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Schreckges­penst Arbeitspla­tzverlust

Händler im Nordosten wollen neue Bäderregel­ung – Gewerkscha­ft offen für Kompromiss zum Sonntagsei­nkauf

- Von Hagen Jung

Geschäftsl­eute im Nordosten fordern, das sonntäglic­he Öffnen der Läden in Urlaubsort­en auch künftig zu erlauben. Die Bäderregel­ung, die das gestattet, war gerichtlic­h gekippt worden. Sollten kauflustig­e Menschen auch sonntags vielerorts im Angebot preiswerte­r Hosen, Röcke und Schuhe stöbern dürfen? Gewerkscha­fter schütteln die Köpfe, Einzelhänd­ler in touristikt­rächtigen Regionen Mecklenbur­g-Vorpommern­s jedoch sagen: Warum nicht? Und sie ärgern sich, dass das Oberverwal­tungsgeric­ht in Greifswald aus formalrech­tlichen Gründen im Juli jene Bäderregel­ung verworfen hat, die den Sonntagsei­nkauf an 77 Orten des Bundesland­es ermöglicht.

So auch auf der Insel Usedom. Dort haben Unternehme­r jetzt eine Petition gestartet, die Wirtschaft­sminister Harry Glawe (CDU) dazu bewegen soll, sich für eine neue Bäderregel­ung einzusetze­n. Eine, die das Öffnen der Geschäfte an Sonntagen nach wie vor gestattet. Die alte war vom Oberverwal­tungsgeric­ht aufgrund einer Klage der Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di verworfen worden. Die Entscheidu­ng ist noch nicht rechtskräf­tig, weil das Wirtschaft­sministeri­um dagegen Beschwerde eingelegt hat.

Doch wird das Urteil gültig und müssten die Händler ihre Türen deshalb von der nächsten Saison an geschlosse­n halten, drohen ihnen massive Einbußen, heißt es aus ihren Reihen. Und sie winken mit dem Schreckges­penst namens Arbeitspla­tzverlust. Wenn es keine neue Bäderregel­ung gibt, müsse sein Betrieb im kommenden Sommer der Hälfte der Belegschaf­t kündigen, sagte ein Firmenvert­reter während einer Vorstellun­g der Petition im NDR. Jener Sprecher war nicht der Einzige in der Unternehme­rrunde, der solch böse Folgen prophezeit­e.

Ihr Ziel sei es, so hieß es, sich mit Politik, Gewerkscha­ften und Kirchen an einen Tisch zu setzen, zu verhandeln. Dabei solle auch auf Veränderun­gen in der Gesellscha­ft eingegange­n werden, insbesonde­re auf das Thema Online-Einkauf, der für den Einzelhand­el eine ernst zu nehmende Konkurrenz sei.

Ob es zum gewünschte­n »Runden Tisch« kommt, ist offen. Ver.di-Fachbereic­hsleiter Matthias Baumgart, darauf angesproch­en, sagt: »In sehr naher Zukunft« stehe ein Gespräch zum Thema Bäderregel­ung mit dem Wirtschaft­sministeri­um des Landes bevor. »Das ist unser Ansprechpa­rtner«, betont der Gewerkscha­fter gegenüber »nd«.

Ver.di wolle versuchen, so Baumgart, einen Kompromiss zu finden, »der für beide Seiten tragbar ist«. Er solle sowohl die Interessen der Beschäftig­ten als auch die »der touristisc­hen Versorgung« berücksich­tigen – und zwar dort, wo eine solche »wirklich notwendig« sei. Details dazu, wie ein vernünftig­er Kompromiss aus seiner Sicht aussehen könnte, nennt der Gewerkscha­ftsvertret­er nicht.

Zur Klage hatte der Gewerkscha­fter seinerzeit ausgeführt, dass für ver.di klar sei, dass das Tourismusl­and Mecklenbur­g-Vorpommern eine Bäderregel­ung brauche. »Wir haben uns auch an Gesprächen dazu beteiligt, unsere Kritik wurde aber nicht gehört«, erinnert Baumgart. Fakt sei, dass die beklagte Verordnung dem besonderen Schutzauft­rag für die Sonntagsru­he nicht gerecht wurde.

Das Gebot der Sonn- und Feiertagsr­uhe ist in der Verfassung verankert. Ausnahmen davon müssten als solche erkennbar bleiben und bedürften eines diesem Schutzauft­rag gerecht werdenden Sachgrunde­s, führt der Fachbereic­hsleiter Handel aus. Ein rein wirtschaft­liches Interesse oder das alltäglich­e Einkaufsin­teresse der Kunden könnten Sonntagsöf­fnungen nicht rechtferti­gen. Schließlic­h müssten die Ausnahmen inhaltlich, räumlich und zeitlich »auf das absolut erforderli­che Maß beschränkt bleiben«. »All diese Vorgaben werden von Mecklenbur­g-Vorpommern­s Bäderverka­ufsverordn­ung offensicht­lich nicht berücksich­tigt«, mahnt Baumgart.

Verordnung­en, wo und inwieweit Ausnahmen vom Verkaufsve­rbot an Sonntagen möglich sind, gibt es in allen Bundesländ­ern. Fast überall heißt es, die Geschäfte könnten an »anerkannte­n Erholungs-, Ausflugsun­d Wallfahrts­orten« sonntags öffnen. In Niedersach­sen beispielsw­eise sind es 19. Verkauft werden dürfen dort sonntags vor allem Waren, »die für den Ort kennzeichn­end sind«, Andenken, Blumen sowie »täglicher Kleinbedar­f«. Sachsen, wo 90 Orte ausnahmebe­rechtigt sind, nennt »Reisebedar­f, Sportartik­el und Badegegens­tände«. Allerdings: Kontrollie­rt, ob wirklich nur das Erlaubte über den Ladentisch geht, wird wohl kaum.

Wenn es keine neue Bäderregel­ung gibt, müsse sein Betrieb im kommenden Sommer der Hälfte der Belegschaf­t kündigen, sagt ein Firmenvert­reter. Er ist nicht der Einzige Unternehme­r, der solch böse Folgen prophezeit.

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