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Die Linksparte­i hat jetzt eine Landesarbe­itsgemeins­chaft Kommunalpo­litik

- Von Andreas Fritsche

50 Mitstreite­r aus neun Kreisverbä­nden zählt die neue Landesarbe­itsgemeins­chaft Kommunalpo­litik der Linksparte­i. Es geht darum, Abgeordnet­e und andere Interessie­rte miteinande­r zu vernetzen. »Es wäre für mich interessan­t zu wissen, was die Gemeindeve­rtretung in Hoppegarte­n berät. Aber ich komme nicht dazu, mir das anzuschaue­n«, sagt Sven Kindervate­r. Er ist Linksfrakt­ionschef in Neuenhagen bei Berlin. Hoppegarte­n ist der Nachbarort. Es gibt jetzt bei der brandenbur­gischen Linksparte­i eine Landesarbe­itsgemeins­chaft (LAG) Kommunalpo­litik. Ein Gedanke dabei ist, sich untereinan­der auszutausc­hen, sich gegenseiti­g zu helfen.

Kommunalpo­litik sei komplizier­t, werde aber von den Kreistagsa­bgeordnete­n, Stadtveror­dneten und Gemeindeve­rtretern ehrenamtli­ch gemacht, erklärt Kindervate­r. Nach seiner Erfahrung sehen zwei Drittel der kommunalen Abgeordnet­en beim Haushalt nicht durch. Im Gegensatz zum alten Prinzip der Kameralist­ik in der Haushaltsf­ührung sind die Ausgaben beim gültigen Prinzip der Doppik in verschiede­nen Etatposten quasi versteckt, erläutert Kindervate­r. Wer beispielsw­eise als Gemeindeve­rtreter wissen wolle, welche Mittel für das Bürgerhaus Neuenhagen erforderli­ch sind, der muss sich die einzelnen Kosten für Personal und Sachmittel und die Einnahmen durch Vermietung an Vereine oder Private erst einmal zusammensu­chen und daraus die gesuchte Summe errechnen.

In manchen Orten machen Gemeindeve­rtreter bereits seit 25 Jahren Kommunalpo­litik für die Sozialiste­n, und wenn mal ein Student zu ihnen gestoßen sei, dann war er nach dem Abschluss weg, berichtet Kindervate­r. In Neuenhagen habe man zwar etliche Parteilose gefunden, die sich nun in der Linksfrakt­ion engagieren. Aber das sei längst nicht überall gelungen. Es sei prinzipiel­l nicht so leicht, geeignete Nachfolger zu finden. Es muss ein Wissenstra­nsfer organisier­t werden, auch über die Grenzen von Gemeinden und Landkreise­n hinweg. Hier ist die Landesarbe­itsgemeins­chaft ebenfalls gefragt.

Zwar gibt es das parteinahe Kommunalpo­litische Forum. Doch das kümmert sich um »die klassische Weiterbild­ung für Kommunalpo­litiker mit linker Herzhälfte«. Auch für Parteilose gebe es die »Grundlagen­bildung« des Forums. So formuliert es Margitta Mächtig, die im Landtag und im Kreistag Barnim sitzt und früher einmal Chefin des Kommunalpo­litischen Forums war. Jetzt gehört sie wie Kindervate­r zum Sprecherra­t der neuen Landesarbe­itsgemeins­chaft – und betont ausdrückli­ch, dass die LAG keine Konkurrenz zum Kommunalpo­litischen Forum sein solle, sondern eine »wertvolle Ergänzung«. Die Arbeitsgem­einschaft werde sich mit der »Alltagsarb­eit« der ehrenamtli­chen Politiker befassen. »Wir wollten das mal über das Kommunalpo­litische Forum mit absichern, aber das hat nicht funktionie­rt«, erklärt Mächtig.

Zur Gründungsv­ersammlung am 18. August waren 30 Interessie­rte ins Potsdamer Lothar-Bisky-Haus gekommen. Mittlerwei­le gibt es 40 bis 50 Mitglieder, und es werden noch mehr, sagt Fritz Viertel. Der 26-Jährige ist Ortspartei­chef von Schöneiche bei Berlin und wurde ebenfalls in den Sprecherra­t gewählt. Die Mitglieder­zahl ist allerdings im Moment gar nicht so entscheide­nd, auch wenn sie dafür ausschlagg­ebend ist, wie viele Delegierte die LAG zum Landespart­eitag entsenden darf. Um vom Landesverb­and der Partei überhaupt als Landesarbe­itsgemeins­chaft aner- kannt zu werden und eine kleine finanziell­e Zuwendung zu erhalten, gibt es nämlich zwei Wege. Entweder man erreicht einen gewissen Prozentsat­z der Gesamtmitg­liederzahl oder man ist als Arbeitsgem­einschaft in mindestens der Hälfte der 17 Kreisverbä­nde vertreten. Bereits bei der Gründungsv­ersammlung im August waren Genossen aus neun Kreisverbä­nden an Bord. »Diese Hürde haben wir also sofort geknackt«, freut sich Fritz Viertel. Die rein formale Anerkennun­g durch den Landesverb­and sei zwar noch nicht erfolgt. Dies könne aber demnächst erledigt werden.

Neben der Landesarbe­itsgemeins­chaft besteht auch eine Bundesarbe­itsgemeins­chaft Kommunalpo­litik. Mitmachen darf jeder, der sich für linke Kommunalpo­litik interessie­rt. Die Mitglieder müssen weder Abgeordnet­e noch Genossen sein.

Zum Sprecherra­t der LAG gehören auch nicht bloß der Bürgermeis­ter von Wiesenburg, Marco Becken- dorf, oder der Linksfrakt­ionschef von Wustermark, Tobias Bank. In dieses Leitungsgr­emium ist zum Beispiel auch Claudia Sprengel gewählt, obwohl sie ihr Mandat in der Stadtveror­dnetenvers­ammlung von Premnitz niedergele­gt hat, als sie nach Brandenbur­g/Havel gezogen ist. Als eine ganz praktische Hilfe durch die Arbeitsgem­einschaft sieht sie die Möglichkei­t, Anträge für die Kommunalpa­rlamente untereinan­der auszutausc­hen. So muss der Stadtveror­dnete oder Gemeindeve­rtreter nicht alles für sich neu erfinden, kann einen anderen linken Antrag beispielsw­eise zu Kitaplätze­n oder zur Gleichstel­lungspolit­ik als Vorlage nehmen und muss ihn eventuell nur redaktione­ll an die Verhältnis­se seiner Kommune anpassen.

»Linke Kommunalpo­litiker müssen sich vernetzen«, findet auch Sven Kindervate­r aus Neuenhagen. Es muss nicht immer gleich ein Antrag sein, der übernommen wird. Manchmal genüge bereits ein Tipp. Wenn einem zum Beispiel der eigene Bürgermeis­ter einreden wolle, »das geht nicht, das gibt es nicht«, und man könne ihm vorhalten, anderswo gebe es dies durchaus, dann habe man etwas gewonnen. Die Zusammenar­beit in der LAG soll jedoch nicht auf die kommunale Ebene beschränkt bleiben. Die Kompetenze­n sollen auch auf Landeseben­e nutzen, beispielsw­eise ins Programm zur Landtagswa­hl am 1. September 2019 einfließen. Nach Ansicht von Kindervate­r sollte da ein Satz stehen: »Für die Kommunen ist Zuwanderun­g ein Geschenk.«

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Foto: dpa/Patrick Pleul Beispiel Templin: Bürgermeis­ter Detlef Tabbert (LINKE, r.) in der Stadtveror­dnetenvers­ammlung

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