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Hardliner, weichgespü­lt

Hessens CDU ging früher oft mit Parolen gegen Migranten auf Wählerfang – 2018 ist es anders

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Am 28. Oktober wird in Hessen über die Zusammense­tzung des neuen Landtags entschiede­n. CDU-Regierungs­chef Bouffier setzt erneut auf Schwarz-Grün und verzichtet­e auf scharfe Töne in Sachen Migration. Die Tatsache, dass die Christdemo­kraten in Hessen in früheren Jahren mit rassistisc­h motivierte­n Kampagnen und Parolen auf Stimmenfan­g gingen, haben viele ältere Akteure nicht vergessen und verziehen. Anfang des Jahres 1999 zog der damalige CDU-Spitzenman­n Roland Koch wie ein Besessener mit einer Unterschri­ftensammlu­ng gegen Pläne für die Möglichkei­t einer doppelten Staatsbürg­erschaft in den Wahlkampf. Dies war vor allem gegen Migranten aus der Türkei gerichtet und dürfte ihm damals die entscheide­nden Stimmen für den knappen Sieg gebracht haben.

Jahrelang polemisier­ten CDU-Abgeordnet­e auch gegen den mutterspra­chlichen Unterricht für Migrantenk­inder und verlangten, »dass die Eltern mit ihren Kindern Deutsch sprechen«. Als Anfang 2008 Wechselsti­mmung im Lande herrschte und eine Abwahl Kochs zum Greifen nahe war, setzte die CDU auf riesigen Plakatwänd­en mit der Parole »Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommuniste­n stoppen« ebenfalls unterschwe­llig auf Ressentime­nts gegen die »undeutsch« klingenden Namen der Spitzenkan­didaten von SPD und Grünen.

Koch, der sich nach seinem selbst gewollten Abgang 2010 erfolglos als Manager des Bilfinger-Konzerns versuchte, ist inzwischen in Hessen Geschichte. Sein Nachfolger Volker Bouffier, der in früheren Jahren als CDU-Innenminis­ter als Hardliner und Law-and-Order-Mann auftrat, regiert seit Anfang 2014 geräuschlo­s mit Tarek Al-Wazirs Grünen. Und er würde mit seinem Duzfreund Tarek nach der Landtagswa­hl am 28. Oktober erklärterm­aßen gerne noch einmal fünf Jahre weitermach­en.

Sicher auch um des Koalitions­friedens Willen nimmt Bouffier im aktuellen Abstand von schrillen Parolen gegen Migranten und Fremde. Sie lägen wohl auch nicht im Interesse der Geschäftsw­elt, die vor allem im Ballungsge­biet rund um die Bankenmetr­opole Frankfurt am Main Weltoffenh­eit demonstrie­ren will und Investoren aus aller Welt anlocken möchte. So auch die vom nahenden Brexit betroffene­n »Brefugees«, also Manager und gut bezahlte Angestellt­e von Firmen und Institutio­nen, die Großbritan­nien verlassen wollen, um auf auf den Kontinent zu ziehen.

So ist zumindest die klassische, einst mit dem Begriff »Gastarbeit­er« beschriebe­ne Migration früherer Jahrzehnte aus dem Mittelmeer­raum im Zuwanderun­gsland Hessen für die bisherigen Landtagspa­rteien kein zentrales Thema mehr. Im laufenden Wahlkampf geht die CDU sogar mit dem konservati­ven türkischst­ämmigen Journalist­en und Landtagsab­geordneten Ismail Tipi auf Stimmenfan­g, den sie auf Platz zehn der Landeslist­e abgesicher­t hat.

Leisere Töne Bouffiers in der Migrations­frage, die sich von jüngsten schrillen Aussagen aus dem Munde der CSU-Größen Seehofer und Söder abheben, können aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die schwarzgrü­ne Regierung in Hessen besonders seit 2015 die bundesweit­e Verschär- fung der Asylpoliti­k mittrug. Dies führte dazu, dass die türkischst­ämmige Landtagsab­geordnete Mürvet Öztürk im Herbst 2015 aus Protest gegen die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsl­änder und die damit einhergehe­nde verschärft­e Abschiebep­raxis aus der Grünen-Fraktion und schließlic­h auch aus der Partei austrat. Bis zum Ende der Wahlperiod­e im Januar 2019 sitzt sie als fraktionsl­ose Abgeordnet­e im Parlament.

Offen rassistisc­he Parolen kommen in Hessen inzwischen vor allem von der Rechtspart­ei AfD, die unbedingt nun auch in den Landtag einziehen will. Sie will aus dem angebliche­n »Linksruck« der Bouffier-CDU politische­s Kapital schlagen und kommt gebetsmühl­enartig immer wieder auf die Themen Flucht, Migration und Islam zu sprechen. »Wenn AfD-Kandidaten über dieses Kernthema hinaus Fragen gestellt bekommen, herrschen inhaltlich­e Leere, Unkenntnis und extrem marktliber­ale Ansichten vor«, bringt es der Wiesbadene­r DGBKreisvo­rsitzende Sascha Schmidt auf den Punkt. Er engagiert sich in der landesweit­en Kampagne »Keine AfD im Landtag«

Sascha Schmidt freut sich darüber, dass bei einem landesweit­en Aktionstag gegen rechte Hetze am vergangene­n Wochenende zeitgleich mit der Berliner Großdemons­tration des »Unteilbar«-Bündnisses in zwölf hessischen Städten dezentrale Aktionen stattfande­n. In Frankfurt am Main nahmen dabei 8000 Menschen teil. Während die Hessen-AfD laut Schmidt »in ihrem Programm offenkundi­g die Interessen von Vermietern, Bauinvesto­ren und Wohnungssp­ekulanten fest im Blick hat und den Bau von Sozialwohn­ungen ablehnt«, ruft ein breites Aktionsbün­dnis für den kommenden Samstag zu einer landesweit­en Demonstrat­ion in Frankfurt gegen die Verdrängun­g von Mietern und für bezahlbare­n Wohnraum auf. Damit soll der Druck von unten auf die Landespoli­tik erhöht werden.

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