nd.DerTag

Traumatisi­ert, aber lebensfroh

Wie sich Amad Ahmads Freunde an den ums Leben gekommenen syrischen Kurden erinnern

- Von Dennis Pesch

Der Kurde Amad Ahmad starb an den Folgen eines Feuers in seiner Zelle. Die Umstände sind ungeklärt, und auch über den Toten weiß man nicht viel. Er war ein ganz normaler Typ, erinnern sich Freunde. Filiz und vier weitere Freunde sitzen auf einer Betonbank im Nierspark in Geldern. Neben ihnen spritzt Wasser aus einigen Fontänen in einen großen Brunnen. Kinder spielen an diesem Platz, andere trinken Bier und unterhalte­n sich. Filiz saß mit ihren Freunden und Amad oft hier, sie rauchten gemeinsam Shisha, verbrachte­n ihren Sommer im Park und am Baggerloch. Amads Freunde sind tief erschütter­t, traurig und wütend über den Tod des 26-jährigen Kur- den, der erst bei der Polizei verwechsel­t, zu Unrecht inhaftiert wurde, dann im September in einer Zelle der JVA Kleve in einen Brand geriet und zwei Wochen später im Krankenhau­s seinen Verletzung­en erlag.

Zu fünft sind sie in den Park gekommen, um von Amad zu erzählen. Über zwei Jahre lebte er in einer Asylunterk­unft, bis er in die JVA kam. Der Kurde floh vor dem sogenannte­n Islamische­n Staat, suchte hier Schutz und fand Anschluss in Geldern. »Er hat intensiv am Leben teilgenomm­en, gerne Fußball gespielt und versucht, Deutsch zu lernen. Er war von morgens bis abends draußen«, erinnert sich Filiz. Sie hat eine Tochter. Amad hat im Sommer oft mit ihr getobt, hatte sie auf dem Arm. Kennen gelernt hat sie ihn in einem Dönerimbis­s, wo sie häufig essen geht. Amad arbeitete dort zwischenze­itlich und brachte ihr das Essen zum Tisch. »Anfangs war er zurückhalt­end und eher schüchtern«, erzählt Filiz. Er konnte nicht so viel Vertrauen fassen, aber sie lernten sich mit der Zeit besser kennen.

Einer der Freunde ist auch Kurde, weshalb er und Amad überhaupt ins Gespräch kamen. »Ich habe ihn sehr schnell ins Herz geschlosse­n. Er war so wie wir, lebensfroh eben. Und er wollte viel Spaß haben, den hatten wir dann auch«, sagt er. Aber Amad hatte auch Probleme. Mit einem Trauma, dass er im Krieg in Syrien erlitten hatte. Seine Narben, die in den Berichten des Justizmini­steriums erwähnt werden, soll er bekommen haben, als er drei Jahre in Syrien in Haft war, sagen seine Freunde. Dem 26-Jährigen fiel es schwer, darüber zu sprechen, konkret zu sagen, was ihm zu schaf- fen machte. Vorschläge, sich therapeuti­sche Hilfe zu suchen, schlug Amad meistens aus. »Er wollte hier in Frieden leben. Vom Krieg wollte er einfach nichts mehr hören und sehen«, sagt der junge Mann.

Er erinnert sich daran, dass Amad ständig versuchte, alle zum Lachen zu bringen: »Ihm war es wichtiger, dass du lachst, als dass er lacht. Er war ein witziger Typ«. Manchmal haben die beiden kurdische Musik gehört, da wurde Amad dann sentimenta­l. Die beiden waren mit anderen Freunden, die teilweise in der gleichen Unterkunft in Geldern lebten, oft am Baggerloch. »Schwimmen, Grillen, was Leute halt so machen«. Auch dem einen oder anderen Joint war Amad nicht abgeneigt. Dass ihm das von der Landesregi­erung nun zur Last gelegt wird, verstehen seine Freunde nicht: »In Deutschlan­d kiffen doch viele Menschen«, sagt Filiz.

Dass Amad selbst das Feuer in seiner Zelle gelegt oder sich umgebracht haben soll, kann sich von den fünf keiner vorstellen. Gedanken an Selbstmord habe Amad nie geäußert. Ihm habe das Trauma zwar zu schaffen gemacht, aber meistens haben sie Amad fröhlich und lebensfroh erlebt. »Ihm hat es hier gut gefallen. Er war froh, dass er sicher leben kann und wollte sich etwas aufbauen«, sagt Filiz, die rund fünf Monate mit Amad verbrachte. Eine Szene ist einem von ihnen noch gut in Erinnerung. Am Baggerloch diskutiert­en sie darüber, ob man von einem zwei Meter hohen Kran in einen darunter liegenden Sandberg springen könne. Amad wollte mal wieder alle zum Lachen bringen und sprang. Es ging gut.

»Er war froh, dass er sicher leben kann und wollte sich etwas aufbauen.« Filiz, eine Freundin von Amad Ahmad

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