Grenzpolizei in Bayern rechtswidrig
CSU-Landesminister widerspricht juristischem Gutachten
Berlin. Die Schaffung der neuen Bayerischen Grenzpolizei ist grundgesetzwidrig. Diese Auffassung vertreten zwei Rechtswissenschaftler in einem Gutachten. Sie verfassten ihre Stellungnahme im Auftrag der GrünenBundestagsfraktion, die sie am Montag auf ihrer Webseite veröffentlichte. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem Brief auf, umgehend die Zusammenarbeit der Bundespolizei mit der Landesbehörde des Freistaats zu beenden.
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums wollte sich nicht zum Inhalt der Stellungnahme äußern, betonte am Montag aber, die Kooperation der Bundespolizei mit Bayern sei »nach unserer Auffassung« rechtskonform. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) widersprach den Gutachtern. Die »unmittelbaren Kontrollen unserer bayerischen Polizisten an der Grenze zu Österreich« seien »verfassungs- und europarechtlich einwandfrei«, sagte er am Montag in München.
Juristen bestätigen: Der Freistaat verstößt mit der Schaffung der neuen Behörde gegen das Grundgesetz. Grüne fordern Innenminister Seehofer auf, die Kooperation der Bundespolizei mit ihr einzustellen. Die Auskunft ist wenig überraschend, denn juristische Bedenken waren bereits vor Arbeitsbeginn der neugegründeten Bayerischen Grenzpolizei Mitte Juli laut geworden. Jetzt haben zwei Fachleute in einem von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenen Gutachten bestätigt: Der Behörde wurden rechtswidrig Aufgaben übertragen, für die allein die Bundespolizei zuständig ist. Die Antwort des Bayerischen Staatsministeriums des Innern auf eine »nd«-Anfrage zeigt zudem, dass die mit bislang 500 Beamten ausgestattete Grenzpolizei von Juli bis Ende September lediglich 180 »unerlaubte Einreisen« aufgedeckt hat.
Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) wies die Einschätzung der Juristen am Montag als unzutreffend zurück. Die Kontrollen der bayerischen Polizisten seien »verfassungs- und europarechtlich einwandfrei«, sagte er in München. Herrmann sprach von 203 von den Landesbeamten seit Juli aufgedeckten unerlaubten Einreisen. Seit Jahresbeginn seien es knapp 2500 gewe- sen. 231 Schleuser seien gefasst worden.
Die Rechtswissenschaftler Sophie Schönberger und Thorsten Kingreen betonen in ihrer Expertise, die die Grünen-Fraktion am Montag auf ihrer Webseite veröffentlicht hat, die Schaffung der Behörde untergrabe die »föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes«. Die bayerischen Bestimmungen berührten daher »das Verfassungsgefüge der Bundesrepublik«. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem am Sonntag versandten Schreiben auf, umgehend die Zusammenarbeit der Bundespolizei mit Bayerns Grenzschützern einzustellen. Darüber hinaus weist sie den Minister darauf hin, dass Grenzkontrollen auch in Verantwortung des Bundes »gegen Europarecht verstoßen«. Die Kontrollen waren unter Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) im Herbst 2015 eingeführt worden, nachdem Hunderttausende Menschen über die Balkanroute nach Deutschland gekommen waren. Der Schengener Vertrag sieht die Abschaffung der Kontrollen an den EU-Binnengrenzen vor. Diejenigen an der deutsch-österreichischen Grenze hat Innenminister Seehofer vor zwei Wochen erneut bis Mitte Mai 2019 verlängert.
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte am Wochenende gegenüber den Zeitungen der Funke- Mediengruppe betont, das könne »nicht ewig« so weitergehen. Für einen funktionierenden Binnenmarkt müsse man »die EU-Außengrenze schützen«, die Binnengrenzen aber offenhalten. Der rigiden Abschottung des Bündnisses nach außen stimmen auch in der im Bund mitregierenden SPD die meisten Politiker zu.
Die Union erteilte Barleys Forderung postwendend eine Abfuhr. Ein Ende der Kontrollen sei erst möglich, wenn der Außenschutz »wirksam gesichert« werden könne, was aktuell nicht der Fall sei, sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), gegenüber der »Welt«. Aus Sicht des CSU-Politikers sind die Kontrollen ein Erfolg.
Der bayerische SPD-Politiker Horst Arnold betonte unterdessen, für ihn sei es gar nicht die Hauptfrage, ob die Grenzpolizei des Freistaats verfassungsmäßig ist. »Hier reicht schon die Vernunft als Maßstab aus, sagte der Vizevorsitzende der SPD-Landtags- fraktion am Montag in München. Denn die »Umetikettierung« von Schleierfahndern bringe keine höhere Sicherheit.
Ziel der Bayerischen Grenzpolizei ist nach Angaben des Münchner Innenministeriums gegenüber dieser Zeitung »insbesondere die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration durch intensive Schleierfahndung«. Wie viele von den durch die Landesbeamten aufgegriffenen »unerlaubt« Eingereisten in ein anderes EU-Land zurückgewiesen wurden, konnte Ministeriumssprecher Michael Siefener nicht sagen. Diese Personen seien der Bundespolizei überstellt worden, weshalb beim Ministerium keine Statistik darüber vorliege. Menschen, die bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt haben, können im Rahmen von Vereinbarungen mit Griechenland, Italien und Spanien dorthin zurückgeschickt werden.
Keine Angaben machte das Ministerium darüber, wieviele Menschen im Rahmen der Schleierfahndung kontrolliert worden sind. Doch die »Trefferquote« im Verhältnis zu den »verdachtsunabhängigen« Personenüberprüfungen dürfte hier ähnlich niedrig sein wie bei der Bundespolizei. Eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag vom Mai hatte ergeben, dass 2017 lediglich in 2,3 Prozent der Fälle Gesetzesverstöße oder eine Straftat festgestellt wurden.
»Bayerns Grenzpolizei hat 203 unerlaubte Einreisen aufgedeckt.« Landesinnenminister Joachim Herrmann