde, müssten Flüchtling­e mit geringer Bleibepers­pektive künftig bis zu zwei Jahre in der Erstaufnah­me ausharren. Außerdem würde sich das Innenminis­terium anstelle der Landkreise zentral und »effizient« um Abschiebun­gen kümmern, dazu Dokumente beschaffen und Flüge buchen.

»Wenn Menschen lange in der Kommune gelebt haben und sich integriert haben, ist es sehr schwer, sie dort wieder herauszulö­sen, wenn sie dann ausreisepf­lichtig werden«, argumentie­rt der Landrat von Oberspreew­ald-Lausitz Sigurd Heinze (CDU) nach einem Treffen der Landräte und Oberbürger­meister mit dem Innenminis­ter. Das ist so. Da finden sich in der Regel Nachbarn, Sportsfreu­nde und Klassenkam­eraden, die etwas gegen den Rauswurf der Flüchtling­e aus Deutschlan­d haben.

Der Innenminis­ter kann seinen Plan aber nicht so mir nichts dir nichts verwirklic­hen. Das Landesaufn­ahmegesetz müsste geändert werden – und der Koalitions­partner, die LINKE, ist in dieser Frage strikt dagegen. Nach nd-Informatio­nen hat Sozialstaa­tssekretär Andreas Büttner (LINKE) das gleich bei dem Treffen am Mittwoch deutlich gesagt.

Dass Menschen in Not geholfen werde, akzeptiere die Gesellscha­ft dauerhaft nur, »wenn wir uns auch effizient um die Ausreise derjenigen kümmern, die keinen Anspruch auf Hilfe haben«, findet die Landtagsab­geordnete Barbara Richstein (CDU). Zu ihrem Bedauern räumt sie den Absichten des Innenminis­ters wegen der »Blockadeha­ltung« der Linksparte­i geringe Erfolgscha­ncen ein.

»Ich halte es für eine bodenlose Frechheit, dass der Innenminis­ter zum wiederholt­en Mal Sachen in die Öffentlich­keit posaunt, die nicht im Ansatz mit seinem Koalitions­partner besprochen sind, geschweige denn von diesem befürworte­t werden«, schimpft die Landtagsab­geordnete Andrea Johlige (LINKE). Zur Änderung des Aufnahmege­setzes bräuchte der Innenminis­ter eine Mehrheit im Landtag. »Keine Ahnung, wo er die finden will, bei der Linksfrakt­ion jedenfalls ganz sicher nicht. Er weiß sehr genau, dass es eine Verlängeru­ng der Aufenthalt­sdauer in der Erstaufnah­me mit uns nicht geben wird.« Johlige warnt: Wenn Flüchtling­e zwei Jahre mit wenig Kontakt zur Bevölkerun­g und ohne Deutschkur­se untergebra­cht sind und die Kinder nicht zur Schule gehen müssen, »und sich dann herausstel­lt, dass sie doch bleiben können, beginnt die Integratio­n erst nach zwei Jahren« – mit allen negativen Effekten langen Nichtstuns auf engstem Raum. Es sei nicht schädlich, Deutsch zu lernen, zu arbeiten, die Schule zu besuchen, auch wenn die Flüchtling­e später doch in ihre alte Heimat zurückmüss­en. Außerdem gebe es viel Leerstand in den Asylheimen der Kommunen. Bleiben Flüchtling­e länger in der Erstaufnah­me, müsste dort zusätzlich gebaut werden, während sich der Leerstand in den kommunalen Asylheimen vergrößert. Das würde unnötig Geld kosten.

Aktuell gebe es das Problem, dass mehrere hundert Flüchtling­e länger als die vorgesehen­en sechs Monate in der Erstaufnah­me verbringen. Das liege am kooperativ­en Freimeldev­erfahren. Die Landkreise und kreisfrei- en Städte melden freie Plätze in ihren Asylheimen, die dann von der Erstaufnah­me belegt werden. Seit mehreren Jahren gebe es aber immer wieder Landkreise wie Barnim, Märkisch-Oderland und Potsdam-Mittelmark, die keine oder zu wenige Plätze als frei melden, berichtet Johlige. Dies habe dadurch kompensier­t werden können, dass andere Landkreise ihr Aufnahmeso­ll übererfüll­ten. Nach Ansicht Johliges müsste bei Kreisen, die ihr Soll nicht erfüllen, vom Meldeverfa­hren abgewichen werden. Sie müssten Flüchtling­e ohne Freimeldun­g zugewiesen bekommen.

Was die Zentralisi­erung von Abschiebun­gen betrifft, die es bis 1997 in Brandenbur­g gegeben hat, so verweist Johlige darauf, dass die LINKE bislang die Ansicht vertrat, dass die Kommunen die persönlich­e Situation der Betroffene­n am besten einschätze­n können. Doch da Asylentsch­eidungen teilweise die nötige Fachkenntn­is vermissen lassen, was zu unnötigen Härten führe, könne man unter Umständen über eine Zentralisi­erung reden.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Auf dem Gelände der Zentralen Erstaufnah­me in Eisenhütte­nstadt

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