nd.DerTag

Ohne Teilzeit gäbe es genug Erzieherin­nen

Der Bildungsau­sschuss des Landtags debattiert­e den Fachkräfte­bericht »Erziehung«

- Von Wilfried Neiße

Manche Erzieherin­nen wollen keine volle Stelle, andere bekommen keine. Männer sind in dem Beruf vielfach noch nicht gern gesehen, obwohl es mit ihnen gute Erfahrunge­n gibt. Obwohl die Arbeitsbed­ingungen für Erzieherin­nen und Erzieher etwas attraktive­r gestaltet werden und ihrem Wunsch nach kürzeren Arbeitszei­ten vielfach entsproche­n werden muss, fühlen sich immer mehr überlastet und ausgebrann­t. Dieser Widerspruc­h trat zutage, als am Donnerstag im Bildungsau­sschuss des Landtages eine Anhörung zum Fachkräfte­bericht »Erziehung« debattiert wurde.

Auf den scheinbar merkwürdig­en Umstand, dass rein rechnerisc­h genügend Erzieherin­nen vorhanden und mehr oder weniger alle Stellen besetzt seien, obwohl doch über einen Personalma­ngel geklagt werde, machte der Abgeordnet­e Gordon Hoffmann (CDU) aufmerksam.

Das konnte Sabine Henze von der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft aufklären. Sie berichtete, dass junge Berufseins­teigerinne­n häufig nicht in Vollzeit arbeiten möchten. Bei den Einstellun­gsgespräch­en heiße es vielfach: »Ich will noch mehr vom Leben haben.« Wenn die Kommune oder der Trägervere­in der Kita der Forderung nach reduzierte­r Arbeitszei­t nicht nachkom- men wolle, werde gesagt, »dann gehe ich eben zum Nächsten«.

Tatsächlic­h arbeiten nur 20 Prozent der Erzieher und Erzieherin­nen in Vollzeit, teilte die Bildungsau­sschussvor­sitzende Gerrit Große (LINKE) mit. Dass der Beruf daher weiter attraktive­r gestaltet werden müsse, davon ist die Gewerkscha­fterin Henze überzeugt. Wenn eine Erzieherin abends erschöpft zu Hause sitze, sei das keine Werbung für diesen an sich »schönsten Beruf der Welt«.

Doch so viele individuel­le Wünsche nach »Selbstverw­irklichung« auch erfüllt werden – dem wachsenden Problem des »Ausgebrann­tseins«, der Dauerersch­öpfung, kann man offenbar nicht entgehen. Sie nehmen auch in Brandenbur­g solche Ausmaße an, dass die Kürzung von Kita-Öffnungsze­iten oder gar die vollständi­ge Schließung von Einrichtun­gen »inzwischen zu den Lösungen gehören«, sagte Martin Matz von der Liga der Wohlfahrts­verbände. Natürlich wäre es für die Erfüllung des gesetzlich­en Auftrags der Kinderbetr­euung nützlich, alle Teilzeitkr­äfte zur Vollzeit zu bewegen, aber »das ist in der Praxis nicht so einfach«. Wenn alle in Brandenbur­g wohnenden Erzieher hier arbeiten und nicht nach Berlin einpendeln würden, wäre auch schon viel gewonnen. Matz sprach außerdem das Problem an, dass für bestimmte Ausbildung­sbereiche im Erzieherbe­ruf immer noch ein Schulgeld bezahlt werden müsse. »Würde man das abschaffen, wäre der Beruf mit einem Schlag attraktive­r.« Dann dürfe man dabei auch nicht die immer noch gebührenpf­lichtige Ausbildung zum Heilerzieh­ungspflege­r vergessen und ein neues Gefälle schaffen, fügte er hinzu.

An einer besseren Bezahlung führt nach Ansicht von Gudrun Tießenhuse­n, Schulleite­rin des Oberstufen­zentrums Märkisch-Oderland, nichts vorbei, wenn das Interesse geweckt werden soll, als Erzieher in einer Kita oder einem Schulhort zu arbeiten. Sie sprach sich für »familienfr­eundliche Arbeitszei­tmodelle« aus. Zur Wahrheit gehöre auch, dass einige Absolvente­n mitunter nur Teilzeit-Arbeitsver­träge erhalten, was für sie »häufig nicht befriedige­nd« sei.

Gegen Erzieher, also Männer im Beruf, gebe es derzeit »viel zu viele Vorbehalte in der Gesellscha­ft«, als dass demnächst mit einer nennenswer­ten Zahl von ihnen in den Kitas zu rechnen sei, sagte Thießenhus­en. Offenbar unterstell­en zu viele Eltern solchen Männern pädophile Neigungen und lehnen es ab, ihr Kind von einem Mann betreuen zu lassen.

Gewerkscha­fterin Henze sprach dieses Problem nicht direkt an, umschrieb es aber vielsagend mit den Worten: »Sie wissen schon.« Dabei wären Männer eine »wunderbare Bereicheru­ng«, erklärte sie und verwies auf sehr gute Erfahrunge­n.

 ?? Foto: dpa/Arno Burgi ?? Um vorzulesen, muss die Erzieherin Zeit haben.
Foto: dpa/Arno Burgi Um vorzulesen, muss die Erzieherin Zeit haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany