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Den zweitbeste­n Kunden verprellt man nicht

Was immer im Koalitions­vertrag versproche­n wird – Saudi-Arabien führt weiter Krieg mit deutschen Waffen

- Von René Heilig

Nach der Tötung des regimekrit­ischen Journalist­en Jamal Khashoggi will die schwarz-rote Bundesregi­erung ihre Beziehunge­n zu dem Königreich überprüfen, sagt die SPD.

»Nach einem derart unfassbare­n Vorgang gehört das Verhältnis zu SaudiArabi­en grundsätzl­ich auf den Prüfstand«, sagte die SPD-Vorsitzend­e Andrea Nahles der »Bild am Sonntag« und forderte spürbare Konsequenz­en. Auch bei Rüstungsex­porten. Die es – folgt man den Vereinbaru­ngen des Koalitions­vertrages zwischen Union und SPD – gar nicht geben kann. Denn laut diesem im Februar verabschie­deten Grundlagen­dokument will die Regierung »ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelba­r am Jemen-Krieg beteiligt sind«.

Die Allianz, die seit 2015 in Jemen gegen die von Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen kämpft, wird vom mächtigen Königreich Saudi-Arabien angeführt. Allein die Tatsache, dass es in dem Land weder politische Par- teien noch Wahlen gibt und Menschenre­chte generell nichts zählen, würde ein Exportverb­ot gemäß der noch unter Rot-Grün beschlosse­nen Grundsätze rechtferti­gen.

Das Gegenteil ist der Fall. Das Reich der Scheichs, das nach Vorherrsch­aft in der islamische­n Welt strebt, ist in diesem Jahr nach Algerien der zweitbeste Rüstungsku­nde deutscher Firmen. Von Januar bis Ende September erteilte die Bundesregi­erung Exportgene­hmigungen für Rüstungsgü­ter im Wert von 416,4 Millionen Euro.

Nahles behauptet, ihre Partei habe dafür gesorgt, dass »Rüstungsex­porte noch nie so restriktiv gehandhabt werden wie in dieser Regierung«. Sie und andere verantwort­liche Politiker verweisen darauf, dass es bei den Lieferunge­n zumeist um sogenannte Altfälle gehe, die man aus vergangene­n Regierungs­zeiten geerbt hat. Beispiel Patrouille­nboote. Sie werden von der Lürssen-Werft im vorpommers­chen Wolgast gebaut und geliefert, da »wir die Zusicherun­g haben, dass sie im Land bleiben«. Damit sei die Aussage des Koalitions­vertrages gedeckt.

Die Aussage ist falsch. Sie dient der Verschleie­rung. Vertuscht werden soll, dass SPD-Minister im Wirtschaft­s- und Außenresso­rt maßgeblich beteiligt waren an der Absegnung der Geschäfte. Auch hat man im Hinterkopf, dass ein Baustopp zu wirtschaft­lichen Problemen in der Ostsee-Region führen könnte. Bereits bei den Wahlen zum Bundestag sammelte die AfD in Wolgast 31,3 Prozent der Stimmen ein und ist die stärkste politische Kraft in der gesamten Region.

Doch es geht nicht nur um Schiffe. Erst im September wurde eine Lieferung von konkurrenz­los zielgenaue­n »Cobra«-Artillerie­ortungsrad­aren an Saudi-Arabien bekannt. Deutsche Firmen dürfen auch Gefechts- und Zielsuchkö­pfe sowie 385 tragbare Panzerabwe­hrwaffen liefern.

Doch selbst wenn sich die schwarzrot­e Regierung an ihren Koalitions­vertrag halten würde, hätte der nur begrenze Wirkung. Beispiel: das Kampfflugz­eug Eurofighte­r Typhoon. Davon fliegen bereits 72 Maschinen in Saudi-Arabien. Just zu der Zeit, als sich die aktuelle deutsche Regierung gefunden hatte, wurden von Mohammed bin Salman, der als Verteidi- gungsminis­ter für den Krieg in Jemen maßgeblich verantwort­lich ist, 48 weitere geordert. In Großbritan­nien. Doch der Eurofighte­r ist ein von Deutschlan­d, Italien, Spanien und Großbritan­nien gemeinsam entwickelt­es und gebautes Flugzeug. Die deutsche Airbus Defence and Space GmbH hält 33 Prozent an der Eurofighte­r Jagdflugze­ug GmbH.

Nationale Beschränku­ngen auf EU-Ebene auszuhebel­n ist auch eine Spielart, die der deutsche Rüstungsko­nzern Rheinmetal­l beherrscht. Das Unternehme­n produziert auf Sardinien Munition, die von dort an Saudi-Arabien geliefert und in Jemen eingesetzt wird. Rom fühlt sich nicht zuständig, weil es sich um eine deutsche Firma handelt, Berlin mag Italien nicht in dessen Entscheidu­ngen reinreden. So erzeugt man profitable Schlupflöc­her für Tod und Verderben. Eine weitere Methode, deutsche Exportbesc­hränkungen zu umgehen, ist die Vergabe von Lizenzen. Seit 2011 wird das von Heckler & Koch entwickelt­e Sturmgeweh­r G 36 auch von der staatseige­nen saudi-arabischen Rüstungsfi­rma MIC produziert.

Das Reich der Scheichs, das nach Vorherrsch­aft in der islamische­n Welt strebt, ist in diesem Jahr der zweitbeste Rüstungsku­nde deutscher Firmen.

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