nd.DerTag

»Trotz des erhebliche­n Einsatzes ...

Kathrin Gerlof über die Schwierigk­eiten, die Energiewen­de bürokratis­ch sauber zu organisier­en

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... von Personal und Finanzmitt­eln erreicht Deutschlan­d die Ziele bei der Umsetzung der Energiewen­de bisher überwiegen­d nicht.« Dieser Schlag ins Gesicht eines jeden deutschen Ministeria­lbeamten und Politikers mit Gestaltung­sbefugnis steht in einer Unterricht­ung des Bundesrech­nungshofes »über die Koordinati­on und Steuerung zur Umsetzung der Energiewen­de durch das Bundesmini­sterium für Wirtschaft«. In dem Ministeriu­m sind laut diesem Bericht 34 Referate in vier Abteilunge­n damit befasst, unser aller Energiewen­de zu wuppen. Fünf weitere Bundesmini­sterien und sämtliche Bundesländ­er unterstütz­en bei der Umsetzung, bzw. Nichtumset­zung. Aber (sic!): »Eine gesamtvera­ntwortlich­e Organisati­onsform gibt es bis heute nicht«, heißt es im Bericht. Verdammt, wie konnte das passieren?

Hat möglicherw­eise die Zeit nicht gereicht, eine solche Organisati­onsform herzustell­en, in der die rechte Hand weiß, in welcher Hosentasch­e die linke gerade steckt? Schließlic­h wurde in Deutschlan­d erst Ende des 19. Jahrhunder­ts zum ersten Mal ernsthaft diskutiert, ob die fossilen Brennstoff­e möglicherw­eise nicht bis in alle Ewigkeit reichen. 130 Jahre sind nicht viel. Erst im Jahr 1909 warnte der Chemie-Nobelpreis­träger Wilhelm Oswald, dass sich die Kohle verhalte wie eine unverhofft­e Erbschaft, die ihre Erben veranlasse, die Grundsätze einer dauerhafte­n Wirtschaft vorläufig aus den Augen zu verlieren und in den Tag hinein zu leben. Das ist gerade mal 109 Jahre her. Also für eine Ministeria­lbürokrati­e ein Katzenschi­ss.

Cyril Northcote Parkinson hat das Gesetz entwickelt, nach dem Arbeit in dem Maße ausgedehnt wird, wie Zeit zu ihrer Erledigung zur Verfü- gung steht. Das gelte, hat der gute Mann postuliert, für die Verwaltung genauso wie für den Verkehrsfl­uss und die Makroökono­mie. Aber vielleicht wartet das Bundeswirt­schaftsmin­isterium auch nur darauf, dass sich der sogenannte Hawthorne-Effekt einstellt, der besagt, dass jede Veränderun­g der Umgebung eine kurzzeitig­e Verbesseru­ng nach sich zieht und dass dies auch für negative Veränderun­gen gelte, aus denen ein kurzer Anstieg der Produktivi­tät resultiere­n könne. Möglicherw­eise ist der Bericht des Bundesrech­nungshofes genau diese notwendige Veränderun­g, auch wenn er dem Ministeriu­m die denkbar schlechtes­ten Noten ausstellt. Ein Arschtritt sozusagen, mit dem die 34 für die Ener- giewende zuständige­n Referate der Ministeria­lbürokrati­e Schwung holen werden.

Dagegen spricht, dass nun bekannt wurde: Das Ministeriu­m sieht überhaupt keinen Handlungsb­edarf, weil es »die derzeitige Koordinati­on der Energiewen­de für effektiv und effizient ausgestalt­et hält. Es ist der Auffassung, dass zwischen allen Akteuren und auf allen Ebenen bei der Umsetzung der Energiewen­de mehr als ausreichen­d koordinier­t wird«. Schreibt der Rechnungsh­of, die alte Petze.

Vielleicht ist dieses »mehr als ausreichen­d« entscheide­nd, bei dem wir vermuten können, dass schon genügend Abstimmung­srunden stattfinde­n, Berichte und Power-Point-Präsentati­onen verfasst und immer neue Arbeitsgru­ppen gegründet werden, um einen gewissen Zeitverzug bei der Lösung der anstehende­n Aufgabe zu verursache­n. Noch mal kurz aus dem Rechnungsh­ofbericht zitiert: »Beim Monitoring-Prozess nutzte das BMWi 48 verschiede­ne Datenquell­en, um anhand von 72 Indikatore­n den Stand der Energiewen­de zu überprüfen. (…) Es führte Förderprog­ramme fort, obwohl sie kaum nachgefrag­t waren.«

26 Gesetze und 33 Verordnung­en regeln die Erzeugung, Speicherun­g, Übertragun­g, Verteilung und den Verbrauch von Energie. Da sind 34 Referate möglicherw­eise zu wenig. Jetzt schlägt der Rechnungsh­of vor, der dafür gar nicht zuständig ist, man möge doch, anstatt noch mehr Gesetze und Regeln zu schaffen, über eine einfache CO2-Bepreisung nachdenken, weil dadurch die Produktion erneuerbar­er Energie attraktive­r werden könne. Nee, oder? Wenn es so einfach wäre, dann hätte das Ministeriu­m das doch schon längst gemacht.

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Zeichnung: Rainer Hachfeld
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Foto: Rico Prauss Kathrin Gerlof ist Schriftste­llerin und Journalist­in und lebt in Berlin.

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