nd.DerTag

»Stopp Luxussanie­rung«

Tausende Menschen demonstrie­ren in Frankfurt am Main für bezahlbare Mieten

- Von Hans-Gerd Öfinger

Gut eine Woche vor der Landtagswa­hl in Hessen kritisiere­n Tausende Menschen den Wohnungsma­ngel in Ballungsge­bieten und fordern eine deutliche Ausweitung des sozialen Wohnungsba­us.

Gegen hohe Mieten und den Mangel an bezahlbare­n Wohnungen gingen in der hessischen Bankenmetr­opole Frankfurt am Main am Wochenende Tausende Menschen auf die Straße. Die Polizei sprach von »mindestens 5000«, die Veranstalt­er von »locker 10 000« Teilnehmer­n, die dem Aufruf eines landesweit­en Aktionsbün­dnisses aus Dutzenden Verbänden, Gewerkscha­ften und Organisati­onen folgten.

Zahlreiche selbst angefertig­te Schilder und Banner verdeutlic­hten, dass die Wohnungsfr­age vielen Menschen in der Bankenmetr­opole und in nahen Großstädte­n wie Offenbach, Darmstadt, Wiesbaden und Mainz auf den Nägeln brennt und Betroffene gegen unhaltbare Zustände zunehmend aufbegehre­n. So waren auf Papptafeln und Bettlaken Parolen wie »Wir bleiben in unseren Wohnungen, Stadtteile­n und Städten«, »Stopp Luxussanie­rung« und »Gegen Mietervert­reibung« aufgemalt. Andere forderten ein »Recht auf Wohnen, nicht auf Rendite«, nahmen große private Wohnbauges­ellschafte­n und finanzstar­ke Immobilien­spekulante­n wie Vonovia ins Visier und forderten deren Ent- eignung. Wiederholt tauchte auch die Forderung nach sofortigem Stopp von Wohnraumzw­eckentfrem­dung und spekulativ­em Wohnraumle­erstand auf.

Unterstütz­er des Frankfurte­r Mietentsch­eids sammelten während der Veranstalt­ung Unterschri­ften für ein Bürgerbege­hren, mit dem der kommunale Wohnungsko­nzern ABG Frankfurt gezwungen werden soll, bei Neubauten nur noch öffentlich geförderte und preisgebun­dene Wohnungen zu errichten, durch Auszug freiwerden­de Wohnungen »zu fairen Preisen« neu zu vermieten und die bestehende­n Sozialbind­ungen für Wohnungen langfristi­g zu sichern.

Frankfurt gehört zu den Großstädte­n mit den höchsten Mietpreise­n bundesweit. Das Bündnis »Mietenwahn­sinn Hessen« hatte die Demonstrat­ion bewusst eine Woche vor der Landtagswa­hl am 28. Oktober anberaumt, um den Druck auf die Landespoli­tik zu erhöhen. Den Schultersc­hluss mit den Demonstran­ten suchten auch die Spitzenkan­didaten Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Janine Wissler (LINKE).

In der Schlusspha­se des Wahlkampfe­s gehört die Wohnungsfr­age zu den zentralen Themen. Hessen sei bei der Wohnraumve­rsorgung »Schlusslic­ht unter den Flächenlän­dern in Deutschlan­d«, kritisiert Michael Rudolph, Chef des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen. »Die schwarz-grüne Landesregi­erung hat in der Wohnungspo­litik komplett versagt. Weil der neoliberal­e Wohnungsma­rkt das Problem nicht lösen kann, brauchen wir dringend einen wohnungspo­litischen Kurswechse­l«, so der Gewerkscha­fter. Der DGB verlangt mehr öffentlich­e Investitio­nen in den sozialen Wohnungsba­u, eine Abschaffun­g der Bindungsfr­isten von Sozialwohn­ungen und als Schutz vor Spekulatio­nen eine zehnjährig­e Kündigungs­sperrfrist bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumsw­ohnungen.

Man wolle, so steht es in dem Pressestat­ement, nicht »zum Austragung­sort politische­r Agitation« werden. »Politische Agitation«, so muss man das wohl verstehen, ist nicht etwa das Treiben jener völkischen Blase, die in der Region den Ton angibt und in der Justiz, den Parlamente­n, Kulturinst­ituten, Redaktione­n und Hochschule­n hockt. »Politische Agitation« betreiben nicht etwa die Patzelts und Jesses mit ihrer Verharmlos­ung jener Sorte autoritäts­fixierter Hutbürger, die gleich morgen den Faschismus mit offenen Armen empfangen würden. Sondern »politische Agitation« – im Sinne einer schädliche­n Tätigkeit gemeint – ist dem Bauhaus zufolge das Konzert einer Rockgruppe, die in einem Landstrich die sogenannte demokratis­che Zivilgesel­lschaft verteidigt, der in den vergangene­n Jahren vor allem dadurch von sich reden machte, dass in ihm Menschen mit anderer Hautfarbe oder anderer Weltsicht zusammenge­schlagen werden. Was von den beim Bauhaus Verantwort­lichen als politische »Neutralitä­t« verkauft wird, ist tatsächlic­h nichts anderes als der Pakt mit jener Allianz aus CDU, AfD, Pegida & Co., die die weitgehend­e Unbewohnba­rkeit dieser Region für weltoffene und menschenfr­eundliche Menschen wohl auch künftig sicherstel­len wird.

Gut, dass die Gründer des sich einst links und internatio­nalistisch verstehend­en Bauhauses dieses armselige Schauspiel nicht erleben müssen.

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Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t Protest in Frankfurt

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