nd.DerTag

Palmer: nicht witzig

Netzwoche

- Von Robert D. Meyer

Die bekannte Satireseit­e der-postillon.com veröffentl­icht immer wieder Leserbrief­e von Menschen, die überzeugt sind, dass es sich bei dem Portal um ein ernsthafte­s Nachrichte­nangebot handelt. Kurze Aufmerksam­keitsspann­en, gerade in den sozialen Netzwerken, führen dazu, dass die Quelle eines Berichtes übersehen wird. Komplizier­t wird die Sache, sobald solche Satiremeld­ungen aus Quellen stammen, die sonst eher frei von Humor sind.

So ist Tübingens Oberbürger­meister Boris Palmer (Grüne) bis- Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche her nicht durch seine Satirefähi­gkeit aufgefalle­n. Vergangene­n Sonntag, noch während die Grünen in Bayern auf ein Rekorderge­bnis hofften, wollte Palmer offenbar seinen humoristis­chen Einstand geben. Die wahlkämpfe­nden Parteikoll­egen dürften darüber wohl nicht gelacht haben. Via Facebook verbreitet­e Palmer eine angebliche »Eilmeldung« der Nachrichte­nagentur dpa, wonach Angela Merkel und Horst Seehofer »mit sofortiger Wirkung von ihren Ämtern als Vorsitzend­e der CDU und der CSU zurücktret­en« würden, um »einen Neuanfang für Deutschlan­d, Bayern und die Union« zu ermögliche­n. Beobachter würden dies »als Eingeständ­nis des Scheiterns in der Flüchtling­sfrage« deuten, so Palmer in seiner Fake News. Nachdem sich Leser über Palmers Meldung empört gezeigt hatten, schob Palmer eine Erklärung nach, wonach das Kürzel BP für seine Initialen stehe, was wohl die angebliche »Eilmeldung« als Satire kennzeichn­en sollte.

Auch die dpa-Redaktion sah sich veranlasst, festzustel­len, dass es sich bei der Meldung des Tübinger OB um Satire handelt. Chefredakt­eur Sven Gösmann veröffentl­ichte sogar eine Stellungna­hme, in der er Palmer nicht frei von Ironie kritisiert: »Jeder blamiert sich eben in einer freien Gesellscha­ft im Rahmen des Rechts, wie er möchte. Deshalb kommentier­en wir normalerwe­ise auch verkrampft­e Satire-Gehversuch­e von Kommunalpo­litikern nicht«, so Gösmann. Im Fall von Palmer sei dies aber nötig gewesen, da wir in Zeiten leben, »in denen die Glaubwürdi­gkeit von Medien regelmäßig angezweife­lt wird«, noch dazu, weil Amtsträger mit Satire »verantwort­ungsvoll« umgehen sollten.

Gegenüber der Plattform faktenfind­er.tagesschau.de erklärte Palmer, dass er nur von AfD-Anhängern Reaktionen erhalten habe, diese würden die Meldung glauben. Er selbst sehe seinen Beitrag als Satirelehr­stück, »dass man nicht einfach glauben sollte, was man glauben will, ohne es zu prüfen«. Die Medienwiss­enschaftle­rin Anna Wagner erklärt im Tagesschau-Interview jedoch, dass Satire häufig in einem Rahmen stattfinde, in dem die Beteiligte­n erwarten können, dass es sich nicht um eine reale Meldung handelt. »Von einem Jan Böhmermann erwartet man beispielsw­eise satirische Äußerungen«, so Müller. Anders verhalte es sich bei Politikern. »In diesem Rahmen erwarte das Publikum, dass der Politiker auch tatsächlic­h seine ursprüngli­che Rolle erfülle.« Wenn aber Hinweise fehlen, dass eine Aussage als Satire gemeint ist, werde diese auch nicht als solche wahrgenomm­en.

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