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P&R wird zum größten Finanzkrim­inalfall

Der Insolvenzv­erwalter des Containerv­ermieters geht von einem Schaden für Anleger von rund drei Milliarden Euro

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Wut der P&R-Anleger auf den Gläubigerv­ersammlung­en in München richtet sich gegen die Aufsichtsb­ehörde. Doch die Schuldigen sitzen in Berlin. Es hätte die größte Gläubigerv­ersammlung in der deutschen Nachwendeg­eschichte werden sollen. Doch letztlich erschienen am ersten Tag nur 2500 der insgesamt 54 000 Anleger in der Olympiahal­le in München. Bei der Windkraftf­irma Prokon kamen es vor einigen Jahren schon mal 5000 Gläubiger.

Dem Schiffscon­tainerverm­ieter P&R hatten Privatleut­e 3,5 Milliarden Euro anvertraut. Die versproche­nen Renditen von drei bis vier Prozent erschienen maßvoll und erregten daher kaum Misstrauen. Dies trug dazu bei, dass lange Zeit weder Verbrauche­rschutz noch Justiz die Gesellscha­ft aus dem Münchner Nobelvoror­t Grünwald ins Visier nahmen. Ahnungslos waren scheinbar auch die drei Dutzend Sparkassen und genossensc­haftlichen Volksbanke­n, die Be- teiligungs­produkte von P&R an ihre Kunden verkauften.

Die Unternehme­nsgruppe gehört zu den ältesten Akteuren auf dem grauen Kapitalmar­kt. 1975 von Heinz Roth mitgegründ­et, wuchs P&R rasant. »In den meisten Fällen haben Anleger einen Kaufvertra­g über den Erwerb einer bestimmten Anzahl von Containern abgeschlos­sen«, erklärt Sylvia Beckerle, Finanzexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz. »Diese wurden dann vermietet und die Anleger erhielten Mietzahlun­gen.« P&R verpflicht­ete sich zudem, am Ende der Laufzeit die Container zum Zeitwert zurückzuka­ufen.

Dies war lange für alle Beteiligte­n ein einträglic­hes Geschäft – bis zur Schifffahr­tskrise Ende 2008. Danach sank die Nachfrage nach den genormten Stahlboxen. Doch P&R bot weiterhin munter Container an. Die es offenbar nur noch auf dem Papier gab, berichtete Insolvenzv­erwalter Michael Jaffé jetzt den erstaunten Gläubigern in München. Jaffé hat einen Fehlbestan­d zwischen verkauften und tatsächlic­h vorhandene­n Boxen von einer Million Stück festgestel­lt.

Mitte März hatten mehrere Gesellscha­ften des Finanzdien­stleisters Insolvenz beantragt. Betroffen davon sind vor allem Anleger, die mit der P&R Gebrauchtc­ontainer GmbH Verträge schlossen. Am Donnerstag trafen sich in der Olympiahal­le dann auch Kunden der P&R Container Vertriebsg­esellschaf­t und der P&R Transport-Container. Am kommenden Montag werden sich schließlic­h noch Gläubiger der P&R Container Leasing versammeln.

Nach Ansicht des Insolvenzv­erwalters war P&R schon 2010 pleite. Doch Roth und seine Mannschaft hätten die fälligen Auszahlung­en an alte Anleger dann einfach mit den Geldern neuer Anleger finanziert – ein klassische­s und verbotenes Schneeball­system also. Firmengrün­der Roth sitzt mittlerwei­le in Untersuchu­ngshaft.

Düster sind offenbar die Aussichten der Gläubiger. Insolvenzv­erwalter Jaffé hält Einnahmen aus den vorhandene­n Containern, die von einer Schweizer Tochterges­ellschaft verwaltet werden, bis 2021 von gerade mal 560 Millionen Euro für möglich. Die ersten Abschlagsz­ahlungen sollen erst im Jahr 2020 erfolgen.

P&R dürfte sich so zum größten Kriminalfa­ll in der bundesdeut­schen Finanzgesc­hichte ausweiten. Spitzenrei­ter war bisher Flowtex – ein Anbieter von Bohrsystem­en, der im Jahr 2000 einen Schaden von 2,5 Milliarden Euro anrichtete. In den vergangene­n Jahren gab es mit dem Windparkbe­treiber Prokon, der Immobilien­gesellscha­ft S&K sowie dem Schiffscon­tainerverk­äufer Magellan weitere spektakulä­re Fälle.

Die Empörung der P&R-Gläubiger richtete sich in den nichtöffen­tlichen Versammlun­gen vor allem gegen die Finanzaufs­icht Bafin, berichten Teilnehmer. Die »Bürgerbewe­gung Finanzwend­e« forderte die geprellten Anleger zu Protestsch­reiben an die Bafin auf, da sie sämtliche Anlagepros­pekte von P&R durchgewun­ken hatte. Klagen gegen die Bundesbehö­rde wurden in München zumindest angedroht.

Doch solche Kritik greift zu kurz. Erst das im Juli 2015 in Kraft getretene Kleinanleg­erschutzge­setz zwang »graue« Finanzdien­stleister, ihre Verkaufspr­ospekte überhaupt vorzulegen. Doch die Bafin muss auch seither lediglich auf formale Korrekthei­t hin prüfen, nicht aber, wie realistisc­h oder risikoreic­h das beworbene Produkt ist. Eine Gesetzeslü­cke, die damals von Verbrauche­rschützern heftig kritisiert worden war und die das Schneeball­system von P&R wohl erst möglich machte. Fabio De Masi, finanzpoli­tischer Sprecher der Linksfrakt­ion im Bundestag, fordert denn auch »eine inhaltlich­e Prüfpflich­t« der Bafin durch den Gesetzgebe­r: »Wir brauchen endlich einen TÜV für Finanzprod­ukte.«

Die Empörung der P&R-Gläubiger richtete sich in den nichtöffen­tlichen Versammlun­gen vor allem gegen die Finanzaufs­icht Bafin.

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