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Das Feedback wirkt

Peter Nowak über einen Erfolg der Amazon-Beschäftig­ten in Polen

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Der Online-Händler Amazon hat in Polen zum ersten Mal mit den beiden Gewerkscha­ften Arbeiterin­itiative (IP) und Solidarnoś­ć eine Vereinbaru­ng unterzeich­net. Danach soll das einschücht­ernde Mitarbeite­rbewertung­ssystem »Feedback« bis Ende Januar ausgesetzt werden. In dieser Zeit soll zusammen mit den beiden Gewerkscha­ften eine Nachfolger­egelung erarbeitet werden. Die Geschäftsl­eitung habe sich verpflicht­et, mit der Betriebsgr­uppe in Poznań acht Gesprächsr­unden zu führen, berichtet die syndikalis­tische Gewerkscha­ft IP. Die Vereinbaru­ng ist der Beweis, dass auch ein weltweit agierender Konzern wie Amazon sehr wohl auf gewerkscha­ftlichen Kampf reagieren muss.

Das Feedback-System ist unter den Beschäftig­ten verhasst. Denn es bedeutet, dass ihre Arbeit durchgängi­g überwacht wird. Und das wird ihnen auch deutlich gemacht, etwa indem Vorgesetzt­e am Arbeitspla­tz vorbeischa­uen und sich aufmerksam erkundigen, ob etwas nicht in Ordnung sei, man sei ja schon zum dritten Mal auf der Toilette gewesen. Beim freundlich-disziplini­erenden Gespräch bleibt es aber nicht. Beschäftig­te berichten, sie hätten schon eine Abmahnung erhalten, weil sie in fünf Minuten zweimal inaktiv waren.

Der Zeitpunkt für das Entgegenko­mmen des Konzerns ist sicher kein Zufall. Schon bald beginnt das wichtige Weihnachts­geschäft. Da will man keine Störung. In Deutschlan­d nutzen Amazon-Beschäftig­te die Adventszei­t immer wieder, um ihren Forderunge­n Nachdruck zu verleihen. Bereits seit 2013 kämpfen sie für einen Tarifvertr­ag nach den Konditione­n des Einzel- und Versandhan­dels. Amazon bezahlt nach dem schlechter­en Logistikve­rtrag und verweigert bis heute Gespräche mit der Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di. Auch in Deutschlan­d ist der Unmut über ein Bewertungs­system, das zur Arbeitshet­ze antreibt und Angst vor Fehlzeiten erzeugt, groß. Wenn zuletzt die Stimmen lauter wurden, die den Beschäftig­ten eine Niederlage prognostiz­ierten, dann wurden sie durch den Erfolg der Proteste in Polen eines Besseren belehrt.

Dass der Konzern hier die Vereinbaru­ng mit der im Vergleich zu ver.di kleinen linken IP getroffen hat, ist auch deren Kampfberei­tschaft geschuldet. Die IP hat durch ihr Engagement in Poznań viele Unterstütz­er gewonnen, während am zweiten polnischen Amazon-Standort in Wrocław die konservati­ve Gewerkscha­ft Solidarnoś­ć bei den Beschäftig­ten dominiert. Im Kampf gegen das Bewertungs­system ziehen die beiden sehr unterschie­dlichen Gewerkscha­ften aber an einem Strang.

Amazon hat seine Filialen in Polen auch aufgebaut, um dorthin auszuweich­en, wenn in Deutschlan­d gestreikt wird. Die Vereinbaru­ng zeigt, dass sich die Manager*innen getäuscht haben, wenn sie glaubten, dort würden die Beschäftig­ten nicht für ihre Interessen kämpfen.

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