Merkel für Gesetz gegen Fahrverbote
Kritik an neuem CDU-Vorstoß im Dieselskandal / Verbraucherschützer klagen auf Schadenersatz
Während auch in Mainz ein Urteil zu Dieselfahrverboten ansteht und Verbraucherschützer den VW-Konzern verklagen wollen, möchte die CDU die Schadstoffgrenzwerte aufweichen. An diesem Mittwoch urteilt erneut ein Verwaltungsgericht über die Frage, ob eine deutsche Großstadt Dieselfahrverbote zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft einführen muss. Diesmal geht es um Mainz, geklagt hatte wieder die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Der Oberbürgermeister der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt, Michael Ebling (SPD), wies am Montag auf die bereits erfolgten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität hin und erklärte, ein Verbot würde die Mobilität massiv einschränken und das Problem mit der Luftqualität nicht lösen. Unter- stützung kam von der örtlichen Wirtschaft: Sie warnte davor, dass 80 bis 90 Prozent der Fahrzeuge von Handwerksbetrieben von einem Fahrverbot betroffen wären.
Gerichte hatten bereits für Stuttgart, Berlin und Frankfurt am Main Fahrverbote gefordert. Umgesetzt wurden sie noch nicht, denn sie sind extrem unpopulär. In Hessen, wo am kommenden Sonntag gewählt wird, spielt dies auch im Landtagswahlkampf eine wichtige Rolle. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nun angekündigt, die Verhängung von Diesel-Fahrverboten per Gesetz zu erschweren. Ihre Partei glaube, dass Fahrverbote in der Regel »nicht verhältnismäßig« seien, wenn die Grenzwerte für Stickstoffdioxid nur in geringem Umfang überschritten werden, sagte sie am Sonntagabend nach einer Sitzung der CDU-Spitzengremien.
Laut Merkel gibt es in 51 deutschen Städten lediglich geringfü- gige Grenzwertüberschreitungen. Hier reichten bereits beschlossene Maßnahmen zur Luftverbesserung aus. Lediglich in 14 weiteren Städten müsse mehr getan werden.
Scharfe Kritik an dem Vorstoß kam von Umweltschützern und Konzernkritikern: Die Ankündigung, den Grenzwert aufzuweichen, sei ein »nicht durchsetzbares Wahlkampfversprechen«, kritisierte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er geht davon aus, dass der Bundestag dies als rechtswidrig verweigern werde. Ansonsten würden nationale Gerichte diesen Bruch des Europarechts als »nicht anzuwenden« einstufen. Die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ingrid Remmers, sagte: »Die Bundesregierung muss aufhören, nur den Interessen der Autoindustrie zu folgen. Notwendig bleibt die technische Nachrüstung.«
Ungemach droht den Autoherstellern derweil von anderer Seite: Am 1. November will der Verbraucherzentrale Bundesverbands eine erste Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig einreichen. Mehrere Zehntausend Besitzer manipulierter und von Pflichtrückrufen betroffener Dieselfahrzeuge von vier Marken des VWKonzerns dürften sich dieser anschließen, meinen die Anwälte des Verbands. Sie hoffen, dass die Richter in dem Verfahren den betroffenen Kunden grundsätzlich ein Recht auf Schadenersatz zusprechen.
»Die Regierung muss aufhören, nur den Interessen der Autoindustrie zu folgen.« Ingrid Remmers, LINKE
Das ist eine bestechende Logik, die Angela Merkel in ihrer Rolle als CDUChefin an den Tag legt. In der Frage, was zu tun ist, um einen in vielen Städten seit Jahren anhaltenden Gesetzesverstoß zu unterbinden, lautet die Lösung: diesen weitgehend legalisieren. Es geht natürlich nicht um Cannabiskonsum, sondern die Interessen einer Schlüsselindustrie und um der Deutschen liebstes Kind: das (Diesel-)Auto. Offenbar ist es für die CDU eine Lappalie, dass Anwohner vielbefahrener Straßen mit einem überhöhten Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen leben müssen. Einfach den EU-weit vorgeschriebenen Grenzwert ignorieren – und weiter fahren!
Merkels Schnapsidee hat nichts mit der Realität zu tun. Es ist unwahrscheinlich, dass sie dafür eine Mehrheit findet. Und wenn, dann wird ein solches Gesetz von deutschen oder europäischen Gerichten kassiert. Der CDU-Chefin geht es darum, die Chancen ihrer Partei bei der Landtagswahl in Hessen zu verbessern, denn in Frankfurt drohen Fahrverbote. Schlimmer ist die Botschaft: Für die Gesundheit der Bürger wichtige Grenzwerte sollen nicht etwa deutlich unterschritten werden, sondern es sind für Merkel vage Orientierungsgrößen. Und sie gibt den Konzernen das Signal, dass nicht sie in der Pflicht sind, den zu hohen Schadstoffausstoß ihrer Fahrzeuge zu senken. Kurzum: Die Luft soll so dick bleiben wie eh und je.