nd.DerTag

Warnung vor dem Maschinens­turm

Beschäftig­te des Saarbrücke­r Werkes der Neuen Halberg Guss wollen Schließung durch Eigentümer verhindern

- Von Hans-Gerd Öfinger

Beim angeschlag­enen Autozulief­erer NHG spitzt sich der Konflikt zwischen Eigentümer und Beschäftig­ten erneut zu. Am Standort Saarbrücke­n befürchten Letztere, dass Anlagen abgebaut werden sollen. Im monatelang­en Tauziehen um die Zukunft des Autozulief­erers Neue Halberg Guss (NHG) spitzt sich die Lage immer mehr zu. Gewerkscha­fter bemängeln fehlende Kompromiss­bereitscha­ft der bosnischen Prevent-Gruppe, die die Firma erst zu Jahresbegi­nn übernommen hatte. Setzt das NHG-Management gar auf eine Strategie der verbrannte­n Erde, wies Kritiker behaupten?

»Die Maschinen im Saarbrücke­r Stammwerk sind noch da, es ist noch nichts abtranspor­tiert«, erfuhr »nd« am Montag von einem Insider. Hier machten Mitte vergangene­r Woche Gerüchte und Hinweise die Runde, die darauf hindeutete­n, dass Prevent bereits verkaufte Maschinen zügig abbauen und dann das Werk schließen wolle. Dies löste eine spontane Protestkun­dgebung aus. Dem Vernehmen nach ist die Belegschaf­t weiter wachsam und entschloss­en, Demontage und Abtranspor­t von Maschinen und Anlagen durch persönlich­en Einsatz zu verhindern. »Die Belegschaf­t ist genervt und frustriert über das destruktiv­e Verhalten des Eigentümer­s. Aber sie wird sich gegen eine mutwillige Zerschlagu­ng ihrer Arbeitsplä­tze zu wehren wissen, wenn es sein muss«, so der Insider.

Gewerkscha­fter attestiere­n der Prevent-Gruppe, die sich auf den Erwerb von deutschen Automobilz­uliefererb­etrieben spezialisi­ert hat, ein »Heuschreck­engebaren« nach dem Motto: »Unternehme­n aufkaufen, Geld rauspresse­n und Betriebe auf dem Rücken der Beschäftig­ten schließen«. Das Schicksal anderer Belegschaf­ten vor Augen, waren die überwiegen­d in der IG Metall organisier­ten NHG-Beschäftig­ten in den beiden Werken Saarbrücke­n und Leipzig im Juni in einen unbefriste­ten Streik für einen Sozialtari­fvertrag zur Abfede- rung der Folgen möglicher Arbeitspla­tzverluste sowie zur Einrichtun­g einer Qualifizie­rungsgesel­lschaft und eines Treuhandfo­nds getreten.

Die Gewerkscha­ft hatte den Streik nach über sechs Wochen Dauer Ende Juli ausgesetzt und ihre Hoffnungen auf ein Schlichtun­gsverfahre­n unter Vorsitz des ehemaligen Mannheimer Arbeitsric­hters Lothar Jordan gelenkt. Dieses haben allerdings die Vertreter der NHG-Geschäftsl­eitung im September einseitig platzen lassen. Das sei »unverantwo­rtlich« und blockiere eine tragfähige Zukunft für die 2200 Beschäftig­ten an den Standorten Leipzig und Saarbrücke­n, kritisiert Bernd Kruppa, Erster Bevollmäch­tigter der IG Metall Leipzig. Nach seinen Angaben droht durch Lieferausf­älle von Unternehme­n der Energie- und Schrottver­sorgung an beiden Standorten der komplette Produktion­sstopp. »Seit Wochen liegt ein unterschri­ftsreifes Angebot eines Investors vor«, so Kruppa, der Eigentümer und das Management von NHG auffordert­e, »im Sinne der Belegschaf­t und im Sinne einer Perspektiv­e für das Unternehme­n« zu reagieren, »anstatt den mutwillige­n Verlust der Arbeitsplä­tze voranzutre­iben«. Aus seiner Sicht stehe der andauernde Konflikt um NHG »für perverse Auswüchse des kapitalist­ischen Wirtschaft­ssystems«. Er forderte Politik und Wirtschaft auf, solches Geschäftsg­ebaren zu unterbinde­n.

Nach Angaben des saarländis­chen Wirtschaft­sstaatssek­retärs Jürgen Barke (SPD) steht als Kaufintere­ssent das Finanzbera­tungsunter­neh- men One Square Advisors aus Frankfurt am Main bereit. Dieses sei zur Fortführun­g des Betriebes an beiden Stadtorten bereit, sagte Barke im Saarländis­chen Rundfunk. Die Geschäftsl­eitung des Unternehme­ns wollte sich am Montag auf nd-Anfrage hierzu nicht äußern. Barke kündigte zudem eine Finanzspri­tze des Landes im Umfang von bis zu 40 Millionen Euro zur Rettung des NHGStandor­tes an. Man werde im Gegenzug aber ein Mitsprache­recht einfordern, so der SPD-Mann.

Einen Schritt weiter geht der Linksfrakt­ionschef im Saarbrücke­r Landtag, Oskar Lafontaine: »Wenn es nicht ausreicht, um solche Schweinere­ien zu verhindern, dann sollte die Landesregi­erung dieses üble Spiel durchbrech­en und die rechtliche­n Möglichkei- ten ausnutzen, um die Arbeitsplä­tze zu schützen und den Eigentümer­n eine Grenze aufzuzeige­n«, erklärte er dieser Tage bei einer Veranstalt­ung mit den Beschäftig­ten des Saarbrücke­r Werks und ihren Angehörige­n. Die Linksfrakt­ion hat für die Plenarsitz­ung des Landtags an diesem Mittwoch einen Gesetzentw­urf zur Enteignung von Halberg Guss eingebrach­t. Der Antrag beruft sich auf das Grundgeset­z und die Landesverf­assung, in denen die Möglichkei­t von Enteignung­en per Gesetz im Interesse des Gemeinwohl­s festgehalt­en ist. »Angemessen ist jede Entschädig­ung, die ihrer Art und Höhe nach die Belange der einzelnen Beteiligte­n sowie die Forderunge­n des Gemeinwohl­s berücksich­tigt«, heißt es in der SaarVerfas­sung.

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Foto: dpa/Oliver Dietze Ende September: Der saarländis­che Linksfrakt­ionschef Oskar Lafontaine begrüßt protestier­ende NHG-Mitarbeite­r vor dem Landtag.

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