Allergisch gegen die Leibspeise
Ein Ameisenigel in Australien bekommt geschwollene Augen, wenn er Ameisen verzehrt
Ameisenigel kommen nur in Australien und Neuguinea vor. Die Hauptnahrung der Tiere besteht – wie ihr Name schon verrät – aus Ameisen. Was nur, wenn man genau darauf allergisch ist?
Von Barbara Barkhausen, Sydney
Matilda ist ein Ameisenigel und lebt in Australien. Zu etwas Besonderem macht sie alleine schon der Fakt, dass die Tiere neben den Schnabeltieren die einzigen eierlegenden Säugetiere der Welt sind. Matilda ist jedoch selbst für ihre Spezies ungewöhnlich: Denn anders als die meisten ihrer Artgenossen ist sie ziemlich neugierig und anhänglich. Außerdem ist sie allergisch auf Ameisen – dummerweise das Hauptnahrungsmittel von Ameisenigeln.
In der freien Natur wäre Matildas Leben wohl relativ erbärmlich, doch der Schnabeligel hatte Glück im Unglück. Denn Matilda lebt im Healesville Sanctuary im australischen Bundesstaat Victoria. Dorthin war sie einst als sogenannter »Puggle« (Igelbaby) gebracht worden, als sie erst drei Monate alt und wenige hundert Gramm schwer war. »Ein Baggerfahrer hat sie aus Versehen ausgegraben«, sagte Annie Hindson, eine Tierpflegerin in dem Zoo, der etwa 65 Kilometer nordöstlich von Melbourne liegt.
Zunächst lief noch alles nach Plan. Die Tierpfleger übernahmen die Mutterrolle und päppelten Matilda auf. Doch als der Ameisenigel zwei Jahre alt war, fielen den Pflegern einige ungewöhnliche Reaktionen auf. »Sie hatte geschwollene Augen, die ganz rot waren, wund aussahen und so, als ob sie schmerzen würden.«
Schnabeligel sind grundsätzlich relativ anfällig: Sie können an verschiedenen Arten von Dermatitis lei- den, die normalerweise von Parasiten wie Zecken, Milben oder Läuse ausgelöst werden. Auch traumatische Ereignisse wie ein Hundebiss oder ein Autounfall können Irritationen auslösen. All diese Möglichkeiten durchdachten die Tierärzte im Zoo und experimentierten mit Bädern und Antibiotika. Als nichts anschlug, wollten die Ärzte auf Nummer sicher gehen und noch einen Allergietest machen.
»Selbst als wir den Allergentest gemacht haben, haben wir nicht an Ameisen gedacht«, sagte Claire Madden, die Tierärztin des Zoos dem »Guardian«. »Aber wir haben sie dann doch mit hineingeworfen, weil sie ja jeden Tag mit ihr in Berührung kommen.« Und dann sei der Test zurückgekommen und habe gezeigt, dass sie tatsächlich allergisch auf Ameisen ist. »Es war ein kleiner Schock für uns.« Außerdem stellte sich heraus, dass der Ameisenigel auch auf einige australische Pflanzenarten allergisch reagierte.
Matilda war somit auf ihr Hauptnahrungsmittel und einen Großteil ihrer Umwelt allergisch – eine schier unlösbare Situation. Bisher hatten die Ärzte noch nie einen Ameisenigel gesehen, der auf Ameisen allergisch war. Ob Matildas »Spezialität« genetisch bedingt ist oder durch die frühe Trennung von der Mutter ausgelöst wurde, darüber können die Zooangestellten nur rätseln.
Die Wissenschaft löste Matildas Misere schließlich. Forscher entwickelten einen individuellen Impfstoff für sie, der spezifische Allergenbestandteile isolierte und Matilda in kleinen Dosen verabreicht wurde, um ihr Immunsystem aufzubauen. So wurde sie dem Allergen ausgesetzt, um eine Reaktion ihres Immunsystems auszulösen, aber nicht so sehr, dass eine Nebenwirkung verursacht wurde. Insgesamt dauerte die Behandlung vier Jahre, doch heute geht es dem Schnabeligel wieder ausgezeichnet. So gut sogar, dass die Igeldame in das Brütprogramm des Zoos aufgenommen werden soll.
Damit könnte allerdings der nächste zähe Kampf für Matilda starten. Denn das Paarungsritual der Tiere ist nicht ganz unkompliziert. Während des Balzverhaltens folgen mehrere Männchen dem Weibchen über Stunden hinweg. Das Weibchen marschiert voraus, die Männchen hintendran, wie eine Schlange, die auf den Bus wartet. Doch statt des Busses erhoffen sich die Männchen, dass zumindest eines von ihnen zum Zug kommen und das Weibchen befruchten darf.
Damit würde zumindest ein wenig Normalität in Matildas Leben einkehren. Denn eines wird sie nie können: In der freien Natur leben. Dazu habe sie sich leider schon zu sehr an all die Helfer gewöhnt, die sich in den vergangenen Jahren liebevoll ihrer angenommen haben, heißt es vonseiten des Zoos.