nd.DerTag

Einigkeit und Recht und Meinungsfr­eiheit

Christoph Ruf über zwei tolldreist­e Dickköpfe beim FC Bayern und die Schattense­iten der Münchner Macht

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Es ist doch schön, wenn sich die Menschen einmal so einig sind, wie sie es seit dem vergangene­n Freitag sind: Die soap opera, die die beiden Bayern-Bosse und der Praktikant, der zwischen ihnen saß, da aufgeführt haben, war nicht nur an Lächerlich­keit nicht mehr zu überbieten. Sie war auch ein klassische­s Eigentor. Selbst eingefleis­chte Fans der Münchner schütteln seither nur noch den Kopf über den tolldreist­en Versuch von Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge und Präsident Ulrich Hoeneß, die Berichters­tattung in ihrem Sinne zu beeinfluss­en.

Was Hasan Salihamidz­ic mit seinem Kopf macht, ist derweil nicht so recht überliefer­t. Der Mann war als Spieler ein netter Kerl, manch cleveres Bonmot ist überliefer­t. Wie viel er beim FC Bayern als Sportdirek­tor zu melden hat, hat man am Freitag gesehen. Da wollte er einmal etwas sagen, doch Rummenigge fiel ihm umgehend ins Wort. In solch einem Binnenklim­a arbeiten zu müssen, ist nicht schön. Das erinnert an die rotgrüne Koalition, in der der damalige Innenminis­ter Otto Schily über die Staatssekr­etärin in seinem Ministeriu­m sagte: »Schiffstau­fen kann sie gut.« Wie gut, dass es von München aus so weit zum Meer ist.

Es gibt ja viele gute Gründe, Twitter beim Durchdrehe­n zu ignorieren. Seit Freitag gibt es dort allerdings einige sehr lustige Verballhor­nungen der drei zu sehen. Und auch die klassische­n Medien haben sie zu Schönem und Lustigem inspiriert. Dass die »taz« den FC Bayern trotz beträchtli­chem Punkterück­stand auf Platz eins ihrer Tabelle setzte, war großartig. Das hätte wohl sogar den Pressespre­cher der Bayern belustigt – wenn der Rekordmeis­ter einen hätte. Eine Kommunikat­ionsabteil­ung, die ihre Arbeit versteht, hätte diesen peinlichen Auftritt jedenfalls zu verhindern gewusst. Oder hat sie es womöglich probiert und ist beim Versuch, mit Argumenten durchzudri­ngen, an den beiden Dickköpfen gescheiter­t?

So könnte es gewesen sein. Denn bei Menschen, die Fußballer, die bei anderen Vereinen spielen, mit Fäkalausdr­ücken (»spielt Scheiße«, »spielt einen Dreck«) charakteri­sieren und sich nicht schämen, für so etwas Banales wie die Berichters­tattung über ihren Verein Artikel eins des Grundgeset­zes in Anspruch zu nehmen, kommt wohl jedes Zureden zu spät. Die führen auch Begriffe wie »Moral« und »Anstand« im Mund, wenn sie selbst wegen Steuerhint­erziehung verurteilt wurden.

Bliebe die Frage, was ursprüngli­ch die Absicht hinter der unfreiwill­igen Selbstdema­skierung der BayernFühr­ungsebene gewesen sein könnte. Hatte man gehofft, Journalist­en einschücht­ern zu können? Indem man sie namentlich nennt und Ihnen das ungeheure Verbrechen vorwirft, sie hätten den Verdacht nahegelegt, die Angestellt­en Arjen Robben und Franck Ribéry seien so jung wie Mats Hummels schnell ist? Ging es um ei- ne Nebelkerze, um die Aufmerksam­keit von Trainer Niko Kovac und der Mannschaft abzulenken? Oder wollte man einfach ein bisschen Rabatz machen, um danach anzukündig­en, dass man künftig überhaupt nicht mehr mit Journalist­en spricht, die journalist­ische Fragen stellen. Sondern nur noch mit den Mikrofonen der drei eigenen TV-Kanäle, bei denen man die Kommunikat­ion natürlich merklich besser steuern kann?

Am wahrschein­lichsten ist eine Mischung aus all dem, gut verrührt mit einem Schuss jener Eigenschaf­t, die von Madonna bis Helmut Kohl noch jeden befallen hat, der sich zu lang auf der Sonnenseit­e der Macht wähnte: grassieren­den Realitätsv­erlust. Mit kritischer Berichters­tattung haben sie alle ein Problem. Wen kann es da wundern, dass das auch auf einen Verein zutrifft, der sich noch nie substanzie­ll dazu geäußert hat, wie es sein kann, dass er auf der einen Seite das Andenken an seinen jüdischen Ex-Präsidente­n Kurt Landauer in Ehren hält, auf der anderen Seite aber gut dotierte Testspiele in SaudiArabi­en durchführt. In einem Land, in das israelisch­e Staatsbürg­er nicht einreisen dürfen und aus dessen Botschafte­n missliebig­e Journalist­en nicht mehr lebend herauskomm­en.

Man darf gespannt sein, wie sich die Fan-Community der Münchner Bayern in den kommenden Tagen verhält. Besonders in der Südkurve gibt es dort ja einige helle Köpfe. Nicht gespannt braucht man hingegen auf das mediale Echo zu sein. Was im echten Leben so gut wie nie vorkommt, nämlich eine völlig einhellige Meinung bei allen relevanten Medien von »Bild«, »Welt« über »FAZ« und »SZ« bis zur »taz« und dem »nd« – das haben nun Rummenigge und Hoeneß geschafft. Schön, wenn sich Menschen so einig sind.

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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