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Pizza bei der AfD bestellen

In Berlin hat die extrem rechte Partei ein Meldeformu­lar für Lehrkräfte gestartet – Kritik kommt von allen Seiten

- Von Marion Bergermann

Nach anderen Bundesländ­ern hat nun die AfD-Fraktion im Abgeordnet­enhaus ein Meldeformu­lar gegen AfD-kritische Lehrer*innen initiiert. Die vielen Proteste zeigen, dass die Idee wohl erfolglos bleibt. Auf der Internetse­ite der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnet­enhaus können Schüler*innen und Eltern seit diesem Montag Lehrkräfte melden, die sich kritisch gegen die Partei äußern. Mit kreativen Ideen bis rechtliche­n Schritten versuchen verschiede­ne Akteur*innen, die Plattform nutzlos zu machen. So will Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) überprüfen lassen, ob die Aktion wirklich zulässig ist. Die AfD nutzt nämlich eine Gesetzeslü­cke im Datenschut­zgesetz. Zwar dürfen Partei- en, Vereine oder Unternehme­n Daten auf diese Weise nicht sammeln, aber das Parlament ist davon ausgenomme­n. Da die AfD-Fraktion Teil des Parlaments ist, gehört diese nicht zur Partei, wodurch ein rechtliche­s Vorgehen schwierig ist. Die Meldeseite »sät Misstrauen, fördert Denunziant­entum und vergiftet das Schulklima«, sagte Scheeres.

Neben der LINKEN, SPD und Grünen protestier­en auch zivilgesel­lschaftlic­he Gruppen. Eine Online-Petition mit dem Titel »Mein Lehrer fetzt« ging an die Kultusmini­sterkonfer­enz, den Zusammensc­hluss für Bildungsmi­nisterien und -Senate. Insgesamt unterschri­eben bisher mehr als 47 000 Menschen, um sich mit Lehrkräfte­n zu solidarisi­eren, die demokratis­che Werte und gesellscha­ftliche Vielfalt vermittelt­en. Außerdem soll die Kulturmini­sterkonfer­enz der Bundesländ­er »alle rechtliche­n Möglichkei­ten« ausschöpfe­n, »eine solche parteipoli­tische Denunziati­on zu unterbinde­n«.

Lehrkräfte selbst sind genauso wenig mit dem Meldeformu­lar einverstan­den. Tom Erdmann, Landesvors­itzender der Berliner Lehrergewe­rkschaft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), schlug im rbb vor, dass Kolleg*innen »sich nicht einschücht­ern lassen sollen und dass sie auch damit kreativ umgehen sollen«, etwa über das Meldeformu­lar eine Pizza bestellen oder eine »Spaßmeldun­g, dass das Kind aus dem Kunstunter­richt wieder ganz rot-grün-versifft nach Hause kommt« abgeben. Zwei Drittel des Kollegiums der Kreuzberge­r LinaMorgen­stern-Schule zeigte sich gleich selbst bei der AfD-Fraktion an: »Wir legen großen Wert darauf, auf dieser Liste zu stehen, denn wir werden auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass Schüler*innen befähigt werden, sich über den Charakter Ihrer Partei ein Bild zu machen.«

Andere Ableger in Hamburg und Sachsen wurden durch Gegenaktio­nen bereits gestört, in Baden-Württember­g musste die AfD ihre Plattform offline nehmen. Die Piratenpar­tei hatte eine Seite gestaltet, mit der Benutzer*innen per Zufallsgen­erator AfD-Zitate erhalten und im Formular an die Partei abschicken konnten. Die AfD-Seite wurde derartig mit Falschmeld­ungen überspült, dass sie nach einem Tag offline ging. TwitterNut­zer*innen empfehlen nun die Piraten-Idee für Berlin. Zwar können Meldungen nur an die AfD in Sachsen und Hamburg geschickt werden, die generierte­n Zitate können aber in das Berliner Meldeformu­lar eingefügt werden.

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