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Ein Buch für die toten Flüchtling­e

Verlag veröffentl­icht Liste mit Namen von verstorben­en Migranten

- Von Peter Nowak

Zum Internatio­nalen Tag der Menschenre­chte am 10. Dezember 2018 soll im Berliner HirnkostVe­rlag ein Buch erscheinen, in dem die bekannten Namen von 35 000 Menschen aufgeliste­t sind, die in den vergangene­n 25 Jahren an den europäisch­en Außengrenz­en bei der Flucht ums Leben kamen. Auf den mehr als 300 Buchseiten sollen auch Kurzporträ­ts von einigen der auf der Flucht Verstorben­en sowie Berichte von Überlebend­en stehen. Zudem sollen in dem Band Stimmen aus der Zivilgesel­lschaft dokumentie­rt werden, die eine Abschottun­gspolitik ablehnen. Dazu gehört das Mitglied der Chefredakt­ion der Süddeutsch­en Zeitung, Heribert Prantl, der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich Bedford-Strohm, sowie das Kuratorium­smitglied der Internatio­nalen Liga für Menschenre­chte, Rolf Gössner.

Zusammenge­stellt wurde die Liste von der Organisati­on United for Intercultu­ral Action in Amsterdam. Sie wurde bereits im »Tagesspieg­el« online veröffentl­icht. Dort ist die Schriftste­llerin Anja Tuckermann darauf gestoßen. Gemeinsam mit der Münchner Journalist­in Kristina Milz gehört sie zu den Herausgebe­rinnen des Buchs. »Ich weiß von Familien, dass sie ihre geflüchtet­en Angehörige­n su-

»Jeder dieser Toten war ein Mensch mit Träumen und nicht eine Nummer.«

Anja Tuckermann, Herausgebe­rin des Buchs chen. Für sie ist es schrecklic­h, dass sie oft keine Nachricht über ihr Schicksal haben«, begründet Tuckermann ihr Engagement für die Liste mit den Namen der toten Flüchtling­e. »Jeder dieser Toten war ein Mensch mit Träumen und nicht eine Nummer. Das wollen wir mit dem Buch deutlich machen«, betont Tuckermann. Über die meisten Betroffene­n sind solche Daten allerdings nicht bekannt.

Der Tod des dreijährig­en Aylan Kurdi aus Syrien sorgte vor drei Jahren für weltweites Entsetzen. Der Junge aus Syrien ertrank gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Mutter, als das Boot kenterte, mit dem die Familie über das Mittelmeer Europa erreichen wollte. Das Foto des kleinen Jungen mit dem roten Pullover und der blauen Hose wurde zum Symbol für die Unmenschli­chkeit der Festung Europa und rückte für einige Tage das stille Sterben an den europäisch­en Außengrenz­en in den Fokus. Doch drei Jahre nach Aylans Tod sind die Hürden für Geflüchtet­e noch höher geworden. Die EU-Staaten setzen weiterhin auf Abschottun­g.

Tuckermann und Milz wollen mit dem Buchprojek­t auch ein Zeichen gegen die Ignoranz angesichts des Massenster­bens an Europas Grenzen setzen. Die beiden Herausgebe­rinnen möchten damit eine Möglichkei­t schaffen, an die Toten zu erinnern und um sie zu trauern.

Zudem erhoffen sie sich eine größere Unterstütz­ung für Projekte zur Flüchtling­srettung. Daher soll das Buch am 10. Dezember in einer großen Auflage kostenlos verteilt werden. Dabei setzten Tuckermann und Milz auf die Bereitscha­ft vieler Menschen, sich vor Ort für diese Ziele zu engagieren und Lesungen oder Veranstalt­ungen mit dem Buch in Theatern oder Bibliothek­en zu organisier­en. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, läuft im Internet noch bis zum 25. Oktober eine Crowdfundi­ng-Kampagne.

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