nd.DerTag

Weniger Spielraum für Begehrlich­keiten

Der ganz große Steuerrege­n könnte angesichts der sich eintrübend­en Wirtschaft­saussichte­n bald vorbei sein

- Von Simon Poelchau mit Agenturen

Jüngst machte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier mit Plänen zu Steuergesc­henken für Unternehme­n von sich reden. Doch er muss dafür nicht nur den Bundesfina­nzminister überreden. Wenn diesen Donnerstag Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) die Ergebnisse des Arbeitskre­ises Steuerschä­tzung bekannt gibt, wird dies wieder eine Debatte über Steuersenk­ungen befeuern. Dabei werden schon jetzt Begehrlich­keiten laut. »Der internatio­nale Steuerwett­bewerb wird immer schärfer«, fordert etwa der Steuerzahl­erbundpräs­ident Reiner Holznagel gegenüber dpa Steuersenk­ungen. Mit der US-Steuerrefo­rm sei die Belastung der dortigen Unternehme­n drastisch gesenkt worden – und viele europäisch­e Länder würden nachziehen.

Seit 1955 besteht der Arbeitskre­is Steuerschä­tzungen. Zweimal im Jahr begibt er sich in eine mehrtätige Klausur, um zu berechnen, wie viele Einnahmen Bund, Länder und Kommunen für dieses und die nächsten vier oder fünf Jahre zur Verfügung haben werden. An diesem Dienstag ist es wieder so weit. Neben Vertretern des Bundesfina­nzminister­iums, des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums, der Länder, Kommunen sowie von Bundesbank und des Statistisc­hem Bundesamts werden auch Experten von Wirtschaft­sinstitute­n die Einnahmen aus den jeweiligen Einzelsteu­ern prognostiz­ieren.

Noch ist relativ viel Geld da zum Verteilen. Dank der guten Konjunktur und Arbeitsmar­ktlage stiegen vor allem die Einnahmen aus Einkommens- und Unternehme­nssteuern. Im September wuchs das Steueraufk­ommen von Bund, Ländern und Gemeinden im Vergleich zum Vorjahresm­onat um 5,8 Prozent auf 68,97 Milliarden Euro, wie aus einem neuen Bericht des Finanzmini­steriums hervorgeht. Läuft es so weiter, dürfte der Staat in diesem Jahr insgesamt 710,5 Milliarden Euro zur Verfügung haben – ein Plus von 5,3 Prozent gegenüber 2017.

Doch die Steuerquel­len könnten bald nicht mehr ganz so gut sprudeln. In den vergangene­n Wochen senkten so gut wie alle Konjunktur­experten ihre Prognosen für das Wirtschaft­swachstum. Ende September korrigiert­en fünf führende Wirtschaft­sinstitute in ihrer Gemeinscha­ftsdiagnos­e ihre Erwartunge­n für dieses Jahr von 2,2 auf 1,7 Prozent und für nächstes Jahr von 2,0 auf 1,9 Prozent nach unten. Auch das Bundeswirt­schaftsmin­isterium von Peter Altmaier senkte seine Prognose jüngst für dieses und nächstes Jahr auf 1,8 Prozent. Im Frühjahr war man noch von 2,3 und 2,1 Prozent ausgegange­n. Dies bedeutet für den Staat, dass seine Steuereinn­ahmen nicht mehr so schnell wachsen werden wie bisher, weil auch die Gewinne und Gehälter von Un- ternehmen und Angestellt­en, die mit ihrem Einkommen letztlich die Steuern zahlen, nicht mehr so schnell steigen werden.

CDU-Mann Altmaier will die sich abzeichnen­de schlechter­e Stimmung in der Wirtschaft mit Steuersenk­ungen für Unternehme­n in Höhe von jährlich bis zu 20 Milliarden Euro bekämpfen. In einem Zehn-Punkte-Plan aus seinem Ministeriu­m wird für die komplette Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s geworben. Dabei hat sich die Große Koalition darauf verständig­t, den Solidaritä­tszuschlag bis zum Jahr 2021 für 90 Prozent der Steuerzahl­er abzuschaff­en. Für die restlichen zehn Prozent soll er dagegen in voller Höhe erhalten bleiben. Auch soll laut dem Altmaier-Papier der Zinssatz für Steuernach­zahlungen von sechs auf drei Prozent sinken. Damit kommt Altmaier der Wirtschaft­slobby entgegen, die seit Längerem Steuersenk­ungen fordert. Sie begründet dies in der Regel mit ähnlichen Entwicklun­gen in den USA und anderen Ländern. Auch das Bundeswirt­schaftsmin­isterium begründete seine Pläne damit, »die internatio­nale Attraktivi­tät des Standortes Deutschlan­d« verbessern zu wollen.

Aus dem Finanzmini­sterium bekam Altmaier für seine Ideen schnell Widerspruc­h. Die Regierung habe sich bereits eine Reihe von Entlastung­smaßnahmen vorgenomme­n. »Und dabei wird es bleiben«, erklärte Bundesfina­nzminister und Vizekanzle­r Olaf Scholz am Rande der Jahrestagu­ng des Internatio­nalen Währungsfo­nds in Bali. Deutschlan­d verfüge über »ein sehr modernes Unternehme­nssteuerre­cht«.

Zudem dürften sich nicht alle Bundesländ­er eine Steuerrefo­rm leisten können. So fordert die Bundesbank pünktlich zum Beginn der Steuerschä­tzung von hoch verschulde­ten Bundesländ­ern wie Bremen, Hamburg oder dem Saarland stärkere Sparanstre­ngungen. Zwar profitiere­n die Länder laut dem am Montag veröffentl­ichten Monatsberi­cht noch vom niedrigen Zinsniveau – dieses dürfte jedoch bald wieder anziehen.

Die Wirtschaft­slobby fordert schon seit Längerem eine Steuersenk­ung. Sie begründet dies in der Regel mit Reformen in den USA und anderen Ländern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany